Interview
Smart Investor im Gespräch mit Ronald-Peter Stöferle und Mark Valek von der Incrementum AG über strauchelnde Banken, Kryptochancen und Inflationsperspektiven
Smart Investor: Die Pleite der Silicon Valley Bank und die Credit-Suisse-Rettung haben böse Erinnerungen an die Bankenkrise 2008 geweckt. Worauf müssen sich Anleger im Sektor einstellen?
Stöferle: Die Krise 2008 war im Kern eine Kreditkrise. Kreditrisiken wurden systematisch unterschätzt und haben, als sie – befeuert von Derivategeschäften – schlagend wurden, das gesamte Finanzsystem ins Wanken gebracht. Im Unterschied zu damals haben etliche Banken wohl das Zinsrisiko deutlich unterschätzt. Durch den Anreiz des jahrelangen Nullzinsumfelds sowie Regulierungen, die es ihnen gestatten, langlaufende Rentenpapiere auf ihrer Bilanz zu halten, ohne dabei etwaige Marktverluste aufgrund von gestiegenen Zinsen abschreiben zu müssen, haben etliche Banken eine riskante Fristentransformation betrieben. Die minimalst verzinsten Einlagen der Bankkunden wurden in langlaufende Anleihen investiert, die zumindest einen kleinen Zinsaufschlag boten. Als die Zinsen dann 2022 massiv stiegen und Anleger verstärkt ihre Einlagen abzogen, um in Geldmarktfonds bzw. kurzlaufende Staatsanleihen zu investieren, kam es zu einem massiven Liquiditätsproblem. Einmal mehr sprang die Fed mit Geldschöpfung ein, um einen weitläufigen Bank Run zu unterbinden. Kurzfristig mag sich die Bankenkrise disinflationär auswirken, dennoch zeigt sie einmal mehr die systemisch inflationäre Natur dieses Geldsystems auf. Wir gehen davon aus, dass u.a. durch diese Entwicklungen die Saat für die nächste Teuerungswelle gelegt wurde.
Smart Investor: Die Feinunze Gold hat die Marke von 2.000 USD überschritten, Silber die Marke von 25 USD. Was war aus Ihrer Sicht der Auslöser für den Schub und wie geht es in den kommenden Monaten weiter?
Valek: Ursächlich war natürlich die schwelende Bankenkrise, zudem sehen wir die stark steigende Notenbanknachfrage nach Gold (Stichwort: Dedollarisierung der Schwellenländer) als Treiber. Übergeordnet halten wir die anstehende Kehrtwende der Fed als wichtigsten Treiber. Selbst wenn Jerome Powell noch als Paul Volcker 2.0 in die Geschichte eingehen möchte, so preisen die Kapitalmärkte bereits fallende Zinsen ein. Der „Der-Kaiser-trägt-keine Kleider-Moment“ der Fed wird früher oder später kommen. Unserer Meinung nach sind die Rezessionsrisiken zuletzt signifikant gestiegen und Gold ist ein äußerst verlässlicher Inflationshedge. Ein weiterer wichtiger Faktor: Finanzinvestoren haben bis dato kaum Goldpositionen aufgebaut; dies erkennt man z.B. an den mangelnden Inflows bei den Gold-ETFs. Sobald wir nun auch auf US-Dollar-Basis neue Allzeithochs erreichen, wird die Angst einsetzen, etwas zu verpassen.
Smart Investor: Wie stellt sich aktuell die Situation bei Edelmetallminen dar und welche zählen zu Ihren Favoriten?
Stöferle: Wir haben infolge unseres zuletzt gestiegenen Inflationssignals die Allokationen im Gold- und Silberminenbereich sukzessive erhöht. Im Goldbereich haben wir den Fokus zuletzt eher auf Produzenten und Royalties, z.B. Newmont und Franco-Nevada, gesetzt und Developer sowie Juniors aufgrund der hohen Kapitalkosten untergewichtet. Im Bereich Basismetalle, z.B. bei BHP oder Glencore, Agriculture sowie Uran sehen wir momentan höchst spannende Chance-Risiko-Profile.
Smart Investor: Im Incrementum Crypto Gold Fund investieren Sie neben Edelmetallen auch in Kryptowährungen, die aktuell ebenfalls Rückenwind haben. Bei welchen Kryptos gibt es besonderes Potenzial?
Valek: Bitcoin, der von vielen als digitales Gold und als Absicherung gegen eine instabile Wirtschaft angesehen wird, profitiert beispielsweise von der Bankenkrise und dem schwachen US-Dollar. Ein weiteres Beispiel ist Litecoin, bei dem im Herbst ein sogenanntes Halving Event stattfindet. In der Vergangenheit hat sich das positiv auf den Litecoin-Preis ausgewirkt. Das Halving Event reduziert die Belohnung für Miner, was zu einem geringeren Angebot und somit einem höheren Preis führen kann. Polygon (ehemals MATIC) hat sich zu einer der wichtigsten Sidechains von Ethereum entwickelt und wird von einer Vielzahl von internationalen Konzernen wie Stripe, JPMorgan, Meta oder Siemens unterstützt. Diese Unternehmen entwickeln Projekte, die auf der Polygon-Blockchain laufen. Durch diese Unterstützung und das Wachstum der Decentralized-Finance-(DeFi-)Industrie ist Polygon derzeit eine vielversprechende Kryptowährung.
Smart Investor: Wie sehen Sie die Inflationsentwicklung in den kommenden Monaten?
Stöferle: Unser Incrementum Inflationssignal hat Anfang April erneut seine maximale Ausprägung erreicht. Anfang des Jahres war diese Ausprägung bereits kurzzeitig erreicht, das Signal hatte sich damals jedoch rasch wieder etwas abgeschwächt. Wir sehen den strukturellen Inflationstrend, der zuletzt aufgrund deflationärer Kräfte (abflauender Wirtschaftszyklus, steigende Zinsen, Quantitative Straffung) eine Pause eingelegt hat, mittel- bis langfristig weiter intakt.
Smart Investor: Herr Stöferle, Herr Valek, vielen Dank für Ihre interessanten Ausführungen.
Ronald-Peter Stöferle (l.) und Mark Valek (r.) sind Partner der Incrementum AG und zuständig für Research und Portfoliomanagement. Stöferle studierte BWL und Finance in den USA sowie an der Wirtschaftsuniversität Wien. Nach seinem Abschluss arbeitete er bei der Erste Group im Research, wo er 2007 zum ersten Mal den In Gold We Trust Report publizierte. Zudem ist er Member of the Board des kanadischen Explorers Tudor Gold und als Berater für Matterhorn Asset Management tätig. Valek studierte BWL an der Wirtschaftsuniversität Wien. Vor der Gründung der Incrementum AG war er zehn Jahre lang bei Raiffeisen Capital Management tätig, zuletzt als Fondsmanager. Seit 2013 sind beide Lektoren am Scholarium in Wien sowie Dozenten an der Wiener Börse Akademie. 2014 veröffentlichten die Experten das Buch „Österreichische Schule für Anleger“.