„Die Kurse könnten jetzt noch 20% bis 30% fallen“

Prof. Dr. Max Otte

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Interview

Smart Investor im Gespräch mit Prof. Dr. Max Otte, CIO der PI Privatinvestor Kapitalanlage GmbH, über Inflation, weiteres Verlustpotenzial an den Märkten und die richtige Aktienauswahl

Smart Investor: Sie haben in Ihrem 2019 erschienenen Buch „Weltsystemcrash“ die zunehmenden Spannungen zwischen China und den USA, den Abstieg der Mittelschicht und die exorbitante Verschuldung der Staaten thematisiert. Jetzt sind wir mit einem Krieg in Europa und explodierender Inflation konfrontiert. Wie geht es weiter?
Otte: Leider sind viele meiner Prognosen eingetreten. Durch den Krieg hat sich die Polarisierung der Welt in eine „westliche“ und „östliche“ politische Sphäre verstärkt. Der Weltsystemcrash muss aber nicht zwangs­läufig mit einem Börsencrash einhergehen. Insbesondere die großen Vermögensverwal­ter haben eine starke ­Lobby. Es bestehen vielerlei Möglichkeiten, wie die Politik oder auch andere institutionelle Akteure in einer wirtschaftlichen Umwälzung die Börsenkurse stützen können. Seit September 2021 befinden wir uns ­allerdings in einem Bärenmarkt. Besonders hart getrof­fen hat es zu Beginn die ­Technologiebörse NASDAQ. Letztlich kann sich kaum ­eine Volkswirtschaft und kaum ein Unternehmen dem aktu­ellen Einbruch entgegen­stemmen. Die Kurse könnten jetzt noch 20% bis 30% fallen. Bislang hatten wir noch keinen Ausverkauf wie in der Finanzkrise oder während des Corona-Crashs. Eine solche Situation kann angesichts des ­eskalierenden Kriegs und der bevorstehenden Wirtschafts­krise durchaus eintreten. Gleichzeitig ist ein Ende der hohen Inflation lange nicht in Sicht.

Smart Investor: Trotz aller Krisen sind Sie ein Aktienbulle mit Fokus auf werte­orientierten Investments und Qualitätsaktien, bei denen ein permanenter Wertverlust sehr unwahrscheinlich ist. Wie gehen Sie bei der Aktienauswahl vor?
Otte: Die richtige Auswahl von Titeln ist das A und O der Aktieninvestition. Es gibt Raketen wie Amazon und Microsoft, es gibt Rolltreppen wie Novartis oder ­Nestlé. Mit manchen Titeln – z.B. Mercedes-Benz Group und Siemens – fahren Sie Achterbahn. Die Aktien mancher Unternehmen erweisen sich als Treibsand, in dem Ihr Vermögen kontinuierlich versinkt. Dazu gehören leider die Deutsche Bank und die Commerzbank. Die Analyse der historischen Kursdaten genügt nicht, um das Zukunftspotenzial einer Aktie zu bestimmen. Eine positive Entwicklung in den vergange­nen Jahren kann ein Indiz für besondere Fähigkeiten des Managements sein – mehr nicht. Um allen Faktoren gerecht zu werden, habe ich die Methode der Königsanalyse entwickelt. Dabei werden insgesamt zehn Kriterien aus den Bereichen Geschäftsmodell, Management sowie Bilanzqualität und Kapitalmanagement untersucht. Nur Aktien mit einer hohen Punktzahl ­zwischen 70 und 100 kommen in die Auswahl. Solche Qualitätsunternehmen haben die Eigen­schaft, dass sie Krisen und Rückschläge besser verkraften als die schwächer aufgestellten. Damit sind sie eine sehr sichere Langfristanlage. Erfolgt der Kauf zum oder unter dem fairen Wert, liegt die Wahrscheinlichkeit eines dauerhaften Wert­verlusts mit Blick auf drei bis fünf Jahre Anlagehorizont bei unter 3%.

Smart Investor: Der Max Otte ­Multiple Opportunities Fund (WKN: A2ASSR) und der PI Vermögensbildungsfonds (WKN: A1J3AM) haben im zweiten Halb­jahr 2021 ein Hoch erreicht. Danach ging es deutlich nach unten. Woran lag es?
Otte: In unseren Fonds sind wir fast vollständig in Aktien investiert. Es ist daher nahezu unvermeidlich, bei einer Korrektur zunächst mitzugehen. Meine Fonds haben danach jedoch immer wieder die Stärke bewiesen, zügig aus den Tiefs heraus­zukommen und anschließend neue Hochs zu erreichen. Im Jahr 2021 haben wir noch von der Erholung aus der Corona-Krise profitiert und hervorragend abgeschnitten. Laut TiAM FundResearch gehörte beispielsweise der PI Vermögensbildungsfonds zu den Mischfonds, die sich vom Corona-Crash am besten erholt haben. Der Rückgang der Fonds ist vor allem auf die Korrektur bei Technologiewerten ab September 2021 zurückzuführen. Auch wir waren in einige schnell wachsende ­digitale Plattformen investiert. Physisches Gold, in das wir ebenfalls stark investiert sind, tritt trotz großartiger Bedingungen auf der Stelle. Unsere Goldpositionen haben den Rückgang zwar gebremst, konnten aber im vergangenen Jahr keinen signifikanten Performancebeitrag leisten. Im Jahr davor war das anders. Seither habe ich als Chief Investment Officer das Portfolio ­angepasst. Der Fonds setzt nun u.a. stark auf Energie­titel wie ExxonMobil und Chevron, Bigtech, Konsumgüterunternehmen und ausgewählte Mid Caps. Ich bin überzeugt, dass wir in nicht allzu langer Zukunft neue Hochs sehen werden.

Smart Investor: Welche Assets sind mit Blick auf den Kapitalschutz am widerstandsfähigsten?
Otte: Aktien von Unternehmen mit krisen­sicheren Geschäftsmodellen sind angesichts der bevorstehenden Verwerfungen immer noch eine der sichersten Vermögens­klassen. In den Fonds der PI ­Kapitalanlage GmbH halten wir eine kleine Liquiditätsreserve zwischen 10% und 15%. Damit können wir entsprechend reagieren, falls es zum Ausverkauf kommt. Grundsätzlich bleiben wir stark in Aktien investiert. Mein neues Buch „Endlich mit Aktien Geld verdienen!“ erscheint im Herbst und stellt Privatinvestoren das nötige Hintergrundwissen bereit, um fundierte Entscheidungen für den langfristigen Vermögensaufbau zu treffen.

Smart Investor: Herr Prof. Dr. Otte, vielen Dank für Ihre interessanten Ausführungen.

Prof. Dr. Max Otte studierte Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre sowie politische Wissenschaften in Köln und Washington, D.C. und promovierte in Princeton. Im Jahr 2016 gründete er die PI Privatinvestor Kapitalanlage GmbH mit Sitz in Köln. Das Unternehmen betreut drei Publikumsfonds und zudem mehrere geschlossene Privatmandate von ins­titutionellen Investoren. Die Unternehmen, an denen Prof. Dr. Otte beteiligt ist, be­treu­en insgesamt 2,5 Mrd. EUR an Kunden­geldern. Sein neues Buch – „Endlich mit Aktien Geld verdienen!“ – wird im Herbst 2022 beim FinanzBuch Verlag erscheinen. Er ist zudem Herausgeber des Kapital­anlagebriefes „Der Privatinvestor“.

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