Seidenstraße

Stefan Kohwagner

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Politik & Gesellschaft

Handelt es sich dabei um eine regional-militärische oder um eine geopolitisch-wirtschaftliche Bedrohung für westliche Interessen?
Gastbeitrag von Stefan Kohwagner

Mitunter führt ein Blick auf eine Landkarte zu Erkenntnissen, die über die Zielfindung eines Navigationssystems weit hinausgehen. Betrachtet man eine Karte von Peking im Osten bis Athen im Westen und von Moskau im Norden bis Nairobi im Süden, so erschließt sich ein bemerkenswerter Aspekt:
Die Landroute von Peking nach Westen über Iran, Türkei nach Europa und nördlich Richtung Russische Föderation ist im Sinne der Geometrie nahezu ideal. Die kürzeste Verbindung zweier Punkte ist eine Gerade, hier dann mit Fortsetzung im 90-Grad-Winkel nördlich Richtung Moskau gedacht (siehe Landkarte!).
Der erste Teil dieser Verbindung zwischen Xi’an (China) und Teheran (Iran) wurde nun Ende Mai 2025 in Betrieb genommen. Welche global-wirtschaftlich-strategische Bedeutung ist damit verbunden?

Die moderne chinesische Seidenstraße. – Bild: © MicroOne – stock.adobe.com

BRICS vs. wertebasierte westliche Ordnung
Einige der wesentlichen Aspekte können hier nur in Stichworten benannt werden:
Die BRICS-Staaten (insbesondere China/Indien/Iran/Russische Föderation – und bald die Türkei?) stellen eine zunehmend ernsthafte Alternative zur sogenannten wertebasierten westlichen Ordnung dar. Diese Werteordnung akzeptiert allerdings nur unwillig Alternativen.
Die Politik westlicher Handelssanktionen und die Resilienz einer Handelsroute über (zu) Land gegen An-/Eingriffe westlicher Seemächte sind ein tradiertes Werkzeug westlich-imperialer Politik. Der Landweg stellt insoweit eine unerwünschte/unwillkommene Beschneidung der Wirksamkeit der wesentlich seemachtgestützten Sanktionspolitik dar.

Verkürzung der Transportwege
Die Verkürzung und Verbilligung des Warentransports über die One-Belt-one-Road-Landverbindung (= Seidenstraße) bedeutet die Verkürzung der Transportwege und Transportzeiten und schafft damit Kosten- sowie Logistikvorteile gegenüber der im Kern auf Seewege gestützten und davon abhängigen globalen Wirtschaftsstrategie des sogenannten Globalen Westens, also vor allem USA/Kanada und Europa.
Die Marginalisierung der Leitwährung des US-Dollar als Instrument zur Kontrolle und Steuerung sogenannter fossiler Energieträger als Machtinstrument wird verstärkt durch den Öl- und Gastransport auf dem Landweg zwischen befreundeten Staaten ohne Einflussmöglichkeiten externer Global Player.
Eine ernsthafte Konkurrenz zum IMEC-Korridor der USA und EU, einer Kombination von Land- und Seehandelswegen über israelische Häfen und Logistikzentren in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) entsteht durch dieses kontinent-überspannende System von Handelswegen und -kooperationen, welches landläufig als „Seidenstraße“ bezeichnet wird.
Nachdem die Internationale Atomenergiebehörde IAEA und US-amerikanische Geheimdienste ernsthaft Zweifel an der Geschichte der iranischen Nuklearbewaffnung angemeldet haben, drängt sich der Gedanke förmlich auf, die militärische Aktion Israels gegen Teheran, unterstützt von US-amerikanischer Seite, könnte eher ein (verzweifelter) Warnschuss gegen eine Beteiligung Teherans an der neu entstehenden globalen Wirtschaftsordnung gewesen sein – dies auch mit Signalwirkung nach Peking und Moskau.

Alles Zufall?
Zeitlich würde die Militäroperation mit der Eröffnung der Bahnstrecke Xi’an/Teheran am 25.5.2025 bestens zusammenpassen. Inhaltlich drängt sich ein solcher Zusammenhang geradezu auf – nach den Irritationen internationale Seetransportrouten betreffend durch die militärischen Aktionen des Jemen, die Diskussion über die reine Möglichkeit einer Schließung der Straße von Hormus durch den Iran sowie die Signale aus der Türkei, sich dem Verbund der BRICS-Staaten anschließen zu wollen.
Wohl auch deshalb wurde das Thema einer iranischen Atombombe, welches seit über 20 Jahren immer wieder bemüht wird, zwei Wochen nach der Öffnung der neuen Seidenstraße durch Teheran von der westlichen Welt eskaliert.

Stefan Kohwagner ist Volljurist mit eigener Kanzlei bis 2000. Spezialisiert auf Immobilienprojektentwicklung und Wirtschaftsrecht, befasst er sich seit 2000 schwerpunktmäßig mit wirtschaftspolitischen/vermögensrechtlichen politischen Tendenzen. Daneben sind ihm Fragen des Völkerrechts, dabei auch des deutschen Völkerstrafgesetzbuchs, besonders wichtig. Zu beiden Themenkomplexen hält er seit 2022 bundesweit Vorträge.

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