Immer wieder freitags?

Titelbild: © maxmitzu – stock.adobe.com

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Gold: Als sich alle sicher waren, ging es bergab

„Tiefenpsychologischer Befund“

Für Gold gab es in den letzten Monaten nur eine Richtung – nach oben. Goldfans waren sich darin einig, dass das gelbe Metall in einer von größten Unsicherheiten geprägten Zeit, der sichere Hafen schlechthin ist. Noch letzte Woche waren im Mainstream erstaunlich positive Artikel über Gold zu lesen, erstaunlich insofern, als man dort Anstiege des Goldpreises in der Regel mit Skepsis, um nicht zu sagen mit einem gewissen Widerwillen beobachtet. Bemerkenswert war ein „FOCUS Online“-Gastbeitrag von Gabor Steingart, Herausgeber von „The Pioneer Briefing“ und einer der bekanntesten Journalisten Deutschlands, unter dem Titel „Zentralbanken sind plötzlich im Goldrausch“. Dort kündigte er an, den „tiefenpsychologischen Befund“ zu liefern, „warum Gold gerade so gefragt“ sei. Schon die erste Absatzüberschrift ließ erahnen, wohin die Reise gehen sollte: „Die Angst treibt die Goldnachfrage“. Oder auch nicht, denn in diesem Abschnitt geht es um Zentralbanken. Falls es überhaupt eine Gruppe von Marktteilnehmern gibt, die auch nur halbwegs rational handelt, dann sind es doch genau diese Institutionen.

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Nicht gegen die Notenbanken

Während sich Steingarts Einführung so liest, als wäre die Goldhausse der vergangenen Monate vor allem „tiefenpsychologisch“ zu begründen, als sei „Angst“ die wesentliche Triebfeder und als seien die Notenbanker „plötzlich“ (!) in einen „Goldrausch“ (!) verfallen, sind im Text dann Fakten zu finden, die eine andere Sprache sprechen: Zum einen sind die Notenbanken bereits seit 2010 Nettokäufer für Gold, also seit mehr als 13 Jahren! Von „plötzlich“ kann daher keine Rede sein, auch wenn die Nachfrage von dieser Seite zuletzt sehr deutlich angezogen hat. Aber auch dafür liefert Steingart höchst nachvollziehbare und rationale Motive – eines „tiefenpsychologischen Befunds“ bedarf es daher nicht: Zum einen hat die noch immer anhaltende Inflation der Jahre 2021/22 harte Schleifspuren in US-Dollar und vor allem im Euro hinterlassen. Zum anderen waren die westlichen Wirtschaftssanktionen gegen Russland, insbesondere das Einfrieren russischer Guthaben, auch für China ein weiterer wichtiger Anstoß, die eigenen Devisenreserven beschleunigt umzustrukturieren – weg vom US-Dollar und hin zu Gold. Schließlich ist es für ein Land wie die Türkei, deren Währungsverfall bereits weit fortgeschritten ist, ein durchaus naheliegendes Mittel, das Restvertrauen durch verstärkte Goldkäufe zu unterstützen. Die Verhaltensweisen der Notenbanken sind also ziemlich gut begründet. Von Angst ist da keine Spur. Aber selbst, wenn die Notenbanken irrational handelten, sollten sich normal sterbliche Börsianer diesen besser nicht entgegenstellen. Für den Artikel schließlich gilt: Es lohnt sich, mehr als nur die Überschrift und den Teaser zu lesen, denn die harten Fakten liefert Steingart durchaus.

Goldbulle vorerst ausgebremst

Dennoch wurde der Goldbulle am Donnerstag in geradezu klassischer Weise erst einmal ausgebremst. Klassisch war dies insofern als einem langen Anstieg ein sehr abrupter Abriss folgte. Auch technisch wurden die Marktteilnehmer noch am Donnerstag mit neuen Bewegungshochs in Sicherheit gewiegt, bevor der Markt dann praktisch auf Tagestief schloss. Am Freitag setzte sich die Verkaufswelle dann sogar noch einmal verstärkt fort. Die schwachen Freitage gelten am Goldmarkt als ebenfalls nicht gerade untypisch, wobei Goldfans hier in der Regel von preismanipulierenden Markteingriffen ausgehen. Die Argumentation lautet, dass über Futures-Verkäufe der Markt punktuell zu einer Zeit unter Druck gesetzt werde, zu der nur wenig Gegenwehr zu erwarten sei – vorzugsweise im dünnen, späten Freitagshandel. Das mag durchaus so sein, schließlich ist Gold so etwas wie der natürliche Gegenspieler des US-Dollar. Auch lassen sich immer wieder große Verkaufsorders am Terminmarkt beobachten, die gar nicht ohne entsprechende Preiszugeständnisse aufgenommen werden können. Allerdings müssen solche Short-Attacken nicht zwangsläufig währungspolitisch motiviert sein. Ein spekulatives Kalkül könnte beispielsweise darin bestehen, durch eine überraschende Short-Attacke weitere Verkäufe herauszukitzeln bzw. Stop-Loss-Orders auszulösen. In der Folge könnten sich die Shorties dann in der durch sie selbst ausgelösten Verkaufspanik wieder preiswert eindecken. Unethisch wäre ein solches Verhalten allemal, aber auch ohne währungspolitischen Hintergrund hochprofitabel.

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Unauffindbares Muster

Was es mit dem Freitagsmythos auf sich hat, lässt sich statistisch erfassen. Wir haben uns einmal die Mühe gemacht, sämtliche Kursrückgänge seit Anfang 2003, also während der letzten 20 Jahre zu untersuchen. Dabei haben wir Tagesverluste von -3% oder mehr auf Schlusskursbasis nach Wochentagen untersucht und kamen zu dem in der folgenden Tabelle dargestellten Ergebnis. Diese markanten Verluste sind über die Wochentage in etwa gleichmäßig verteilt. Falls man an den Kalendertagen überhaupt eine Auffälligkeit wahrnehmen möchte, dann besteht diese darin, dass die Wahrscheinlichkeit für einen solchen Verlust an Freitagen niedriger (!) war als im Wochendurchschnitt. Der größte Tagesverlust in diesem Betrachtungszeitraum war übrigens am Montag, den 15.4.2013 mit -8,56% zu verzeichnen, gefolgt von Dienstag, dem 13.6.2006 mit -6,99% und schließlich Freitag (!), dem 10.10.2008, mit -6,80%. Möglicherweise werden die Freitagsverluste auch nur deshalb so gut erinnert, weil es dazu eine stimmige These gibt. Der vergangene Freitag schafft es mit einem Minus von -2,46% noch nicht einmal in die Spitzengruppe. Im Zusammenhang mit dem ebenfalls schon schwachen Donnerstag, liegt der Zwei-Tage-Verlust von Mittwoch bis Freitag bei -4,34%, was für den 43. Platz der größten Zwei-Tage-Verluste während der letzten 20 Jahre reicht – das ist immerhin bemerkenswert, aber nicht spektakulär.

Pleiten, Pech und Pannen

Die Leoni AG galt über viele Jahre nicht nur als deutsches Traditionsunternehmen, dessen Wurzeln bis in das 16. Jahrhundert zurückreichen, sondern auch als ein Hidden Champion in der Kabelbaumproduktion für Kraftfahrzeuge, der sich im Jahr 2002 bis in den MDAX vorkämpfte. Vergangene Zeiten. Seit Herbst 2018 ist Leoni wieder im SDAX gelistet und scheint geradezu vom Pech verfolgt zu sein. Schon einmal machte das Unternehmen aus Roth bei Nürnberg unrühmliche Schlagzeilen, als es von Betrügern im Jahr 2016 um rund 40 Mio. EUR erleichtert wurde. Ab 2020 litt Leoni dann besonders unter der Corona-Lockdown-Politik. Im Jahr 2022 wurde bekannt, dass sich gleich zwei Werke zur Kabelbaumproduktion ausgerechnet in der Ukraine befanden. Die hochverschuldete Leoni betrieb zuletzt den Verkauf der Sparte „Automotive Cable Solutions“ an eine thailändische Unternehmensgruppe – ohne Erfolg. Die Thailänder zogen sich im Dezember 2022 aus den Verkaufsverhandlungen zurück. Auch die letzten Nachrichten sind echte Hiobsbotschaften für Aktionäre. Der Vorstandsvorsitzende werde das Unternehmen überraschend verlassen und ein Debt-/Equity-Swap mit Kapitalschnitt wurde angekündigt. Der Aktienkurs quittierte das am vergangenen Freitag mit einem erneuten Schwächeanfall und einem Minus von fast -44%.

Freud‘ und Leid

Die reguläre Berichtssaison verläuft dagegen durchwachsen. So konnte Apple, über viele Jahre unvergleichbar erfolgsverwöhnt, am vergangenen Donnerstag erstmals seit 2016 die Markterwartungen nicht erfüllen – sowohl beim Umsatz als auch beim Gewinn blieb der iPhone-Konzern aus dem kalifornischen Cupertino leicht unterhalb der Erwartungen. Die Enttäuschung hielt sich dennoch in Grenzen – der Aktienkurs stieg weiter. Weniger gnädig ging der Markt mit unserem Musterdepotwert Amazon um. Zwar lag der Umsatz leicht oberhalb der Erwartung, der Gewinn jedoch deutlich darunter. Entsprechend wurde der Kurs abgestraft, konnte sich inzwischen aber deutlich oberhalb der Dezember-Tiefs stabilisieren. Wie dicht bei den ehedem sakrosankten Big Techs inzwischen Licht und Schatten beieinander liegen, zeigte Facebook-Mutter Meta Platforms. Der zwischenzeitlich schon totgesagte Social-Media-Riese enttäuschte zwar ebenfalls leicht beim Gewinn, lag dafür aber beim Umsatz über Plan. Da man dem Markt zudem einen überraschend positiven Ausblick bieten konnte, ging es am Donnerstag um atemberaubende +23% nach oben.

Zu den Märkten

Mit dem Kurssprung vom vergangenen Donnerstag wurde auch die Konsolidierungsformation der Vorwoche kraftvoll nach oben verlassen. Vor allem US-Notenbankchef Powell hatte die Märkte inspiriert. Damit bestätigte sich die technische Einschätzung, dass es sich beim Kursgeschehen der Vorwochen lediglich um eine Verschnaufpause im Aufwärtstrend handeln dürfte. Auch die weitere Entwicklung war konstruktiv, wenn auch nicht so dynamisch wie während der beiden vorangegangenen Aufwärtsschübe. Der DAX befindet sich nun jedenfalls wieder in seiner Gipfelzone des Jahres 2021 zwischen 15.000 und 16.290 Punkten. Das ist angesichts der zwischenzeitlich erfolgten Ereignisse – Inflationsschub, Zinswende, Ukrainekrieg, Energiekrise, etc. – sehr bemerkenswert. Tendenziell kommt es aber auf eine schlechte Lage, vor allem eine bekannt schlechte Lage nur bedingt an. Entscheidender sind die Veränderungen, vor allem die der Erwartungen. Wenn sich das Bild hier nur ein bisschen aufhellt, so wie nach der Powell-Rede, und dazu reicht, dass es nicht ganz so schlimm kommt wie befürchtet, kann der Markt rasch neue Schubkraft entwickeln. Allerdings lässt sich dieses Spiel nicht beliebig weit treiben. Irgendwann holt die Realität die Märkte dann doch wieder ein, etwa, wenn die Bewertungen sich in Bereiche geschraubt haben, die auf Dauer nicht durchzuhalten sind. Allerdings denken wir in diesem Zusammenhang immer auch in Richtung Crack-up-Boom, also jener Katastrophenhausse, die sich genau dann entwickelt, wenn die Wirtschaftslage zwar schlecht ist, das verfallende Geld aber nicht einmal mehr eine gute Parkposition darstellt.

Musterdepots & wikifolio

In der Rubrik Musterdepots & wikifolio berichten wir heute über unsere Transaktionen in den Musterdepots sowie über die Entwicklung in unserem wikifolio „Smart Investor – Momentum“. Sie können sich dort durch einfaches Blättern einen schnellen Überblick über die Transaktionen der letzten Wochen verschaffen. Um diesen Bereich lesen zu können, müssen Sie Abonnent des Smart Investor Magazins sein und sich auf der Smart-Investor-Website einloggen. Sollten Sie Ihr Passwort vergessen haben, fordern Sie bitte ein neues bei abo@smartinvestor.de an.

Fazit

Ein Mythos hält sich unter Goldanlegern. Falls gegen Gold interveniert wird, dann im dünnen, späten Freitagshandel. Die Statistik sagt etwas anderes.

Ralf Flierl, Ralph Malisch, Peter Seufert-Heyne

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Die Charts wurden erstellt mit stock3 und Tai-Pan von Lenz+Partner. Diese Rubrik erscheint jeden Mittwochnachmittag.

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