Worte und Taten

Titelbild: © lassedesignen – stock.adobe.com

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Über die wachsende Lücke zwischen Narrativ und Wirklichkeit

Zinsrhetorik und Zinspolitik

In den letzten Wochen ließ der Chef der US-amerikanischen Notenbank Fed, Jerome Powell, kaum eine Gelegenheit aus, sich „hawkish“ zu geben. Auch andere Offizielle üben sich im Vorfeld der Notenbanksitzung der nächsten Woche in verbaler Inflationsbekämpfung. Inzwischen wird sogar laut darüber nachgedacht, ob die Fed statt der zuletzt üblichen 0,25%-Schritte nicht einen 0.5%-Schritt ins Auge fassen sollte, um die Märkte zu „schocken“. Ernsthaft?! Diese Diskussion zeigt doch vor allem, wie hilflos die Zauberlehrlinge des Geldes angesichts der Geister sind, die sie selbst mit ihrer hemmungslosen Geldvermehrung gerufen haben. Denn 0,5% war früher eher ein Zwischenschritt der Zinspolitik und angekündigt wurde dieser schon gar nicht. Der Eiertanz des Erwartungsmanagements zeigt, welchen enormen Respekt man mittlerweile vor Marktreaktionen hat. Dereinst war es üblich, dass Notenbanken die Märkte noch richtig schockten, indem sie die Zinsen einfach in ganzen Ein-Prozent-Schritten nach oben oder unten veränderten und größten Wert darauf legten, dass das nicht vorher schon durchsickerte.

Echter Stresstest

Heute wäre das damalige Katz-und-Maus-Spiel ein echter Stresstest für die Märkte. Ohne vorherigen Stuhlkreis, langatmige Ankündigungen und Erklärungen traut sich praktisch kein Notenbanker mehr, auch nur um einen 0,25%-Tick an der Zinsschraube zu drehen. Wir gehen allerdings weiter davon aus, dass den Notenbanken die Hände faktisch weitestgehend gebunden sind, wobei die Fed innerhalb eines vergleichsweise engen Korridors möglicher Maßnahmen einen deutlich größeren Spielraum als die EZB hat. Entsprechend wird die Hauptwirkung, die die Notenbanken erzielen, nicht durch die tatsächliche Verknappung der Liquidität hervorgerufen, sondern durch die Reaktion der Marktteilnehmer auf solche Ankündigungen. Man kann dies sehr schön am Kursverlauf des NASDAQ 100 (Abb. 1) während der letzten Tage sehen. Je falkenhafter sich Vertreter der Fed gaben, desto mehr wurden jene verunsichert, die in die Zukunftsunternehmen der US-Wirtschaft investierten. Auch technisch ist der Markt aktuell in einer Schwächephase. Sehen wir in schon die zweite große Abwärtskerze (rote Markierungen) in kurzer Zeit und die scharfe Aufwärtsbewegung im Dezember war von deutlich sinkenden Umsätzen begleitet (vgl. roter Pfeil). Zudem findet das gesamte Kursgeschehen unterhalb der großen Keilformation statt, die wir in der Vorwoche ausführlich beschrieben hatten.

Eine Frage der Glaubwürdigkeit

Allerdings kann es eine Notenbank auch nicht bei bloßen Ankündigungen belassen. Sie muss den Worten Taten folgen lassen, will sie ihre Glaubwürdigkeit nicht verlieren. Entscheidend wird also sein, dass tatsächlich etwas getan wird und (!), dass man eine glaubwürdige Ausrede parat hat, um die Maßnahmen dennoch nicht auf die Spitze treiben zu müssen. Zwar ist die exorbitante Verschuldung der eigentliche Grund, warum nicht einmal die Fed ein echtes Zinserhöhungsfeuerwerk zünden kann – die EZB schon gar nicht –, aber genau dieses Argument werden wir wohl nicht hören. Denn die Verschuldung ist auf konventionellem Wege schon lange nicht mehr in den Griff zu bekommen und ein solches Eingeständnis könnte eine regelrechte Flucht aus dem Geld auslösen. Also wird wohl ein externer Faktor bemüht werden, der mit Hinblick auf „das große Ganze“ eine erneute Lockerung der Geldpolitik erforderlich machen wird. Heiße Tipps sind in dieser Hinsicht weitere Corona-Wellen oder eine Verschärfung der Spannungen mit Russland.

Prüfstand für Notenbanken

Wie ernst die Märkte die angekündigten Zinserhöhungen nehmen, kann man auch am Kursverlauf der Edelmetalle erkennen. Denn bei steigendem Realzins wäre Gold eigentlich eine der unattraktivsten Anlagen überhaupt. Durch Zinserhöhungen sollte der Realzins theoretisch in zweifacher Hinsicht anziehen – erstens durch den steigenden Nominalzins und zweitens durch die Dämpfung der Teuerung. Während der Goldpreis auf die martialischen Ankündigungen von Fed-Chef Powell zum Jahreswechsel noch reichlich verschnupft reagierte, zeigte man sich von den jüngsten Äußerungen der Notenbank-Offiziellen weitgehend unbeeindruckt. Wenn man wissen will, wie realistisch die Ankündigungen einer deutlichen Straffung der Geldpolitik sind, sollte man also auch stets ein Auge auf den Goldpreis behalten.

Genesene als Trickbetrugsopfer

Augenfällig sind die Parallelen zur Corona-Diskussion: Während in vielen Ländern trotz oder besser aufgrund der grassierenden, aber weitestgehend milden Omikron-Variante erste beherzte Lockerungsmaßnahmen zu beobachten sind, gehört Deutschland zu einer Handvoll von Staaten, in denen ernsthaft an der Einführung einer Impfpflicht gearbeitet wird. Ähnlich der Politik einer Notenbank soll wohl auch hier bereits die Ankündigung zu entsprechenden „freiwilligen“ Anpassungen der Bürger an das Gewünschte führen. Grundsätzlich scheint die Politik dabei derzeit um keinen Taschenspielertrick verlegen zu sein, um die Menschen zum Impfen bzw. Boostern zu nötigen. Neben der anhaltenden Panikmache mit sogenannten Inzidenzzahlen – über die Krankenhausampel, noch vor Wochen das Maß aller Dinge, wird kaum noch geredet –, wurde am vergangenen Wochenende sogar noch der Genesenennachweis auf rund zwei Monate (90 Tage abzüglich 28 Tage) von zuvor fünf Monaten (sechs Monate abzüglich 28 Tage) verkürzt. Das Verfahren ist an sich schon höchst fragwürdig, denn angesichts der bestehenden 2G- und 2G+-Regeln geht es hier um erhebliche Grundrechtseinschränkungen, die ohne Vorankündigung praktisch per Mausklick auf einer Website vollzogen wurden. Hanebüchen ist die Begründung:

„Die Dauer des Genesenenstatus wurde von 6 Monate auf 90 Tage reduziert, da die bisherige wissenschaftliche Evidenz darauf hindeutet, dass Ungeimpfte nach einer durchgemachten Infektion einen im Vergleich zur Deltavariante herabgesetzten und zeitlich noch stärker begrenzten Schutz vor einer erneuten Infektion mit der Omikronvariante haben.“

Denn das, Entschuldigung, Hirnrissige daran ist, dass, wie der Sprecher des Gesundheitsministers, Hanno Kautz, im Nachgang zur Bundespressekonferenz dem Journalisten Boris Reitschuster mitteilte, es auch für Delta-Genesene keinen Bestandsschutz gibt. Damit werden nun Delta-Genesene wie Omikron-Genesene behandelt, obwohl es angeblich genau der Unterschied zwischen beiden gewesen sein soll, der laut „Begründung“ des Robert-Koch-Instituts zur Verkürzung des Genesenenstatus geführt habe. Ein Minister, der handwerklich derart schlecht arbeitet und/oder die Grundrechte der Bürger gar willkürlich mit Füßen tritt bzw. über das RKI treten lässt, sollte umgehend nur noch in eine Richtung treten – nämlich zurück!

Zu den Märkten

Wie sehr das Impfnarrativ weltweit bröckelt, kann man nicht nur an der wachsenden Zahl der Länder sehen, die trotz hoher, sogenannter 7-Tage-Inzidenzen ihre Corona-Maßnahmen zurückfahren bzw. beenden. Selbst Israel, das stets weit vorne war, wenn es ums Impfen und Boostern ging, hat praktisch eine 180-Grad-Wende vollzogen – nachdem es sowohl eines der meistgeimpften, aber zeitgleich auch eines der Länder mit der höchsten 7-Tage-Inzidenz war, was an sich schon erklärungsbedürftig ist. Für uns Börsianer gibt es ist allerdings einen Indikator, der wesentlich zuverlässiger den Stand und die weitere Entwicklung der Pandemie anzeigt – die Kurse jener Impf-Aktien, die als die Hauptprofiteure der Pandemie gelten. Die beiden „pure plays“ Moderna und BioNTech hatten sich im Zuge der Pandemie rund verfünfundzwanzig- bzw. verdreißigfacht. Aber so eindrucksvoll diese Charts auch aussehen, seit Mitte des letzten Jahres scheint nicht nur die Luft raus zu sein, die Titel stürzten zuletzt sogar beschleunigt ab. Von Ihren jeweiligen Hochs verloren beide Aktien mehr als 60%. Kontrastieren Sie diese Kursbewegungen mit dem Politik- und Medien-Hype um Omikron und sie haben eine hochinteressante zweite Meinung, wie es weitergehen könnte. Möglicherweise stehen wir sogar in Deutschland eher vor dem Ende dieser (!) Pandemie als vor weiteren drakonischen Maßnahmen.

Musterdepots & wikifolio

In der Rubrik Musterdepots & wikifolio berichten wir heute über einen Kauf in unserem Musterdepot und über die Entwicklung in unserem wikifolio „Smart Investor – Momentum“. Sie können sich dort durch einfaches Blättern einen schnellen Überblick über die Transaktionen der letzten Wochen verschaffen.

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Fazit

Nicht an ihren Worten, an ihren Taten sollt Ihr sie erkennen, und manchmal auch an den Börsenkursen.

Ralf Flierl, Ralph Malisch

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Die Charts wurden erstellt mit TradeSignal von www.tradesignal.de und Tai-Pan von Lenz+Partner. Diese Rubrik erscheint jeden Mittwochnachmittag.

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