Ausgebrannt

Titelbild: © benjaminnolte – stock.adobe.com

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Verbrenner-Aus und Mangelwirtschaft

Schwerkraft, Nein danke!

So kennt man es vor allem aus Tragikomödien: Ein Protagonist kämpft sich durch die Herausforderungen seines Alltags bzw. des Lebens und scheitert – immer wieder. Während der wackere Antiheld stets zuversichtlich neu zu Werke geht, weiß das Publikum längst, dass auch jeden neuen Anlauf das gleiche Schicksal ereilen wird. Was die Sache spannend macht, sind die Varianten des Scheiterns und die Anzahl der Haken, die geschlagen werden, bis das Unausweichliche schließlich doch passiert. Während solche Geschichten im Kino unterhaltsam und sogar lustig sein können, sind sie es im wirklichen Leben nicht. Als etwa Angehörige der deutschen Regierungskoalition mit ihren Phantastereien von einer vollständigen Loslösung von russischem Öl und Gas faktenfrei durch den Raum schwebten, wussten die Menschen nur zu gut, dass die Schwerkraft bald wieder einsetzen werde. Zumindest sollten sie das gewusst haben. Denn in der Sache sind sie nicht unbeteiligte Zuschauer, sondern direkt Betroffene – mittendrin, statt nur dabei, wie es in der PayTV-Werbung so schön heißt.

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Dividenden gelten als Qualitätssignal, denn nur langfristig profitabel geführte Unternehmen können sich stabile, im Idealfall steigende Ausschüttungen leisten. Auf diese Unternehmen konzentriert sich der DJE – Dividende & Substanz. Dividenden können als Ertragsquelle einen wesentlichen Beitrag zur Gesamtrendite einer Aktienanlage bieten. Dividendenwerte sind deshalb oft eine gute Wahl für Anleger, die in Aktien investieren wollen, sich aber eine eher defensive Strategie mit geringeren Schwankungen wünschen.


Tragikomische Helden

An tragikomischen Helden scheint derzeit auch in der Realität kein Mangel zu herrschen. Wir beschränken uns also auf jene, die im Bereich der Wirtschaft auf einen Pfad des Scheiterns eingeschwenkt sind oder dorthin eingeschwenkt wurden. Die deutsche Automobilindustrie könnte prominent dazugehören. Prominent war sie schon bislang, als die deutsche Vorzeigebranche, das Scheitern wäre dagegen neu. Auch sollte man die Fähigkeit dieser Unternehmen, sich immer wieder neu zu erfinden, nicht unterschätzen. Eine Erfolgsgesichte wie ihre schreibt man nicht mit Verzagtheit. Doch in letzter Zeit kam es für die Branche knüppeldick. Da ist die jetzt erfolgte Einigung zwischen FDP und Grünen hinsichtlich eines Aus für Verbrennungsmotoren bis 2035 nur noch das i-Tüpfelchen in einer ohnehin schon stark eingetrübten Situation. Immerhin konnte die FDP noch die Hintertür zu den e-Fuels offenhalten, welche allerdings aktuell noch weit von einem (wirtschaftlichen) Einsatz entfernt sind. Durch eine Technologiepräferenz der Politik sind die Unternehmen nicht frei, sich mit voller Kraft auf die aus ihrer Sicht aussichtsreichste Technologie zu konzentrieren, welche auch immer das sein mag. Vielmehr sind Sie immer auch gezwungen, bei der Elektromobilität mit am Ball zu bleiben, was doppelten Aufwand bedeuten kann. Ein ähnliches, wenn auch nicht vollkommen vergleichbares Phänomen gibt es beim ebenfalls politisch geförderten Ausbau der sogenannten Erneuerbaren Energien. Hier muss aus Gründen der Versorgungssicherheit – sofern die benötigten Brennstoffe noch geliefert werden – zusätzlich eine komplette konventionelle Infrastruktur in Bereitschaft gehalten werden.

Bremsklötze für die Zukunft

Auch wenn jetzt die Grundsteine bzw. Bremsklötze für die Zukunft gelegt werden, ist das Jahr 2035 noch ein gutes Stück entfernt. Sehr real sind dagegen die aktuellen Probleme: Mit der Eintrübung der Konjunktur werden erfahrungsgemäß große Anschaffungen erst einmal auf die lange Bank geschoben. Zwar mag die Angst vor weiteren Preiserhöhungen in vielen Bereichen zu Vorzieheffekten führen, bei großen Anschaffungen dürfte aber weiter Zurückhaltung angesagt sein. Selbst wer jetzt kaufen möchte, muss oft lange auf den begehrten Neuwagen warten, denn die Lieferkettenprobleme und Materialengpässe halten an. Die hohen Kraftstoffpreise sind zudem immer häufiger ein Argument, das Auto weniger zu nutzen, falls dies möglich ist. Das wiederum verringert den Verschleiß des Fahrzeugbestands und damit die Nachfrage nach Neuwägen und Ersatzteilen. Zudem zeigen sich – insbesondere in den Städten – strukturelle Änderungen, etwa in Form der Car-Sharing-Modelle, die dort ebenfalls auf den Absatz drücken. Da wir schon von langfristigen Effekten sprechen: Auch die Demographie ist nicht positiv für die Hersteller. Insbesondere bei der klimabewegten Jugend hat der Führerschein und das eigene Auto lange nicht mehr den Stellenwert, den es noch bei deren Eltern hatte.

Zwar ging mit dem Beginn des Ukrainekriegs auch der DAX (vgl. Abb., schwarz) insgesamt per Saldo deutlich nach unten, die Autoaktion litten jedoch stärker als der breite Markt. Besonders betroffen war der Massenhersteller Volkswagen (rote Linie).

Hohes Risikopotenzial

Zwar wurden diese längerfristigen Tendenzen lange Zeit von den Exporterfolgen in den autohungrigen Regionen dieser Welt überdeckt, aber auch diese Märkte werden in Zukunft nicht einfacher werden. Besonders China war aufgrund des rasch ansteigenden Wohlstands und der schieren Größe über lange Jahre einer der attraktivsten Auslandsmärkte der deutschen Fahrzeugbauer. Allerdings wachsen auch dort die Bäume längst nicht mehr in den Himmel und die margenstarken Topprodukte werden – auch aus politischen Gründen – längst nicht mehr so nachgefragt wie in vergangenen Boomzeiten. Dazu baut sich mit den geopolitischen Konflikten hier neues Risikopotenzial auf. Wir erleben im Moment in Echtzeit, wie auf die russische Ukraineinvasion mit einer Holzhammer-Sanktionspolitik ohne Maß und Ziel in kürzester Zeit gut etablierte Handelsbeziehungen zum beiderseitigen Nachteil nachhaltig beschädigt, wenn nicht dauerhaft zerstört werden. Sollte sich der Ukrainekrieg ausweiten, oder gar China die Gunst der Stunde nutzen, die USA in der Taiwan-Frage zu testen, wären die Folgen gar nicht auszudenken.

Lagarde in der Bütt

Unverändert in der Zwickmühle befindet sich die EZB. Auf der EZB-Konferenz im portugiesischen Sintra konkretisierte Christine Lagarde das neue Instrument, mit dem sie die zuletzt auseinandergelaufenen Spreads zwischen den Anleihen verschiedener Euroländer wieder zusammenbringen will. Es werden wohl – Überraschung! – EZB-Käufe jener Staatsanleihen sein, deren Zins sich besonders weit von der deutschen Benchmarkt-Rendite entfernt hat. Dass eine EZB-Chefin auch Humor haben darf, bewies sie mit folgendem Statement: „Das neue Instrument muss wirksam, gleichzeitig aber auch verhältnismäßig und mit ausreichenden Sicherheitsvorkehrungen versehen sein, damit die Mitgliedstaaten weiterhin zu einer soliden Finanzpolitik angehalten werden [Hervorhebung durch uns].“ Und weil das mit der soliden Finanzpolitik so gut gelungen ist, stehen wir genau da, wo wir heute stehen – auch wir haben Humor.

Unterabteilung Galgenhumor

Und weil wir schon in der Abteilung Galgenhumor angekommen sind, gleich noch einige Schlaglichter der letzten Woche:

In Sachen Inflationsbekämpfung, eigentlich vermeintliche Abmilderung der Folgen der Inflation, kommen immer mehr Politiker von Washington bis Wellington auf die verwegene Idee, Schecks an die Bürger auszureichen, damit diese besser mit den steigenden Preisen über die Runden kommen. Geld aus dünner Luft, das mit der Gießkanne verteilt wird, lässt die aktuelle Hochinflation vielleicht einen Wimpernschlag lang erträglicher erscheinen, ansonsten ist es aber die wesentliche Ursache dieser Entwicklung.

Auch die Mineralölindustrie äußerte sich nun zu dem so kläglich verpufften Tankrabatt. Natürlich waren es nicht gierige Konzerne, die den gut gemeinten Tankrabatt der Ampelregierung einsackten. Nein, ließ jetzt Exxon-Chef Darren Woods in einem Interview mit dem Handelsblatt verlauten, es sei ein strukturelles Angebotsdefizit am deutschen Markt, wo der Konzern rund 1.000 Esso-Tankstellen betreibt. Billige Ausrede, möchte der vom Boulevard geschulte Leser denken. Diese Ausrede nutzte zuletzt allerdings auch kein geringerer als Jerome Powell, seines Zeichens Chef der US-Notenbank Fed. Denn der verwies schon vor zwei Wochen darauf, dass die Fed allein nichts gegen die Inflation ausrichten könne, weil sie das Warenangebot eben nicht einfach ausweiten könne, um die Nachfrage zu befriedigen. Späte Einsichten der Geldpolitik.

Ausweiten soll sich nach dem Willen der Regierung dagegen hierzulande demnächst das Angebot an Kofferträgern. Denn Koffer blieben zuletzt gerne am Flughafen, während deren Besitzer in die Ferne reisten. Schuld an der Malaise waren nach Einschätzung der Ampelminister Unternehmen, die für die Urlaubszeit nicht ausreichend Vorsorge getroffen hatten. Zentrale Planung hätte die missliche Situation sicher verhindert. Wenigstens jetzt solle „gemeinsam ministeriumsübergreifend“ Abhilfe geschaffen werden, wie der gelbe Verkehrsminister ankündigte. Es geht um 1.500 Hilfskräfte für die Be- und Entladung von Gebäck, die auch aus dem Ausland angeworben werden sollen – nach dem Fachkräftemangel jetzt der Hilfskräftemangel.

Auch wenn sich kluge Köpfe treffen, können dabei dumme Ergebnisse herauskommen. Das Phänomen ist als Groupthink bekannt. Manchmal dürfte aber auch schon ein vertauschter Stichwortzettel reichen. Beim G7-Treffen in Elmau wurden zwei Ideen ventiliert, die ebenfalls in die Abteilung Galgenhumor passen: Zum einen wollen die G7 nun eine „Partnerschaft für Globale Infrastruktur“ aus dem Boden stampfen, eine Art neue Neue Seidenstraße als Konkurrenz zum chinesischen Projekt. Die dafür nötigen 600 Mrd. USD sollen „mobilisiert“ werden. Die eigentliche Schnapsidee aber war ein internationaler Preisdeckel für russisches Öl und Gas. Selbst nach dem Gipfel weiß niemand so richtig, wie dieser US-Vorschlag umgesetzt werden soll. Wenn mit solchen halbgaren Ideen an die Öffentlichkeit gegangen wird, ist das im Prinzip das Eingeständnis, dass die bisherige Sanktionspolitik bislang nicht das gewünschte Resultat erbracht hat.

Smart Investor 7/2022

Die Geopolitik ist auch ein wichtiges Thema im neuen Smart Investor 7/2022, der zum Wochenende erschienen ist. Auch insgesamt wirft der Krieg um die Ukraine lange Schatten auf die Märkte. Dennoch lassen sich auch in dieser schwierigen Zeit interessante Value-Investments finden, denen wir in unserer Titelstory „Dicke Fische für Geduldige“ nachspüren. Scheinbar enttäuschend, im Vergleich zu Aktien aber dennoch relativ gut, schlug sich der Goldpreis in diesem Jahr. Wie dieser Markt weiter einzuschätzen ist, dazu präsentieren wir einige spannende Ideen aus dem neuen „In Gold We Trust“-Report, der inzwischen so etwas wie der Industriestandard für die Lagebeurteilung an den Edelmetallmärkten ist. Schließlich wird auch für diesen Krieg die Rechnung präsentiert werden. Selbst das „Sondervermögen Bundeswehr“ besteht aus Schulden, die zumindest bedient werden wollen. Da passt es doch gut, dass medial aktuell die Reichen ins Visier genommen werden – breite Schultern und so. Am Ende werden es aber wieder der Mittelstand und der Durchschnittsbürger sein, die die Rechnung bezahlen – von Sündenböcken und Neiddebatten; auch dazu mehr im neuen Smart Investor 7/2022.

Zu den Märkten

Inzwischen kursieren in den Börsenmagazinen und Tippdiensten erste dringende Rückkaufempfehlungen für besonders unter die Räder gekommene Aktien. Oft wird dabei das Argument angeführt, dass die Titel sich von ihrem letzten Tief schon deutlicher erholt haben, der Abschwung also beendet sei. Wir halten diese Argumentation im Moment noch für verfrüht. Zum einen sind starke Gegenbewegungen durchaus ein Wesensmerkmal einer Baisse. Zum anderen fehlt es im breiten Markt bislang an einem überzeugenden Ausverkauf (Sell-Off) oder einer Stabilisierung in der Breite. Selbst gute Einzeltitel kämpfen hier also weiter mit Gegenwind. Exemplarisch sei dies am DAX (vgl. Abb.) veranschaulicht, der noch in der Vorwoche das markante Mai-Tief unterbot (vgl. Abb., kurze rote Waagrechte). Beim Versuch diese Linie zurückzuerobern scheiterte der Index in dieser Woche mehrfach und prallte mit den schlechten Vorgaben des heutigen Handelstages schließlich nach unten ab (rote Markierung). Die Bereitschaft der Marktteilnehmer, sich stärker an solchen Marken zu orientieren, kann man auch so interpretieren, dass im Moment viel Unsicherheit über die weitere Entwicklung herrscht. Ein Test des Märztiefs würde uns schon deshalb nicht überraschen, da die Gewinnerwartungen im weiteren Jahresverlauf noch weiter nach unten revidiert werden dürften.

Musterdepots & wikifolio

In der Rubrik Musterdepots & wikifolio berichten wir heute über die Entwicklung in unseren Musterdepots sowie in unserem wikifolio „Smart Investor – Momentum“. Sie können sich dort durch einfaches Blättern einen schnellen Überblick über die Transaktionen der letzten Wochen verschaffen. Um diesen Bereich lesen zu können, müssen Sie Abonnent des Smart Investor Magazins sein und sich auf der Smart-Investor-Website einloggen. Sollten Sie Ihr Passwort vergessen haben, fordern Sie bitte ein neues bei abo@smartinvestor.de an.

Fazit

Aktuell gibt es wenig Hoffnung auf eine rasche Besserung der (Börsen-)Situation. Das ist sentimenttechnisch gar nicht einmal so schlecht. Ansonsten halten wir es mit dem bayerischen Komiker Karl Valentin: „Ich freue mich, wenn es regnet, denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch.“

Ralf Flierl, Ralph Malisch

Smart Investor 07/2022:

Titelstory: Value Investments – Dicke Fische für Geduldige

Geopolitik: Mediales Geschacher um den Ukrainekrieg

Reichtum: Von Sündenböcken und Neiddebatten

Edelmetalle: Über Stagflation und die richtige Anlagestrategie

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