Tage des Donners

Titelbild: © pictureguy32 – stock.adobe.com

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Die guten Zeiten sind vorbei – für die Aktienkurse und für das Land.

Das Kartenhaus

Die Regeln des Gute-Geschichten-Erzählens sind einfach: breche Tabus, erzähle vom Bösen und dem Kampf dagegen und, die wichtigste Regel von allen, erzähle die Wahrheit; gemeint ist dabei eine tiefe, berührende Wahrheit, eine die hinter den kurzatmigen Nachrichten steckt, welche täglich auf uns einprasseln. Netflix (WKN: 552484) befolgte einst diese Regeln und erzählte Geschichten, die uns den Atem stocken ließen, die uns zum Lachen brachten – oder zum Weinen. In den besten Momenten regten sie uns dabei auch noch zum Nachdenken an, oder sie regten uns einfach nur auf. Emotion pur. Mit House of Cards kam der endgültige Durchbruch des Streamingdienstes: Kevin Spacey spielte in der Exklusivserie einen US-Präsidenten, der mit „dirty play“ Kongress, Senat und schließlich die Welt beherrschte.
House of Cards liefert nun die Blaupause, die tiefere Wahrheit, für den Niedergang von Netflix. Schauspieler Spacey wurde einer großen Verfehlung überführt, alles Mea Culpa nützte nichts, Netflix wollte politisch korrekt handeln, keinen Shitstorm einfahren oder anecken: Die nächste Staffel House of Cards lief ohne Spacey als „Präsident Fies“ … und prompt stürzten die Quoten ab!

Literarische Tiefbohrung

Sie stürzten ab, weil eben nicht länger eine gute Geschichte erzählt wurde, sondern eine korrekte: Tabus wurden beachtet, die Auseinandersetzung mit großen Fragen, von denen auch ein solches Epos ein Stück weit lebt, dagegen gemieden. Wer alles „korrekt“ macht, macht nichts richtig. Entsprechend breitete sich Langeweile aus. Kann man den knapp bemessenen Feierabend auf eine ödere Weise verbringen als mit einer Serie voller korrekt aussehender Darsteller, die lehrreich oder besser belehrend das Korrekte herunterbeten und zu allem Überfluss auch noch „das Richtige“ tun?! Vermutlich nicht, denn die Quittung hat Netflix nun erhalten. „Go woke, go broke“ ist in den USA ein geflügeltes Wort für den mangelnden wirtschaftlichen Erfolg, den das zeitgeistige Ummodeln einst erfolgreicher Marken nach sich zieht. Das mag zwar die neuen Tugendwächter überzeugen, das zahlende Publikum jedoch nicht. Aber warum unternehmen wir überhaupt solche erzähltheoretischen Tiefbohrungen in einem Aktiennewsletter?

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Im Kurs liegt die Wahrheit

Weil wir kein Geld verlieren wollen. Wer keine guten Geschichten erzählt, ist als Streamingdienst ein Geldvernichter. Da nützen keine kostenkappenden Controller, keine Überlegungen, künftig Werbung einzublenden, um einen Gratisguckkanal anzubieten. Auch Pläne, die Abonnentenzahlen zu steigern, indem das grassierende Schwarzmitsehen unterbunden wird, helfen wenig. Denn inzwischen gibt es kaum noch gute Serien auf Netflix, aber immer mehr Streaming-Mitbewerber am Markt. Die Folge ist ein sinkender Netflix-Aktienkurs. Denn mehr als jede noch so ausgefeilte Storyline erzählt eben dieser Börsenkurs die eigentliche Moral der Geschichte.

Gute Zeiten, schlechte Zeiten

Eine sehr spannende und relevante, wenn auch keine schöne „Geschichte“ erzählt Top-Ökonom Hans-Werner Sinn. Er rechnet damit, dass die guten Zeiten für Deutschland vorbei sind. „Nicht nur für die nächsten 15 Jahre, sondern für eine längere Periode”, erklärt er jetzt öffentlich im Münchner Merkur. Gründe, laut Sinn: Die Grünen stellen in Deutschland die billige Energie ab, die demografischen Probleme nehmen überhand und dem Land breche die Arbeitsbevölkerung weg. Hoffen auf den Staat bringe da wenig: „Sorgt selber für euch. Glaubt nicht daran, dass der Staat das schafft.” Denn der werde heillos überfordert sein und es werde ihm daher auch nicht gelingen, die sozialen Sicherungssysteme auf dem Niveau zu halten, das nötig ist, um „die Entwicklung des Lebensstandards so fortzuführen.”

Inflationsrekord in Europa

Im Jahr 1999 wurde der Euro eingeführt. Damals wurden die Warnungen von Experten und Bürgern in den Wind geschlagen, die Warnungen vor einer Gemeinschaftswährung, welche Volkswirtschaften in unterschiedlichen Entwicklungsstufen währungstechnisch zusammenschweißt. Schon nach wenigen Jahren kam es um das hereingeschummelte Mitglied Griechenland zur ersten großen Eurokrise. Nun erreichte die Euro-Inflationsrate im März 7,4%. Das ist ein Höchststand, ein trauriger Rekord, denn Inflation bedeutet nichts anderes als Wohlstandsverlust für Rentner, Angestellte, Arbeiter und Lebensversicherungsbesitzer. Und es wird nach Expertenmeinung nicht das Ende der Fahnenstange sein. Gewinner ist dagegen der Staat, der seine Schulden auf diese Weise elegant weginflationiert. Selbst wenn die Preis-Lohn-Spirale in Gang kommen sollte, hält der Staat über die kalte Progression erneut unverhohlen die Hand auf. Allerdings gewinnt er nur so lange, wie seine Bürger ruhig bleiben, weil sie noch immer auf Besserung hoffen. Sollte aus der Inflation allerdings eine galoppierende werden, könnte der Langmut der Bürger ein Ende finden.

Toxische Mischung

Die Aussichten trüben sich jedenfalls weiter ein. In der Nacht von gestern auf heute legten Microsoft (WKN: 870747), Alphabet (WKN: A14Y6H) und Texas Instruments (WKN: 852654) ihre aktuellen Quartalszahlen vor und versuchten sich in Ausblicken für das weitere Jahr. Die Zahlen waren teils gut, teils sehr gut, die Ausblicke moderat und die Reaktionen der Börsianer blieben verhalten. Kein Wunder, denn die Probleme brechen an den verschiedensten Stellen auf: Die Inflation grassiert weltweit, die US-Zentralbank ist auf dem Zinserhöhungspfad, in Shanghai – einem der wichtigsten Häfen der Welt – und in Peking riegelt die chinesische Führung die von Covid-Ausbrüchen betroffenen Gebiete gnadenlos ab, was die bereits gestressten Lieferketten endgültig brüchig werden lässt.

Damit nicht genug: Russland dreht Polen und Bulgarien nun den Gashahn ab, weil beide Länder die geforderte Bezahlung in Rubel verweigerten. Diplomaten werden hüben wie drüben ausgewiesen. Die Gewerkschaft IG Metall fordert für ihre Stahlkocher +8,2% mehr Lohn – und die Forderungen der Metaller gelten als richtungsweisend für andere Branchen. Da sind sie, die berüchtigten Zweitrundeneffekte. Das Hochschaukeln von Preisen und Löhnen, kurz Preis-Lohn-Spirale kommt in Gang. Das ist der Moment, wenn auch die Mainstream-Ökonomen die Inflation nicht mehr wegerklären können. Damit gerät die zögerliche Europäische Zentralbank unter Zugzwang, muss sie die Zinsen doch eigentlich erhöhen, um die Inflation einzufangen, kann es aber nicht, weil sie dadurch die hochverschuldeten Euro-Staaten in Zahlungsschwierigkeiten bringen könnte. Für die Aktienmärkte ist das alles eine toxische Mischung. Welche Szenarien hier angelegt sind und wie sich diese letztlich auf die Kurse auswirken können, wird ausführlich im neuen Smart Investor 5/2022 beschrieben, der zum Wochenende erscheint.

Trump & Twitter

Ausnahme-Unternehmer Elon Musk kauft Twitter (WKN: A1W6XZ). Diese Nachricht hat jeden erreicht. Die eigentliche Wachmacher-Story dahinter ist: Donald Trump will derzeit nicht auf Twitter zurückkehren, selbst wenn er dürfte. Zurzeit ist der Ex-Präsident dort gesperrt und es lässt aufhorchen, dass er eine Möglichkeit zur Selbstdarstellung ungenutzt lassen könnte. Für Twitter war er ein Aufmerksamkeitsgarant und damit ein Monster-Asset. Denn seine Tweets wurden von Millionen beachtet, gehasst, geliebt, geteilt und kommentiert. Das war, ganz unabhängig vom Inhalt, gut für das Geschäft. Niemals zuvor hatten die Menschen einen derart unmittelbaren Einblick in die Gedankengänge und oft auch in die Emotionen des mächtigsten Mannes der Welt. Musk kündigte nun an, er wolle bei Twitter für eine freiere Debattenkultur eintreten. Hätte Trump nicht ganz so kühl reagiert, seine Rückkehr hätte den Twitter-Kurs durchaus weiter beflügeln können.

Corvette unter Strom

Dagegen dürfte die Ankündigung einer brachialen E-Corvette den Börsenkurs von General Motors (WKN: A1C9CM) anschieben. Es ist nicht so, dass eine E-Corvette zum Unternehmensergebnis des Autoriesen etwas Nennenswertes beitragen wird. Aber im Fahrzeugbau geht es noch immer ums Image. Und da ist die Corvette einfach die amerikanische Sportwagen-Ikone, ein Symbol des American Way of Life. Sie strahlt Kraft und Optimismus aus, zwei Eigenschaften, die uns auch in Europa nicht schaden könnten.

Zu den Märkten

Vom Aktienmarkt dürfen Sie zurzeit kaum Besserung erwarten. In den letzten Tagen ging es weiter abwärts mit den Kursen. Wohl dem, der sein Depot krisenfest gemacht hat, wozu wir noch im vorigen Weekly rieten. Die Erholungsbewegung der Vorwoche brach in der Berichtswoche jedenfalls abrupt ab, wobei insbesondere der gestrige Dienstag zu einem kräftigen Ausschüttler führte. Obwohl der Markt sich vor dem Hintergrund des gestrigen Absturzes der US-Märkte wacker schlägt, scheint uns die ganze Tragweite der Gemengelage um Krieg und Inflation derzeit nicht angemessen in den Kursen berücksichtigt zu sein. Welche Szenarien hier wahrscheinlich sind – und vieles mehr –, können Sie im neuen Smart Investor 5/2022 lesen.

Auf Tuchfühlung mit Small- und Mid Caps

Die Münchner Kapitalmarkt Konferenz – mkk rückt unaufhaltsam näher. Schon in der übernächsten Woche, am 3. und 4. Mai, haben Interessenten die Gelegenheit Small- und Mid Caps aus nächster Nähe kennenzulernen und sich mit Analysten sowie anderen Anlegern auszutauschen. Auch Smart Investor wird vor Ort sein. Neben der Präsenzveranstaltung in München gibt es die Möglichkeiten an der Konferenz via Zoom teilzunehmen. Nähere Informationen finden Sie auf der Website des Veranstalters und auf Seite 55 des aktuellen Smart Investor 4/2022.

Leitmesse Invest

Ebenfalls im Mai, genauer gesagt am 20. und 21. des Monats, findet in der Stuttgarter Messe die Invest 2022 statt. Bei der Leitmesse für Finanzen und Geldanlage erwarten Sie auch dieses Jahr namhafte Aussteller aus dem In- und Ausland sowie spannende Präsentationen und Diskussionen mit den führenden Köpfen der Branche. Leser unseres Newsletters können sich ein kostenloses Ticket sichern. Gehen Sie hierzu bitte wie folgt vor:
1. Starten Sie die Registrierung auf https://messeticketservice.de
2. Klicken Sie dort auf die Kachel der Invest und anschließend auf die unterste Kachel „Aktionscode einlösen“
3. Geben Sie zunächst die Anzahl „1“ und danach den Aktionscode SmartInvestor ein. Bei Eingabe des richtigen Codes erscheint ein grüner Haken bei „Code prüfen“. Wählen Sie aus, ob Sie den kostenlosen Personennahverkehr nutzen möchten. Klicken Sie auf den Einkaufswagen/„In den Warenkorb legen“ und Ihre kostenlose Ticketbestellung wird angezeigt.
4. Klicken Sie auf „Zur Kasse“. Wählen Sie den gewünschten Tag aus und klicken Sie in das Feld „Tageskarte gegen Aktionscode“.
5. Klicken Sie erneut auf „Zur Kasse“ und geben Sie Ihre persönlichen Daten ein.
6. Klicken Sie auf „Zum Download“.
7. Freuen Sie sich auf die Messe.

Musterdepots & wikifolio

In der Rubrik Musterdepots & wikifolio berichten wir heute über die Entwicklung in unserem Aktien-Musterdepot und bei unserem wikifolio „Smart Investor – Momentum“. Sie können sich dort durch einfaches Blättern einen schnellen Überblick über die Transaktionen der letzten Wochen verschaffen. Um diesen Bereich lesen zu können, müssen Sie Abonnent des Smart Investor Magazins sein und sich auf der Smart-Investor-Website einloggen. Sollten Sie Ihr Passwort vergessen haben, fordern Sie bitte ein neues bei abo@smartinvestor.de an.

Fazit

Jede Hoffnung auf Entspannung wird aktuell schon nach kurzer Zeit zunichte gemacht. Abgesehen von ausgewählten, eng umgrenzten Nischen, dürften die Aktienmärkte in ihrer Breite weiter zur Schwäche neigen.

Frank Sauerland, Ralph Malisch

Smart Investor 04/2022:

Titelstory: Russland und die Rohstoffe

Uraninvestments: Wie Phönix aus der (radioaktiven) Asche

Derivate: Trends, Strategien und steuerliche Änderungen

Stagflation: Wenn Stillstand noch teurer wird

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Die Charts wurden erstellt mit Guidants und Tai-Pan von Lenz+Partner. Diese Rubrik erscheint jeden Mittwochnachmittag.

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