„Der direkte Einfluss der US-Zölle auf Medtech bleibt bislang überschaubar“

Stefan Blum

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Interview

Smart Investor im Gespräch mit Stefan Blum, Bellevue Asset Management, über den Ansatz des von ihm gesteuerten Bellevue Medtech & Services (WKN: A0RP27) und die Auswirkungen auf Healthcareaktien durch die neue US-Regierung

Smart Investor: Herr Blum, wie beurteilen Sie das aktuelle Sentiment und die Fundamentaldaten im Healthcaresektor?
Blum: Das aktuelle Marktumfeld ist herausfordernd: Geopolitische Spannungen, neue Zölle und politische Unsicherheiten sorgen für kurzfristige Volatilität. Dennoch hat sich der Medtech-&-Services-Sektor im Jahresverlauf bis Mitte Mai als bemerkenswert widerstandsfähig erwiesen. Viele Unternehmen, insbesondere große Medizintechnikanbieter wie Abbott, Boston Scientific, Stryker oder Edwards Lifesciences, lieferten solide Quartalszahlen, die teils klar über den Erwartungen lagen. Bemerkenswert ist auch, dass diese Firmen in der Lage waren, potenzielle Mehrkosten durch Zölle realistisch zu beziffern und wirksam zu begrenzen.

Smart Investor: Welchen Vorteil bietet es aus Anlegersicht, einen Healthcarefonds auf Medizintechnik und Dienstleistungen zu konzentrieren?
Blum: Die Fokussierung auf Medizintechnik und Gesundheitsdienstleistungen innerhalb des breiten Healthcaresektors bietet für Anleger interessante Vorteile – insbesondere im Hinblick auf Visibilität, Stabilität und Innovationskraft. Viele Unternehmen in diesem Segment profitieren von planbaren Nachfrageentwicklungen, etwa bei chirurgischen Eingriffen oder chronischer Versorgung, und weisen gut skalierbare Geschäftsmodelle auf. Im Unterschied zu Pharma oder Biotech, die häufig von einzelnen Studienergebnissen oder Zulassungen abhängig sind, basieren Medtech-Modelle meist auf bereits zugelassenen Produkten, etablierten Technologieketten und deren kontinuierlicher Weiterentwicklung. So kennt der Medtech-Sektor auch keine Generika oder staatliche Eingriffe in die Preisgestaltung.

Smart Investor: Was sind die größten Wachstumstreiber in dem Segment, das Sie im Bellevue Medtech & Services abdecken?
Blum: Die zentralen Wachstumstreiber sind demografischer Wandel, technologische Innovation und zunehmender Zugang zu medizinischer Versorgung. Konkret bedeutet das: Die Zahl chirurgischer Eingriffe steigt kontinuierlich, insbesondere in alternden Gesellschaften. Gleichzeitig durchlaufen führende Unternehmen derzeit starke Produktzyklen. Beispielhaft ist das jüngste Upgrade des Da-Vinci-Chirurgiesystems von Intuitive Surgical. Mit dem neuen da Vinci 5 wird die operative Effizienz um über 20% gesteigert – bei verbesserten klinischen Ergebnissen. Auch Boston Scientific setzt neue Standards: Mit der Pulsed-Field-Ablation-Technologie (FARAPULSE) steht ein schnelleres, sichereres Verfahren zur Behandlung von Vorhofflimmern zur Verfügung – ein Markt mit geschätztem Potenzial von über 8 Mrd. USD bis 2030. Ein weiteres Wachstumsfeld ist der Diabetesmarkt: Anbieter wie Dexcom verzeichnen zweistellige Wachstumsraten bei kontinuierlicher Glukosemessung (CGM).

Smart Investor: Welche Auswirkungen auf Healthcareaktien sind durch den neuen US-Gesundheitsminister Kennedy und durch die Zollpolitik Trumps zu erwarten?
Blum: Robert F. Kennedy Jr. steht für eine kritische Haltung gegenüber der Pharmaindustrie und ist bekannt für seine kontroversen Positionen zu Impfstoffen. Seine Berufung zum Gesundheitsminister könnte im Biopharmasektor für neue regulatorische Unsicherheiten sorgen. Für den Medtech-&-Services-Bereich dürften die Auswirkungen jedoch begrenzt bleiben – vor allem bei etablierten Unternehmen wie Boston Scientific oder Abbott, die sich auf chirurgische und lebensnotwendige Produkte fokussieren. Diese sind regulatorisch weniger angreifbar als z.B. präventive oder experimentelle Therapien. Was die angekündigten US-Zölle betrifft: Diese sorgen branchenübergreifend für Nervosität, doch der direkte Einfluss auf Medtech bleibt bislang überschaubar. Einige Unternehmen wie Intuitive Surgical profitieren von regionaler Produktion in Mexiko und damit vom USMCA-Abkommen.

Smart Investor: Nach welchen Kriterien wählen Sie die Aktien für den Fonds aus? Können Sie Unternehmen nennen, die in Ihrem Portfolio eine wichtige Rolle einnehmen?
Blum: Wir verfolgen einen klar strukturierten Bottom-up-Ansatz mit starkem Fokus auf hochwertige, großkapitalisierte Medizintechnikunternehmen. Dienstleister sind derzeit mit rund 6% gewichtet. Unsere Auswahlkriterien umfassen Innovationskraft, Marktposition, Margenstärke, Cashflow-Qualität und unternehmerische Visibilität. Unsere größten Portfoliounternehmen sind Abbott, Boston Scientific und Stryker, allesamt Marktführer in ihren Märkten und breit diversifiziert. Intuitive Surgical, der Technologieführer in roboterunterstützter Chirurgie, gehört ebenfalls zu den Kernpositionen, ebenso wie Edwards Lifesciences und EssilorLuxottica. Alle diese Unternehmen verfügen über die Größe und einen Innovationsvorsprung, die es Konkurrenten sehr schwer macht, effektiv in den Wettbewerb zu treten. Ein gutes Bespiel ist EssilorLuxottica, die dank der mit Meta entwickelten Smart-Glass-Technologie eine ganz neue Kategorie von vernetzten, intelligenten Brillen entwickelt hat. Diese haben nicht nur das Potenzial, den etablierten Brillenmarkt zu erobern, sondern auch, sich als die beherrschende Mensch-KI-Schnittstelle zu etablieren.

Smart Investor: Herr Blum, vielen Dank für Ihre interessanten Ausführungen.

Stefan Blum trat 2008 Bellevue Asset Management bei und ist Co-Lead Manager der Fonds Bellevue Medtech & Services, Bellevue Digital Health und Bellevue AI Health. Davor war er während vier Jahren verantwortlich für die Betreuung der Investoren bei Sonova. Bei der Bank Sarasin war Blum als Finanzanalyst tätig. Außerdem leitete er die Finanzabteilung von Obtree Technologies Inc. Blum schloss sein Studium in Wirtschaftswissenschaften an der Universität St. Gallen ab und ist CEFA-Charterholder.

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