Wenn Banken wanken

Titelbild: © PiyawatNandeenoparit – stock.adobe.com

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Die übersehene Gefahr – ohne Vertrauen ist alles nichts  

Groß, größer, UBS

Der Schwelbrand der Bankenkrise, der sich zu einer Feuersbrunst zu entwickeln drohte, ist ausgetreten – vorläufig. An einem ereignisreichen Wochenende verleibte sich die Schweizer UBS Group (UBS) die angeschlagene Credit Suisse Group (CS) ein. Die Sache war so eilbedürftig, dass weder die CS- noch die UBS-Aktionäre befragt werden konnten. Eine Prozesslawine gegen den Deal ist damit praktisch garantiert. Durch die Fusion der beiden Bankriesen zu einer neuen Superbank dürften jedoch die Gefahren für das Finanzsystem perspektivisch weiter ansteigen – für die Schweiz und für uns Anleger. Entsprechend beschäftigen wir uns auch in der Titelgeschichte des neuen Smart Investor 4/2023, der zum nächsten Wochenende erscheint, ganz aktuell mit der Bankenkrise 2.0. Dadurch, dass die Toxizität der CS in einer noch größeren Bank verdünnt wird, löst sich das Problem nämlich nicht, aber es wird zumindest überdeckt – aus den Augen, aus dem Sinn?

Ein Beispiel aus der Geschichte, um den obigen Sachverhalt bildlich zu machen: Die DDR, heute ist das weitgehend vergessen, hatte in den Monaten vor ihrem Ende kaum noch Devisen. Vereinfacht gesagt: Der Arbeiter- und Bauernstaat stand kurz vor der Pleite. Der Mauerfall kam dem Staatsbankrott zuvor.

Die über das Wochenende geschaffene UBS-Superbank hat eine Bilanzsumme von rund 1,5 Bio. EUR. Das ist mehr als die doppelte Jahreswirtschaftsleistung der Schweiz, welche auf 750 Mrd. USD taxiert wird. Das groteske Missverhältnis zwischen der übergroßen Bank und der im Vergleich kleinen Realwirtschaft des Alpenstaates hat Folgen. Der Schweizerischen Nationalbank (SNB) glaubte man diesmal noch, dass sie die taumelnde Credit Suisse retten könnte und würde, und sei es durch eine erzwungene Fusion mit dem großen Konkurrenten UBS. Die Frage aber bleibt: Werden die Anleger in Zukunft auch an eine mögliche Rettung der neuen Superbank glauben?! Dieser Glaube ist für unser Finanzsystem zentral. Wir vertrauen darauf, dass im Fall des Falles ein Retter bereitstehen wird. Bankbosse, Politiker und Medien bestärken uns in diesem Glauben. Sie müssen es, damit das Finanzsystem weiter funktioniert.

Das Problem beginnt, wenn wir nicht mehr glauben können. Wenn Anleger anfangen zu befürchten, dass die UBS zu groß geworden ist, um selbst von der SNB in einem Finanzkatastrophenfall gerettet zu werden, wenn also aus „too big to fail“ ein schicksalsschwangeres „too big to bail“ geworden ist?! Dabei ist es streng genommen unerheblich, ob eine solche Befürchtung von Fakten gedeckt oder bloß eingebildet ist. Banken sind Institutionen, die auf Vertrauen basieren. Bröselt das Vertrauen, ziehen die Kunden ihre Einlagen ab und alle Stresstests sind Makulatur. Die Deutsche Bank warb einst mit dem Slogan „Vertrauen ist der Anfang von allem“ – auch umgekehrt wird ein Schuh daraus: Misstrauen ist der Anfang des Untergangs. So war es bei der Credit Suisse. Über Monate verlor die Bank Einlagen, dann kam der Zusammenbruch. Anleger werden genau beobachten, wie sich das Einlagengeschäft der UBS entwickelt. Der Aktienkurs gibt Auskunft über das aktuelle Urteil des Marktes. Würde in Krisenzeiten der SNB eine Rettungsaktion im UBS-Format nicht mehr zugetraut werden, an wen werden Anleger denken? Wer könnte ihnen Vertrauen einflößen?

Die seinerzeit noch reiche Bundesrepublik flutete nach dem Mauerfall die späte DDR mit harter D-Mark. Der Bankrott war zwar kein Thema mehr, aber die DDR löste sich auf.

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Rezessionsgefahr wächst

Die Spätfolge der Bankenkrise kann eine Rezession sein. Natürlich schauen sich Bankmanager in dieser Woche genau an, wie und warum die Silicon Valley Bank, die First Republik und die Credit Suisse in Schwierigkeiten geraten sind. Ursachen werden gesucht und gefunden: bei den weltweiten Zinserhöhungen, bei internen Bankfehlern, individuellem Versagen und diversen Skandalen.

Der letzte, der unmittelbare Grund für das Straucheln oder den Untergang einer Bank ist jedoch immer, dass ihr das Geld ausgeht. Bildlich gesprochen stehen die Kunden vor dem Schalter und wollen ihre Ersparnisse zurück, und die Bank kann nicht länger auszahlen, weil der Tresor leer ist oder das Geld in Anlagen festsitzt. Die naheliegende Vorsorgemaßnahme aus Bankersicht: Geld horten, den Tresor füllen. Wie macht man das? Indem Risiken zurückgefahren und weniger Kredite vergeben werden.

Apple, Microsoft & Co. brauchen keine Kredite, sie schwimmen im Geld. Aber die mittelständische Wirtschaft und auch die kleineren Aktiengesellschaften arbeiten mit geliehenem Geld. Fehlt dieses, unterbleiben Investitionen, erlahmt die Wirtschaft, kommt die Rezession. Im Russell 2000, dem Index der kleinen und mittleren US-Werte, wird die Rezessionsgefahr bereits vorweggenommen. Der Index fällt seit Februar.

Die Powell-Spritze

Sollte die US-Zentralbank Fed heute Abend die richtige Entscheidung treffen, kann das auch den Kurs des Russell 2000 stark beeinflussen. Die Frage ist: Was ist die richtige Entscheidung, was erwarten Profi-Anleger in New York, London und Frankfurt von Fed-Chef Jerome Powell? Die beste Entscheidung für den Aktienmarkt dürfte eine Erhöhung des Leitzinses um 25 Basispunkte sein. Das entspräche der Erwartung der Mehrheit der Profis, welche über das FedWatch-Tool abgefragt werden kann.

Verzichtete Powell angesichts der Bankenturbulenzen komplett auf eine Anhebung der Zentralbankzinsen, legte der Markt ihm das womöglich als Ängstlichkeit vor weiteren Bankenschwierigkeiten aus, und diese Ängstlichkeit übertrüge sich schnell auf die Märkte. Klammen Banken kann und wird die Fed stattdessen besser auf diskrete Art helfen, mit Liquiditätsspritzen, welche sich hinter komplizierten, aus der Finanzmathematik hergeleiteten Namen verbergen. Leider helfen Spritzen nur über einen begrenzten Zeitraum, falls überhaupt. Wir kennen das von Arztbesuchen.

Natürliches Vertrauen

Auch bei Gold ist Vertrauen Programm. Nur muss es hier nicht künstlich erzeugt werden, es ist einfach da. Jedes Kind weiß intuitiv, dass physisches Gold eine Finanz- und Bankenkrise locker überstehen wird, es sei denn eine bösartige Politik würde auch hier, wie in so vielen anderen Bereichen, übergriffig gegen die Freiheit und das Eigentum der Bürger agieren. Gold überlebt Krisen nicht nur, es geht gestärkt aus ihnen hervor. Es ist also im besten Sinne des Erfolgsautors Nassim Nicholas Taleb „antifragil“. Das gilt besonders in Relation zur Konkurrenz des Goldes, einem schier unüberschaubaren Meer aus Buch- und Papiergeld. Es war daher nur konsequent, dass der Goldpreis auf die Zweckehe bzw. Zwangsheirat zwischen UBS und CS zunächst mit einem weiteren Kurssprung reagierte. Kurzzeitig lugte der Preis sogar über die psychologisch wichtige Marke von 2.000 USD/Feinunze, bevor das gelbe Metall dann massiv abverkauft wurde – inmitten einer heraufziehenden, weltweiten Bankenkrise. Ein Grund zur Sorge dürfte das für Goldanleger nicht sein, wie wir im neuen Smart Investor 4/2023 ausführlich begründen. Denn so wenig, wie sich auf Dauer künstliches Vertrauen schaffen lässt, so wenig lässt sich natürliches Vertrauen auf Dauer künstlich zerstören.

Amazon: 9.000 Entlassungen

Der Online-Riese Amazon teilt mit, 9.000 Beschäftigte entlassen zu wollen. Alle Konzernbereiche seien betroffen. Amazons Chief Executive Andy Jassy erklärt, angesichts der unsicheren ökonomischen Lage, habe man entschieden, sich stromlinienförmiger aufzustellen und die Kosten zu reduzieren. Dazu passt der Satz, den der ehemalige Amazon-Manager Guru Hariharan jüngst äußerte: „20 Jahre lang war Kundenorientierung geradezu eine Obsession, aktuell ist bei Amazon die Kundenorientierung zu den richtigen Kosten eine Obsession.” Solche Daueroptimierung hat Auswirkungen. 2010 waren noch 88% der Amazon-Kunden “extrem zufrieden” gewesen. Im Jahr 2022 waren es „nur“ noch 79%, so das Ergebnis einer Umfrage von Evercore ISI.

Das Einkaufserlebnis bei Amazon hat sich verändert. Jeder wird das bemerken, der auf der aktuellen Amazon-Webseite ein Produkt sucht. Selbst bei klaren Suchanfragen wird der potenzielle Kunde oft geradezu überschüttet – mit ähnlichen Angeboten, mit bezahlten Produktvorschlägen, mit Amazon-Tipps, etc. Das Einkaufen bei Amazon ist unübersichtlich, ja anstrengend geworden. Netzexperte und Erfolgsautor Cory Doctorow nennt die sich ausbreitende Unübersichtlichkeit „Enshittification”. Neben Amazon scheinen auch andere große Plattformen wie Google und Facebook diesen Weg zu gehen. Suchergebnisse werden „angereichert” mit Angeboten und Ablenkungen. Solche bezahlten Anzeigen spülen Werbegelder in die Plattformkassen, sie schmälern aber aus Sicht des Nutzers den Wert des Angebots. So ist es wenig verwunderlich, dass der Kurs der Amazon-Aktie über die letzten Monate hinweg nicht mehr recht vom Fleck kommt.

Währenddessen läuft sich in einem zentralen Geschäftsbereich von Amazon ein mächtiger Konkurrent warm, den hierzulande jeder kennt, aber kaum einer auf dem Zettel hat: Aldi. In den USA ist der Discounter still und leise dabei, einen Online-Lieferservice aufzubauen, und zwar auf typische Aldi-Art, also low cost und fokussiert: Nach der Online-Bestellung flitzen die Boten selbst durch die Läden (2.100 US-Filialen), bezahlen an der Kasse, steigen ins Auto und liefern an die Haustür — zu konkurrenzlos günstigen Preisen. Leider ist Aldi nicht an der Börse notiert.

Zu den Märkten

Spiegelbildlich zum Gold (s.o.) eröffnete der DAX am Montag mit einem weiteren Kursrutsch. Doch knapp unter 14.500 Punkten endete die Schwächeneigung, die schon in der Vorwoche mit dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank begonnen hatte. Seitdem geht es aufwärts, nun schon den dritten Tag in Folge. Inzwischen ist der DAX sogar wieder in seine Tradingzone von ca. 15.150 bis 15.650 Punkten zurückgekehrt. Neben kurzfristigen Effekten aus der Eindeckung von Short-Positionen scheint der Markt im Moment die Perspektive einer erneuten Aufweichung der Geldpolitik zu antizipieren. Auch wenn die Fed heute den erwarteten Zinsschritt von 25 Basispunkten geht, so wie die EZB in der Vorwoche der Erwartung mit einem Zinsschritt von 50 Basispunkten entsprochen hat, dürfte die Gangart in Zukunft weniger ruppig sein als zuletzt. Die hohe Kunst für die Notenbanken wird in den nächsten Wochen darin bestehen, das Finanzsystem mit allerlei Notmaßnahmen vor dem Absaufen zu retten, bei den unbedarften Passagieren aber den Eindruck zu erwecken, dass die lustige Kreuzfahrt mehr oder weniger störungsfrei weitergeht. Ohne eine neue, vermutlich gut verklausulierte Geldschwemme dürfte dies kaum möglich sein. Für die Märkte, Gold inklusive, ist die aktuelle Dominanz des Bankenthemas gegenüber dem Inflationsthema sogar erst einmal eine positive Nachricht – Stichwort: Crack-up-Boom.

Gazprom & Co. – letzter Versuch

Die meisten Versuche, aus den russischen ADRs und GDRs herauszukommen, waren bislang erfolglos. Immer wieder taten sich durch das EU-Sanktionsregime neue Hürden für die betroffenen Anleger auf. Uns sind nur wenige Fälle bekannt, teils auch nur vom Hörensagen, wo es Anlegern tatsächlich gelungen ist bzw. sein soll, ihre Hinterlegungsscheine (ADRs und GDRs) in entsprechende Originalaktien zu tauschen. Ausweislich des Newsletters 19 der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V. (SdK) vom 13.3.2023 führte auch der sogenannte „russische Weg“ schätzungsweise nur in einem Viertel der Fälle zum gewünschten Ergebnis. Die SdK will nun „einen letzten Versuch unternehmen, die Politik doch noch zum Umdenken zu bewegen“ – wohlgemerkt die eigene, nicht die russische. Konkret geht es um die Petition mit der Petitionsnummer 147402 „gegen die wirkungslosen Sanktionen zum Schaden der westlichen Anleger“. Sobald diese auf der Website des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestags veröffentlicht wurde, muss sie innerhalb von vier Wochen mindestens 50.000 Unterstützer finden, um im Petitionsausschuss behandelt zu werden. Das ist eine hohe, aber keine unüberwindbare Hürde. Unsere herzliche Bitte, unterzeichnen Sie diese Petition, sobald sie veröffentlicht wurde, und machen Sie gerne auch in ihrem Bekanntenkreis dafür Werbung.

EU-Vermögensregister – Podiumsdiskussion

Schon heute dürfen wir Sie auf eine Podiumsdiskussion der Gesellschaft für Fortschritt in Freiheit e.V. am 28. April in Dresden hinweisen. Unter der Überschrift „EU-Vermögensregister: Bald schon Realität?“ wird der Frage nachgegangen: „Sind wir auf dem Weg zum gläsernen Steuerzahler für die Europäische Union?“ Das Podium ist hochkarätig besetzt: Neben Dr. Ulrich Horstmann, Prof. Dr. Karl-Friedrich Israel und Dr. Markus Krall ist auch Smart Investor-Chefredakteur Ralf Flierl mit von der Partie. Lassen Sie sich diese Diskussion mit aktuellen Informationen zu einer zunehmend bedrückenden Entwicklung nicht entgehen. Zur Anmeldung geht es hier entlang.

Falls Sie sich bereits im Vorfeld mit den Angriffen auf die Marktwirtschaft und die bürgerliche Freiheit befassen wollen, sei Ihnen ein Beitrag des Diskutanten Dr. Ulrich Horstmann über den Vormarsch des neuen grünen Sozialismus empfohlen, den Sie auf der Seite des Instituts Europa der Marktwirtschaften finden können.

Musterdepots & wikifolio

In der Rubrik Musterdepots & wikifolio berichten wir heute über unsere Transaktionen im Aktien-Musterdepot sowie über die Entwicklung in unserem wikifolio „Smart Investor – Momentum“. Sie können sich dort durch einfaches Blättern einen schnellen Überblick über die Transaktionen der letzten Wochen verschaffen. Um diesen Bereich lesen zu können, müssen Sie Abonnent des Smart Investor Magazins sein und sich auf der Smart-Investor-Website einloggen. Sollten Sie Ihr Passwort vergessen haben, fordern Sie bitte ein neues bei abo@smartinvestor.de an.

Fazit

Die Kuh ist vom Eis. An deren Stelle steht jetzt ein Mammut.

Frank Sauerland, Ralph Malisch

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Die Charts wurden erstellt mit stock3 und Tai-Pan von Lenz+Partner. Diese Rubrik erscheint jeden Mittwochnachmittag.

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