Es ist Sommer. Wir zittern trotzdem. Wegen der Kurse und wegen der Politik.
Putins Great Game
Willkommen beim Großen Spiel. Manche verstehen es. Manche meistern es. Und manche begreifen kaum, dass sie Mitspieler oder auch nur Schachfiguren auf dem Brett sind. Genau denen wird dann übel mitgespielt. Im aktuellen Großen Spiel ist Russen-Präsident Wladimir Putin der Meisterspieler. Ihm gegenüber sitzt in Fragen der Energieversorgung der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck, verstrubbelt und verknittert. Woche für Woche lässt sich der frühere Kinderbuch-Autor überrumpeln von Putin, dem früheren Geheimdienstchef. Dabei sind Putins Züge von kalter Logik und sein Ziel ist klar: Er will – das kommunizierte er von Anfang an – die dauerhafte Neutralität der Ukraine, wobei die Härte und gleichzeitige Kopflosigkeit der westlichen Gegenmaßnahmen zunehmend auch territoriale Begehrlichkeiten wecken könnte. Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel, bei dem die deutsche Regierung mit Sicherheit nicht die Katze ist.
So auch bei der jüngsten Gazprom-Ankündigung, künftig durch Nordstream 1 statt der in Aussicht gestellten 40% nur noch 20% der möglichen Gasmenge nach Deutschland fließen zu lassen. Habecks „Gegenmaßnahmen“: Kürzer Duschen und die Planung einer Gasheizungswartungsvorschrift. Die Verkündung eines EU-Gassparplan wird er begrüßen. Great Game ist das aber nicht, das ist Klein-klein.
Habecks Sparappelle
Der Begriff des Great Games oder Großen Spiels stammt aus dem 19. Jahrhundert und wird seitdem verwendet, um das Ringen von Staaten um die Vorherrschaft auf einem Kontinent oder Teilen eines Kontinents zu beschreiben. Es hilft nicht, sich dem bitteren Machtspiel zu verweigern, nicht mitzudenken, weil es böse, perfide oder was auch immer wäre. Moralische Kategorien ersetzen keine Strategie und keine stringente Politik. Sparappelle und Optimierungsvorschriften ersetzen nicht das Denken im großen Zusammenhang: Der elektrische Strom aus sechs deutschen Atomkraftwerken könnte Deutschlands Erpressbarkeit auf dem Gassektor mindern. Drei der Kraftwerke sind stillgelegt, aber noch reaktivierbar. Die drei anderen sollen im kommenden Winter abgeschaltet werden – es sei denn Wirtschaftsminister Habeck macht doch noch einen nennenswerten Zug im Great Game.
Solche Überlegungen sind für Börsianer höchst relevant. Denn für Investoren und Trader, die das sich entwickelnde Große Spiel sehen, ergeben sich Chancen, während solche, die es ignorieren, „aus heiterem Himmel“ davon getroffen werden können. Zu den direkt Betroffenen gehört etwa ein Unternehmen wie Uniper, das die Politik bereits zu „retten“ versucht. Eine echte Energiekrise in Deutschland würde viel weitere Kreise ziehen und könnte in einem regelrechten Kahlschlag enden.
Brad Pitts Hauskauf
Während sich Hausbesitzer in Deutschland auf frostige Zeiten einstellen und Geld zurücklegen für Habecksche Heizungskontrollen, Wärmepumpen und Gasrechnungen, kauft man sich anderswo, im warmen Kalifornien, gern noch eine Hütte dazu – falls man das nötige Kleingeld hat. Es geht um 40 Mio. USD, liest man. Das Wall Street Journal weiß mehr: Der Schauspieler Brad Pitt habe sich für ebendiese Summe ein Küstenanwesen zugelegt, welches in Bruchstein errichtet worden und malerisch auf einem Felsvorsprung am Pazifik gelegen ist, dem Prominenten-Refugium Carmel Highlands. Der Ausblick ist atemberaubend, die Architektur des vor 100 Jahren erbauten Hauses geschmackvoll und die Geschichte, die es aufbewahrt, ist erbaulich für jeden, der sich für Geld und Börse interessiert.
Das D.L. James House gehörte einem Schriftsteller gleichen Namens, der sein Geld und Glück gemacht hatte mit Drehbüchern, Musicalvorlagen und Romanen. Mittlerweile ist der Künstler verstorben und seine Bücher sind vergessen, aber das Haus blieb und gelangte vermittels einer ebenso diskreten wie teuren Transaktion in den Besitz des Börsentraders Joe Ritchie aus Chicago. Name, Wohnort und Beruf des Käufers klingen wie aus einem Hollywood B-Movie; doch Joe Ritchie lebte tatsächlich und sein Reichtum war echt und an den Börsen erhandelt. Ritchie starb in diesem Jahr, und nun, nach einem Schriftsteller und einem Börsianer, genießt ein erfolgreicher Schauspieler das außergewöhnliche Haus, seine Lage und den Blick.
Wir gönnen und lernen. Vermeintlich brotlose Künste bringen offensichtlich manchmal mehr ein als Brotberufe. Und wir vergessen Joe Ritchie nicht, der als Trader zu den großen Künstlern aufschließen konnte, zumindest monetär. Hoffnung macht das in rauen Börsenzeiten allemal.
Elon Musks Kniefall
Elon Musk hat Probleme. Mit Tesla, Twitter, Freunden und Frauen. Das hü, hott bei Twitter hatten wir bereits im Smart Investor Weekly vom 13. Juli 2022 behandelt. Die Tesla-Probleme nehmen wir uns kurz und pflichtschuldigst vor und kommen dann ausführlich zu den Freunden und Frauen, natürlich nur, weil es börsenrelevant ist und weil auch wir gerne mal eine Quote beachten wollen.
Tesla spürt den heißen Atem eines Verfolgers im Nacken, und der Verfolger ist nicht etwa die Volkswagen AG, die auf E-Autokurs getrimmt worden ist vom gerade geschassten Herbert Diess. Gemeint ist der chinesische Autohersteller BYD. BYD ist das Kürzel für „Build Your Dreams”. Der börsennotierte Angreifer aus dem Fernen Osten ist unter anderem von Warren Buffett mit Kapital unterspritzt worden. BYD hat im März den Bau von Verbrennern eingestellt und produziert seitdem ausschließlich E-Autos. Der Absatz geht durch die Decke. Im chinesischen Heimatmarkt ist BYD nach Verkaufszahlen mittlerweile auf Platz 2. Innerhalb nur eines Jahres verdoppelte sich der Absatz, und die Weltmarktführerschaft bei E-Autos dürfte das Ziel sein. Zwischen Januar und Juni dieses Jahres setzte BYD weltweit 324.000 E-Autos ab, bei Tesla waren es 565.000. Der Abstand schrumpft.
Währenddessen geht Tesla-Chef Elon Musk vor Google-Co-Gründer Sergey Brin auf die Knie. Die beiden waren Freunde. Aber sie sind es nicht mehr, seit Musk seinem Freund die Frau ausgespannt haben soll. Musk verteidigt sich: „Alles Bullshit.” Kniefall vor Brin auf einer Party, Bitte um Verzeihung, für was auch immer. Wir waren nicht dabei. Brin jedenfalls will sich scheiden lassen. Angeblich wies er Finanzberater an, seine persönlichen Investitionen in Unternehmen von Elon Musk aufzulösen. Musk ist der reichste Mann der Welt, er wird auf 240 Mrd. USD geschätzt. Brin bringt 95 Mrd. USD auf die Waage. Die Dame, um welche sich alles dreht, heißt Nicole Shanahan. Sie kommentiert die Aufgeregtheiten der Männer nicht.
Der Kurs der Google-Mutter Alphabet schwankte über Nacht wild hin und her. Nicht wegen einer amourösen Pikanterie, sondern weil das Unternehmen im gerade veröffentlichten Quartalsbericht das schwächste Wachstum seit zwei Jahren beichtet. Grund: Geschäftsbetreiber buchen weniger Reklameplätze bei der Google-Suchmaschine. Sie streichen Werbebudgets zusammen, um sich zu wappnen vor einer Rezession.
Zu den Märkten
Ziemlich konstruktiv hat sich der DAX in den letzten Handelstagen verhalten (vgl. Abb.). Zwar ging es per Saldo bergab, aber wie das geschah, gibt den DAX-Bullen Hoffnung. Nach den beiden impulshaften Aufwärtstagen während der letzten Berichtswoche, tröpfelten die Kurse in einer engen Spanne nach unten. Zudem erfolgte dieses Verdauen der vorangegangenen Aufwärtsbewegung bei rückläufigen Umsätzen und hat damit auch in dieser Hinsicht den Charakter einer Kurskorrektur. Als nächste größere Bewegung wäre also ein weiteres Anziehen der Kurse zu erwarten. Bevor wir aber euphorisch werden, sei daran erinnert, dass sich der Markt in den längeren Zeitfenstern noch immer in einem Abwärtstrend befindet. So verläuft beispielsweise die 200-Tage-Linie rund 1.400 Punkte über dem aktuellen DAX-Niveau und fällt weiter ab. Bis dahin hat der Index also noch einiges an Aufwärtspotenzial, was sogar mit der übergeordneten Baisse kompatibel wäre. Diesem gemischten Bild nähern wir uns auch im neuen Smart Investor 8/2022 an, der zum Wochenende erscheint. Hohe Inflation, anziehende Zinsen, abnehmende Versorgungssicherheit und eine negative Handelsbilanz sind nur einige aktuelle Schlagworte, die „Deutschlands Niedergang“ charakterisieren. Warum dieKurse dennoch steigen können, untersuchen wir in der gleichnamigen Titelstory im neuen Smart Investor.
Herbstzeit = Messezeit
Auch wenn wir uns aktuell noch an hochsommerlichen Temperaturen erfreuen können, sollte man sich schon jetzt auf den Herbst vorbereiten. Dabei geht es nicht nur um Gasknappheit oder neue Corona-Maßnahmen aus dem Hause Lauterbach, sondern auch um viele interessante Anlegermessen. Den Anfang macht das SRC Forum Financials & Real Estate 2022, das am 13. September in Frankfurt am Main bereits zum 19. Mal stattfinden wird. Auch dieses Jahr wird sich eine Vielzahl von namhaften Unternehmen des Immobilien- und Private Equity Bereichs aus dem deutschen Sprachraum präsentieren. Nähere Informationen finden Sie auf der Website des Veranstalters.
Im Oktober steht dann ein „österreichischer Herbst“ ins Haus. In diesem Monat finden drei (!) Konferenzen rund um das Thema Geldanlage und die Ideen der Austrians statt: Die World of Value Investmentkonferenz am 1.10. in Frankfurt am Main, die Jahreskonferenz 2022 des Ludwig von Mises Instituts unter dem Titel „Die Freiheitskultur des Westens“ am 8.10. in München und die „k.u.k. Anlegertagung“ des Instituts für Austrian Asset Management (IfAAM) unter dem Titel „Go East!“ am 29.10. in Budapest. Wir werden Sie im Vorfeld der Tagungen noch ausführlich informieren.
Musterdepots & wikifolio
In der Rubrik Musterdepots & wikifolio berichten wir heute über unsere aktuellen Käufe und über die Entwicklung in unserem wikifolio „Smart Investor – Momentum“. Sie können sich dort durch einfaches Blättern einen schnellen Überblick über die Transaktionen der letzten Wochen verschaffen. Um diesen Bereich lesen zu können, müssen Sie Abonnent des Smart Investor Magazins sein und sich auf der Smart-Investor-Website einloggen. Sollten Sie Ihr Passwort vergessen haben, fordern Sie bitte ein neues bei abo@smartinvestor.de an.
Fazit
Die laufende Berichtssaison zeigt, welche Unternehmen sich im aktuell schwierigen Umfeld gut geschlagen haben. Dass dabei sogar die Besten kurzzeitig enttäuschen können, demonstrierte Google-Mutter Alphabet. Ansonsten richtet sich die Aufmerksamkeit am deutschen Markt weiter auf den Ukraine-Krieg und die Folgen für die heimische Gasversorgung.
Frank Sauerland, Ralph Malisch
Titelstory: Value Investments – Dicke Fische für Geduldige
Geopolitik: Mediales Geschacher um den Ukrainekrieg
Reichtum: Von Sündenböcken und Neiddebatten
Edelmetalle: Über Stagflation und die richtige Anlagestrategie
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Die Charts wurden erstellt mit Guidants und Tai-Pan von Lenz+Partner. Diese Rubrik erscheint jeden Mittwochnachmittag.
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