„Stagflation ist das herausforderndste Umfeld“

Mark Valek

ARTIKEL TEILEN

Facebook
Twitter
LinkedIn
Email

Interview

Smart Investor im Gespräch mit Mark Valek, Incrementum AG, über Inflation, Stagflation und die Auswahl von Minenaktien

Smart Investor: Der starke Anstieg der Teuerung ist im Alltag jedes Einzelnen angekommen. Wie geht es mit Blick auf Inflation und Stagflation in den 2020er-Jahren weiter?
Valek: Unter professionellen Finanzmarktteilnehmern kam die Debatte, ob ­Inflation zu einem ernsten Thema wird – und falls ja: ob sie länger anhalten würde –, erst 2021 auf. Die Mehrheit ging nicht von ­einer längerfristigen Teuerung aus und wurde auf dem falschen Fuß erwischt. Dies lässt sich womöglich auch darauf zurückführen, dass die Mehrheit der institutionellen Anleger nach wie vor der Meinung von Zentralbankern mit Ehrfurcht begegnet. Diese hatten das Narrativ der vorüber­gehenden Inflation gebetsmühlenartig wieder­holt und dem Markt versichert, die höhe­ren Inflationsraten wären allein auf den Basiseffekt und die angespannten Lieferket­ten zurückzuführen, nicht je­doch auf den Tsunami an neu ­geschöpftem ­Fiat­geld. Für uns ist eine länger anhal­tende stagflationäre Phase spätestens seit dem russischen Einmarsch in die Ukra­ine sehr wahrscheinlich geworden. In den 1970er-Jahren wurde die Stagflation in den USA durch starke Zinserhöhungen bekämpft. Durch die mittlerweile deutlich höheren Staatsverschuldungen ist ein derartiger Schritt aktuell nicht mehr ­möglich. Für einen Investor ist eine Stagflation wo­möglich das herausforderndste Umfeld: Anleihen kommen unter Druck und bei Aktien können nur bestimmte Sektoren bzw. Titel reüssieren. Klassischerweise sind unter den inflationssensitiven Anlagen Rohstoffe bzw. Rohstoffaktien oder -währungen.

Smart Investor: Von welcher Entwicklung gehen Sie aus?
Valek: Das Dilemma, in dem sich die Zentral­banken aktuell befinden, ist hausgemacht und sehr eklatant. Nach der Eurokrise, die im Grunde eine Überschuldungskrise war, hieß es, es solle durch die geldpolitischen Maßnahmen Zeit für strukturelle Anpassungen in den südlichen ­Euroländern gekauft werden. Die Nullzinspolitik hat aber, wenig überraschend, genau das Gegen­teil bewirkt. Es wurde ein immenser ­Anreiz geschaffen, sich noch mehr zu ­verschulden. Mit der Corona-Krise brachen dann die letzten Dämme. Nun geht die Verschuldungsorgie nahtlos weiter, weil im Osten Europas ein Krieg ausgebrochen ist und die Sanktionen die EU-Staaten unglaublich teuer zu stehen kommen werden. Es sieht wahrlich nicht gut für die Zukunft unserer Währungen aus. Unter diesen Voraus­setzungen ist davon auszugehen, dass die Teuerung in den kommenden Jahren nicht verschwinden wird. Die Zinsen werden dennoch früher oder später wohl auch im Euroraum angehoben werden, aber es ist klar, dass wir auf viele Jahre mit massiv negativen Realzinsen leben werden. Im Augenblick hat nur die Türkei niedrigere Realzinsen als der Euroraum.

Smart Investor: Welche Entwicklung erwarten Sie mit Blick auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Gold und Silber?
Valek: Sowohl Gold als auch Silber sind klas­sischerweise Profiteure in einem inflationä­ren Umfeld. Silber kann als Gold des kleinen Mannes typischerweise stärker im hoch­inflationären Umfeld performen, ­allerdings weist es eine höhere Volatilität auf. Hinsichtlich der physischen Veranlagung sind die hohe Wertdichte sowie die Mehrwertsteuerbefreiung große Pluspunkte für Gold. Das gelbe Edelmetall hat den Vorteil, dass es unter Umständen von Zentral­banken aufgewertet werden könnte, falls es tatsächlich zu fundamentalen ­Problemen in der internationalen Währungsarchi­tektur kommen sollte. Auf jeden Fall ist eine Kombination von beiden Assets ab einer gewissen Portfoliogröße sinnvoll.

Smart Investor: Können Sie an zwei Beispielen von Minenaktien erläutern, was sie für die Aufnahme ins Portfolio qualifiziert?
Valek: Die Basis unseres Investmentprozesses ist ein regelmäßiges qualitatives und technisches Screening des Anlageuniversums. Der Fokus liegt dabei auf der Bilanz­qualität, dem Track Record des Managements, der historischen und ­prognostizierten Entwicklung der Reserven, dem geologischen Potenzial der Explorationsportfolios sowie auf dem politischen Risiko. Anschlie­ßend erfolgen für alle Portfoliowerte und die Aufnahmekandidaten regelmäßige Treffen mit dem Management des Unternehmens. Einen besonderen Fokus legen wir aktuell auf die Dividendenpolitik und auf etwaige Aktienrückkaufprogramme. Zwei Titel, die diese Kriterien exemplarisch erfüllen, sind z.B. Branchenprimus Newmont Mining und Gold Fields. ­Beide Aktien konnten die ­Vergleichsindizes zuletzt klar outperformen und zählen zu unse­ren Favoriten unter den Large Caps.

Smart Investor: Welche Auswahlkriterien spielen eine wesentliche Rolle bei der Diversifizierung der Kryptowährungen im Fonds?
Valek: Zuerst recherchieren wir Liquidität und Kostenstruktur der Wertpapiere, ­mittels derer wir potenzielle Kryptowährungen im Fonds abbilden. Hier hat das Angebot im vergangenen Jahr deutlich zugenom­men, die Preise der Anbieter sind signifikant gesunken. Wir unterscheiden grundsätzlich zwischen Store-of-Va­lue-­Tokens und Decentralized-Finance-­Tokens. Die größten Positionen sind ­derzeit wenig überraschend Wertpapiere auf Bitcoin und Ether. Deutlich kleinere Positionen halten wir an den vielversprechendsten Konkurrenten. Um die hohe Volatilität profitabel zu nutzen, werden die Positionen bei starken ­Kursbewegungen konsequent rebalanciert.

Smart Investor: Herr Valek, vielen Dank für Ihre interessanten Ausführungen.

Mark Valek ist Partner der Incrementum AG, zuständig für Portfoliomanagement und Research. Insbesondere faszinieren ihn die Österreichische Schule der Nationalökono­mie, monetäre Geschichte und der absehbare Paradigmenwechsel in der globalen Geldordnung. Berufsbegleitend studierte Valek BWL in Wien. Vor Gründung der Incrementum AG war er bei Raiffeisen Capital Management tätig, zuletzt als Fondsmanager mit Fokus auf Inflationsschutz und alternative Investments. Unter­nehmerische Erfahrung sammelte er als Mit­begründer der philoro EDELMETALLE GmbH. Seit 2013 ist er Lektor am schola­rium in Wien, darüber hinaus hält er Vorträge an der Wiener Börse Akademie. 2014 veröffentlichte er das Buch „Österrei­chische Schule für Anleger“.

UNSERE EMPFEHLUNGEN