Kolumne
Ende eines Zyklus oder globaler Wandel?
Gastbeitrag von Vincent Chailley
Mehr als drei Jahrzehnte lang haben die Vereinigten Staaten die anderen Industrieländer überflügelt, angetrieben von einem liberalen Modell, das Innovation, tiefe Finanzmärkte und eine dynamische Einwanderungspolitik miteinander verband. Dieses außergewöhnliche Wachstum beruhte auf einer beispiellosen wirtschaftlichen Flexibilität, die Risikobereitschaft, Investitionen in Technologie und den Zustrom von Talenten begünstigte. Dieses Modell basiert jedoch auf einem fragilen Vertrauensgleichgewicht. Um dieses aufrechtzuerhalten, mussten die Behörden bei jeder Krise noch mutiger vorgehen: Zinssenkungen, quantitative Lockerungen, fiskalische Impulse – ein Maßnahmencocktail, der wie ein Stimulans mit der Zeit immer weniger wirkt, während die erforderlichen Dosen steigen.
Schwierigeres Umfeld und anhaltende Inflation
Heute bringt die Inflation diesen Mechanismus ins Wanken. Sie zwingt die Fed, die nicht mehr so frei intervenieren kann, und veranlasst die Märkte, höhere Langfristzinsen zu fordern, was die Regierung und ihre Fiskalpolitik unter Druck setzt.
Politischer Kurswechsel und Unsicherheiten
Vor diesem Hintergrund leitet die neue Regierung einen Wandel ein, der auf eine „Neugewichtung“ des Welthandels abzielt. Diese Neupositionierung kommt jedoch auch einem Schock gleich: Zolltarife in Höhe von schätzungsweise über 500 Mrd. USD, eine Verlangsamung der Einwanderung, Haushaltskürzungen und politische Unsicherheiten werden die Margen der Unternehmen und den Konsum rasch belasten, ganz zu schweigen von der abwartenden Haltung, die sie bei den Anlegern hervorrufen.
Bald Konjunkturabkühlung in den USA … und globale Entkopplung?
Die konjunkturellen Stützungsfaktoren – COVID-Ersparnisse, Vermögenseffekte über die Märkte, fiskalische Impulse – sind nun erschöpft. Der US-Konjunkturzyklus zeigt deutliche Anzeichen einer Abschwächung, die sich in den kommenden Quartalen direkt auf das Wachstum auswirken dürfte. Dennoch wird die Welt diesmal vielleicht nicht folgen. Europa, Asien und wichtige Schwellenländer wie China haben ihre Ersparnisse behalten, verfügen über fiskalische Hebel und weisen eine besser kontrollierte Inflation auf. Diese Regionen zeigen eine beispiellose Widerstandsfähigkeit, die durch eine oft strengere Politik als in den USA noch verstärkt wird.
China im Wandel: die große Neuausrichtung auf den Konsum
Auch China bleibt von den Veränderungen nicht verschont. Das Land ist weniger abhängig von Exporten in die USA (<3% seines BIP) und beschleunigt den Übergang zu einem Modell der Binnenkonsumausgaben. Seine enormen Ersparnisse (>40% des Einkommens), sein sich entwickelndes Sozialsystem und das allmähliche Ende der Immobilienblase schaffen die Voraussetzungen für einen strukturellen Wandel. Das Wachstum verlangsamt sich zwar, aber seine Zusammensetzung verbessert sich, was auf ein stabileres und unabhängigeres Modell hindeutet.
Globale Chancen für ein zukunftsorientiertes Management
Vor dem Hintergrund dieser Neuordnung der weltweiten Wirtschaftsführerschaft betont H2O AM die Notwendigkeit einer globalen Perspektive, die nicht durch den amerikanischen Raum eingeschränkt ist. Es gibt robuste Regionen, die Schocks abfedern und attraktive Alternativen bieten können.
Dieser Strukturwandel mischt die Karten neu. Er erfordert eine scharfe Einschätzung des Zyklus und der politischen Dynamik, aber auch die Fähigkeit, über den kurzfristigen Lärm hinauszulauschen.
H2O AM sieht darin eine seltene Chance: in die Wachstumspools von morgen zu investieren, wo Resilienz und Erneuerung Hand in Hand gehen.
Vincent Chailley ist Mitglied des Global Executive Committee von H2O AM Holding sowie Gründungspartner und Group CIO von H2O Asset Management. Chailley entwickelte ab 1999 die globale Absolute-Return-Produktpalette von CAAM (die sogenannten VaR-Fonds). Diese Fonds verwaltete er persönlich bis zu seinem Ausscheiden bei CAAM/Amundi im April 2010. Ende 2006 belief sich das verwaltete Vermögen dieser Fonds auf 42 Mrd. EUR.