Das krisenfeste Depot

Titelbild: © Brian Jackson – stock.adobe.com

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IWF korrigiert Wachstumsprognose – was jetzt zu tun ist

Silberne Frisur

Wir stehen unter Einfluss. Ein mächtiger Mann und eine mächtige Frau beeinflussen unser Leben und unseren Wohlstand. Der Mann heißt Jerome Powell, er ist Chef der US-Notenbank (Fed), und er weiß, was er will. Er will die Zinsen im Dollarraum erhöhen. Die Frau heißt Christine Lagarde. Sie ist die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB). Ihr Silberhaar sitzt tadellos. Zumindest bei der Frisur weiß Frau Lagarde offensichtlich genau, was sie will und achtet auf korrekte Umsetzung. Ob ihr das beim Euro, dessen oberste Hüterin sie ist, genauso gelingt, erscheint unklar, und wird für uns, als Beobachter der Märkte und der Wirtschaftspolitik, zunehmend unklarer – und zwar trotz (oder wegen?) der zahlreichen EZB-Erklärungen, Konferenzen, Studien und Statements.
Bleiben die Zinsen im Euroraum unten oder gehen sie doch noch hoch und wann? Will die EZB die offensichtliche Inflation eindämmen oder kann sie keine Zinserhöhung wagen, da eine Erhöhung diejenigen Eurostaaten, die bis über die Halskrause verschuldet sind, endgültig in die Pleite treiben und damit das Eurosystem insgesamt gefährden würde?

Graue Theorie

Immer klarer schält sich dagegen heraus, dass Lagarde lange nicht über den Spielraum für eine restriktive Geldpolitik verfügt wie ihr Amtskollege Powell, dessen silberne Haartracht nebenbei bemerkt ebenfalls perfekt sitzt. Wie an dieser Stelle schon des Öfteren beschrieben, hat Lagarde neben den normalen Aufgaben eines Notenbankers – wir sprechen nicht mehr von den Haaren –, die angesichts einer multiplen Krisenlage aus Schuldenbergen, Pandemiemaßnahmenfolgen und Krieg schon Herausforderung genug sind, auch eine Zusatz-, wenn nicht ihre eigentliche Hauptaufgabe zu bewältigen: Und die hat über die Jahre – von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt – ein geradezu herkulisches Ausmaß angenommen: Es geht um den Zusammenhalt der Eurozone, deren Heterogenität entgegen allen optimistischen Erwartungen auch nach mehr als 20 Jahren nicht verschwunden ist. Sollte es zudem bei den französischen Stichwahlen am nächsten Sonntag zu einem Überraschungssieg Le Pens kommen, dann dürfte der Euroraum sogar noch ein gutes Stück unregierbarer werden, als er es ohnehin schon ist. Die Märkte haben jedenfalls ein feines Gespür für die Verspannungen und Risiken, die sich im Euro bereits aufgebaut haben und weiter aufbauen werden. Seit den Hochs von Anfang 2021 kennt die Gemeinschaftswährung per Saldo nur den Weg nach unten (vgl. Abb.). Jeder Versuch einer Bodenbildung wurde von den Marktteilnehmern zurückgewiesen – und das geschah wohlgemerkt schon vor dem Ukrainekrieg. Der freilich hat dem Abwärtsgang eine neue Dynamik verliehen. Denn je länger der Krieg dauert und/oder sich gar ausweitet, desto eher greift für den US-Dollar auch wieder das „safe haven“-Argument, schon aufgrund der räumlichen Distanz zu den Schlachtfeldern. Neben dem Unaussprechlichen – dem Zusammenbruch der Eurozone – sind es auf kurze bis mittlere Sicht vor allem die Fragen nach Inflation, (Negativ-)Wachstum, Stagflation, Kapitalströmen, auseinanderstrebenden Zinssätzen, etc. welche die Anleger beschäftigen bzw. beschäftigen sollten. Was nach drögen, theoretischen Überlegungen aussieht, hat schnell handfeste Folgen – sowohl für informierte als auch für uninformierte Anleger.

Edle Metalle

Geht der Anleger davon aus, dass der Euroraum den Weg der Lateinischen Münzunion gehen wird, dann bleiben Edelmetalle erste Wahl. Die Münzunion, damals unter der Führung Frankreichs, bestand bekanntlich zwischen 1865 und 1926 (da allerdings nur noch formal) und war bereits über weite Strecken ihres Bestehens krisengeschüttelt. Aber auch in einem anhaltenden Inflationsszenario dürfte man mit Gold und Silber kaum etwas falsch machen. Einige Mainstream-Ökonomen bezweifeln im Moment noch pflichtschuldig, dass es überhaupt eine Inflation gebe. Nur die Preise stiegen halt. Erst, wenn auch die Löhne anzögen, würden sie ein Inflationsszenario wohl erkennen und zähneknirschend eingestehen wollen. Das klingt lustiger als es ist. Es offenbart das fundamental unterschiedliche Inflationsverständnis zwischen Mainstream und Austrians. Für letztere besteht die Inflation bereits im Aufblähen der Geldmenge. Dass dies in den letzten Jahren reichlich erfolgt ist, lässt sich kaum bestreiten. Es war lediglich das Glück der Notenbanken, das sich der so geschaffene Geldüberhang im Rahmen der „Alles-Blase“ primär bei den Anlagegütern austobte, während er die Konsumgüter und Dienstleistungen lange Zeit weitgehend verschonte.

Goldene Nischen

Wer eher dem jetzt häufig zu hörenden Szenario einer Stagflation zuneigt – also Inflation plus bestenfalls anämisches Wachstum – könnte in jenen Nischen des Aktienmarktes fündig werden, die zumindest die Chance haben in einem derart unfreundlichen Umfeld halbwegs passabel zu gedeihen. Praktischerweise haben die Experten von Goldman Sachs eine Liste von möglichen Stagflationsprofiteuren zusammengestellt. Viele der Gewinner gehören demnach zum Gesundheitssektor, zum Beispiel der Pharma-Dauerläufer Eli Lilly (WKN: 858560), der Medizintechniker Medtronic (WKN: 213750) oder der Gesundheitskonzern CVS Health (WKN: 859034). Auch Rohstoffwerte könnte man sich ins Stagflationsdepot legen: Rio Tinto (WKN: 855018), Alcoa (WKN: A2ASZ7) sowie die Goldminenwerte Newmont (WKN: 853823) und Barrick Gold (WKN: 870450) werden genannt, welche auch ein Tipp für das Szenario eines Auseinanderbrechens der Euro-Zone wären.

Überwälzte Preise

Der Trick beim Stagflationsdepot besteht darin, sich Unternehmen zuzuwenden, welche eine so starke Marktstellung in ihrem Segment haben, dass sie auch steigende Verkaufspreise durchsetzen können. Die Verbraucher kaufen mangels ernsthafter Alternativen – so die Erwartung – selbst dann weiter bei diesen Firmen, wenn diese die Preise erhöhen. Falls den Unternehmen nur unwesentlich höhere Kosten bei der Beschaffung der benötigten Rohstoffe entstehen sollten, dann könnten sie womöglich zu regelrechten Gewinnmaschinen werden, die von einer Stagflationsumgebung sogar richtig profitieren. Aber gibt es solche Unternehmen überhaupt? Natürlich. Es sind wieder einmal die Tech-Riesen wie Microsoft (WKN: 870747) oder Alphabet (WKN: A14Y6F), aber auch Telefonkonzerne wie T-Mobile (WKN: A1T7LU) oder Verizon (WKN: 868402) dürften sich gut schlagen, denn gestreamt und gesurft wird immer.

Harte Realitäten

Und wie wahrscheinlich ist das Stagflationsszenario? „Die weltweiten Wachstumsaussichten haben vor allem durch den russischen Angriff auf die Ukraine einen Rückschlag erlitten“, erklärte jetzt der Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds (IWF), Pierre-Olivier Gourinchas, anlässlich der gerade in Washington stattfindenden Frühjahrstagung. So wird das Wachstum nach IWF-Angaben in diesem Jahr nur noch bei +3,6% liegen. Vor dem Ukrainekrieg hatte die Prognose noch bei +4,4% gelegen. Neben dem Krieg schadet die wochenlange und immer noch andauernde Abriegelung der chinesischen Millionenstadt Shanghai den globalen Wachstumsaussichten. Dadurch werden dem weltweiten Bruttoinlandsprodukt BIP laut IWF rund 760 Mrd. USD fehlen. Hinter dieser Zahl steckt ein realer Wohlstandsverlust: Menschen sind erkrankt, verletzt, gestorben. Infrastruktur wurde und wird zerstört. Güter werden nicht produziert, Lieferketten sind unterbrochen. Wenn die Gütermenge und der reale Wohlstand schrumpfen, gleichzeitig aber die Geldmenge in der Eurozone immer noch ausgeweitet zu werden scheint, dann wird der mündige Bürger bei der mächtigsten Geldfrau Europas kaum noch Wert auf die korrekte Frisur, wohl aber auf eine klare Kommunikation legen. Sollte die EZB weiter herumlavieren, dann könnte es ratsam sein, das eigene Depot endgültig krisenfest zu machen. Konkret bedeutet dies: Außerhalb der Eurozone. Sollten solche Gedanken Gefolgschaft finden, werden die Kapitalströme aus dem Euroraum heraus fast zwangsläufig weiter anschwellen. Auch wenn man bei der EZB Aussitzen und Kopf-in-den-Sand-stecken für ausgeklügelte Strategien hält, der Handlungsdruck auf die Geldhüter wird dadurch nicht geringer werden.

Zu den Märkten

Nach dem Abprallen des DAX am wichtigen Widerstandsband zwischen 14.800 und 15.000 Punkten ging es erwartungsgemäß erst einmal abwärts (vgl. Abb.). Von großer Dynamik oder Verkaufsdruck war diese Kursbewegung allerdings – insbesondere zuletzt – nicht begleitet. Vergleicht man dies mit dem Paniktief kurz nach Beginn des Ukrainekriegs scheint sich, so bitter das klingt, an den Märkten auch hier so etwas wie Gewöhnung eingestellt zu haben. Auch scheint es heute eine gewisse Erleichterung auf die gestrige Scholz-Rede zu geben, dass es (erst einmal?) keine direkte Lieferung schwerer Waffen aus der Bundesrepublik an die Ukraine geben wird. Interessanter Weise steht die Marktreaktion in krassem Gegensatz zur Mehrheitsmeinung in Politik und Medien. Dort wurde das „Zaudern“ des Kanzlers scharf kritisiert. Dennoch bleibt es auch für die Märkte eine Gratwanderung. Ein einziges negatives Ereignis würde wohl genügen, um die zarte Stabilisierung, die ohnehin insgesamt eher technischer Natur zu sein scheint, wieder zunichte zu machen. Da sich das Kursgeschehen weiter unterhalb der langfristigen gleitenden Durchschnitte und auch unterhalb des eingangs erwähnten Widerstandsbands abspielt, befindet sich der Markt weiter in einem übergeordneten Abwärtstrend.

Auf Tuchfühlung mit Small- und Mid Caps

Die Münchner Kapitalmarkt Konferenz – mkk rückt unaufhaltsam näher. Schon in der übernächsten Woche, am 3. und 4. Mai, haben Interessenten die Gelegenheit Small- und Mid Caps aus nächster Nähe kennenzulernen und sich mit Analysten sowie anderen Anlegern auszutauschen. Auch Smart Investor wird vor Ort sein. Neben der Präsenzveranstaltung in München gibt es die Möglichkeiten an der Konferenz via Zoom teilzunehmen. Nähere Informationen finden Sie auf der Website des Veranstalters und auf Seite 55 des aktuellen Smart Investor 4/2022.

Leitmesse Invest

Ebenfalls im Mai, genauer gesagt am 20. und 21. des Monats, findet in der Stuttgarter Messe die Invest 2022 statt. Bei der Leitmesse für Finanzen und Geldanlage erwarten Sie auch dieses Jahr namhafte Aussteller aus dem In- und Ausland sowie spannende Präsentationen und Diskussionen mit den führenden Köpfen der Branche. Leser unseres Newsletters können sich ein kostenloses Ticket sichern. Gehen Sie hierzu bitte wie folgt vor:
1. Starten Sie die Registrierung auf https://messeticketservice.de
2. Klicken Sie dort auf die Kachel der Invest und anschließend auf die unterste Kachel „Aktionscode einlösen“
3. Geben Sie zunächst die Anzahl „1“ und danach den Aktionscode SmartInvestor ein. Bei Eingabe des richtigen Codes erscheint ein grüner Haken bei „Code prüfen“. Wählen Sie aus, ob Sie den kostenlosen Personennahverkehr nutzen möchten. Klicken Sie auf den Einkaufswagen/„In den Warenkorb legen“ und Ihre kostenlose Ticketbestellung wird angezeigt.
4. Klicken Sie auf „Zur Kasse“. Wählen Sie den gewünschten Tag aus und klicken Sie in das Feld „Tageskarte gegen Aktionscode“.
5. Klicken Sie erneut auf „Zur Kasse“ und geben Sie Ihre persönlichen Daten ein.
6. Klicken Sie auf „Zum Download“.
7. Freuen Sie sich auf die Messe.

Deutsche Goldmesse

Beschlossen wird der Messemonat Mai mit der Deutschen Goldmesse am 27. und 28. Mai in Frankfurt/Main. Dort präsentieren sich mehr als 30 Explorer, Developer und Produzenten. Dazu gibt es spannende Vorträge zu den Rahmenbedingungen von Goldinvestments in Zeiten von Krieg, Pandemie und Hochinflation. Nähere Informationen finden Sie auf Seite 13 des aktuellen Smart Investor 4/2022 oder im Internet auf der Homepage des Veranstalters. Auch hier wird ein Redakteur von Smart Investor vor Ort sein.

Musterdepots & wikifolio

In der Rubrik Musterdepots & wikifolio berichten wir heute über die Entwicklung in unserem Aktien-Musterdepot und bei unserem wikifolio „Smart Investor – Momentum“. Sie können sich dort durch einfaches Blättern einen schnellen Überblick über die Transaktionen der letzten Wochen verschaffen. Um diesen Bereich lesen zu können, müssen Sie Abonnent des Smart Investor Magazins sein und sich auf der Smart-Investor-Website einloggen. Sollten Sie Ihr Passwort vergessen haben, fordern Sie bitte ein neues bei abo@smartinvestor.de an.

Fazit

In einer Zeit großer Umbrüche, geht es nicht nur darum, Geld zu verdienen, es sollte auch alles getan werden, um Verluste so gering wie möglich zu halten. Da die Führung der EZB im Moment keine Neigung zur Inflationsbekämpfung erkennen lässt, sind die Anleger bei der Absicherung ihres Vermögens auf sich selbst gestellt.

Frank Sauerland, Ralph Malisch

Smart Investor 04/2022:

Titelstory: Russland und die Rohstoffe

Uraninvestments: Wie Phönix aus der (radioaktiven) Asche

Derivate: Trends, Strategien und steuerliche Änderungen

Stagflation: Wenn Stillstand noch teurer wird

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Die Charts wurden erstellt mit Guidants und Tai-Pan von Lenz+Partner. Diese Rubrik erscheint jeden Mittwochnachmittag.

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