Kolumne
Gastbeitrag von Michael Hess, BANTLEON AG
Zweistellige Verluste im Jahr 2022 haben vielen Anleiheinvestoren den Schweiß auf die Stirn getrieben. Seit Jahresanfang sieht die Bilanz aber deutlich besser aus. Das gilt auch für Nachranganleihen von Industrieunternehmen (Corporate Hybrids), die mit Blick auf die bevorstehende Rezession in der Eurozone und den USA für risikobewusste Anleger eine solide Alternative zu High-Yield-Anleihen darstellen: Die Rendite dieser Unternehmensanleihen betrug Mitte April mit gut 7,6% fast das Doppelte von erstrangigen Investment-Grade-Unternehmensanleihen und entspricht nahezu der Rendite von High-Yield-Anleihen. Deren Ausfallraten lagen jedoch in Stressphasen an den Finanzmärkten bei über 12%, während die Emittenten von Corporate Hybrids aufgrund des soliden Investment-Grade-Ratings nahezu keine Ausfälle zu verzeichnen hatten.
Attraktives Risiko-Ertrags-Profil
Gekoppelt mit der sehr attraktiven Rendite bietet das aktuelle Marktumfeld bei Corporate Hybrids historisch betrachtet ein nahezu unschlagbares Risiko-Ertrags-Profil. Angesichts der ungebremst hohen Nachfrage ist in einem Umfeld unveränderter Zinsen und Risikoprämien auf Zwölfmonatssicht eine attraktive Wertentwicklung von über 7% möglich. Verglichen mit Hybridanleihen von Finanz-instituten (Financial Hybrids) überzeugen Corporate Hybrids insbesondere durch investorenfreundlichere Merkmale, wie der jüngste Totalverlust auf die Nachranganleihen von Credit Suisse gezeigt hat.
Hybrider Charakter
Die hohe Rendite von Corporate Hybrids basiert auf ihrem hybriden Charakter zwischen Eigen- und Fremdkapital. Daher müssen Emittenten für einen Corporate Hybrid mit gleicher Laufzeit eine fast doppelt so hohe Rendite wie für erstrangige Unternehmensanleihen zahlen. Gleichzeitig haben diese Nachranganleihen eine sehr lange Laufzeit (teilweise gar eine unendliche). Bereits vor Emission werden dabei vorzeitige Kündigungstermine der Anleihen festgelegt. So vergehen bis zum ersten Kündigungstermin normalerweise fünf bis 15 Jahre. Unternehmen erhalten für die Emission eines Corporate Hybrid in der Regel je die Hälfte dem Eigenkapital und dem Fremdkapital zugerechnet, was die Bilanzstruktur aus Sicht der Ratingagentur optimiert. Gleichzeitig verwässert die Emission eines Corporate Hybrid nicht die Aktionärsstruktur und ist meistens auch günstiger als die äquivalente Aufnahme von Eigen- und Fremdkapital. Neben dem Risiko der Nichtkündigung besteht bei Corporate Hybrids für den Emittenten das Recht, den Coupon aufgrund eines Liquiditätsengpasses in die Zukunft zu verschieben. Dennoch gilt, dass die ausgesetzten Coupons grundsätzlich vom Emittenten nachgezahlt werden müssen.
Bond Picking
Mit Blick auf die aktuelle Marktlage sollten die meisten Emittenten die in diesem Jahr fälligen Corporate Hybrids kündigen und refinanzieren. Allerdings dürften einzelne Emittenten dem Anlagesegment temporär den Rücken kehren und die noch ausstehenden Corporate Hybrids kündigen, ohne sie zu refinanzieren. Lediglich im Immobiliensektor wird das Nichtkündigungsrisiko nach wie vor präsent sein, weshalb Investoren dort sehr selektiv vorgehen müssen. Grundsätzlich sind eine detaillierte Analyse des Verkaufsprospekts sowie eine sorgfältige Auswahl der Emittenten auf Basis fundamentaler Kennzahlen unerlässlich.
Michael Hess, CFA, ist seit April 2019 Leiter Portfolio Management Unternehmensanleihen des Assetmanagers BANTLEON. Nach dem BWL- und VWL-Studium an der London School of Economics und am Babson College in den USA begann er als Portfolio Manager und Credit Analyst bei DWS Investments. 2014 wechselte Hess als Lead Portfolio Manager für die aktiven globalen Unternehmensanleihestrategien zu Swiss Life Asset Management.