Kanzler, Kabinett und Chaos

Titelbild: © standret – stock.adobe.com

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Wie Wohlstand entsteht und wie er verspielt wird

Kanzlerwahrheit

Am Dienstagnachmittag spricht der Kanzler die Wahrheit: „Es wird teurer – da gibt es kein drum herumreden. Die Energiepreise steigen weiter.” Auf die hochgeschossenen Erdgaspreise sollen Verbraucher und Industrie zusätzlich eine Gasumlage von 2,4 Cent pro Kilowattstunde bezahlen – und zwar zuzüglich Mehrwertsteuer, wie gerade erst in Brüssel entschieden wurde.

Wird ein Staat gut regiert, dann können die Bürger in ihm Wohlstand schaffen. Wird er dagegen schlecht regiert, dann bezahlen die Bürger mit ihrem Wohlstand für die schlechte Politik. Auch das ist eine Wahrheit.

Dieser Staat wird schlecht regiert, seit Jahrzehnten. Grundlastfähige Kraftwerke lässt er stilllegen. Windkraft und Sonnenkollektoren sollen stattdessen das Industrieland mit Strom versorgen, schaffen es aber nicht, weil – Überraschung! – diese nur Energie liefern, wenn der Wind weht und die Sonne scheint. Stromspeicher zur Überbrückung von Dunkelflauten sind kaum vorhanden und werden aus physikalischen Gründen auch in den kommenden Jahrzehnten nicht vorhanden sein. Beim Erdgas machen die Regierungen das Land durch einseitige Lieferantenauswahl abhängig von Russland und stoßen gleichzeitig befreundete Nachbarländer vor den Kopf.

Als reichten solche Minderleistungen der Regierenden noch nicht, wird der Bedarf an knappem und teurem Strom durch Subventionen und Bauvorschriften in die Höhe getrieben: Die Regierung verlangt mehr Wärmepumpen an den Hauswänden und mehr Elektro-Autos unter den Carports.

Die Rechnung für schlechtes Regieren kommt jetzt, und bezahlen müssen diese – richtig – die Regierten! Denn eine Regierung zückt das eigene Portemonnaie schon deshalb nie, weil sie gar keines hat. Die Zeche zahlen immer die anderen, was nebenbei bemerkt auch für das Zuckerbrot gilt, das Regierungen gelegentlich verteilen, wenn die Untertanen der Peitsche überdrüssig zu werden drohen: Energiepauschale 300 EUR, und zwar abzüglich Einkommensteuer.

Investorenwahrheit

Als Anlegermagazin hat Smart Investor früh auf die gerade geschilderte Misere hingewiesen – konkret und geldwert. Wir identifizierten die Konzerne, welche durch russische Gaslieferkürzungen und deutsche Energiepolitik in Schwierigkeiten geraten würden. In der Ausgabe 2/2022 empfahl Smart Investor den MDAX-notierten Energiekonzern Uniper zum Verkauf, in der Ausgabe 4/2022 die finnische Mutter Fortum. Schon damals legten wir in pointierter Analyse Ursachen und Kosten der verfehlten deutschen Energiepolitik offen; eine Energiepolitik, die das Wall Street Journal schon 2019, damals noch unter Kanzlerin Angela Merkel, zutreffend als „die dümmste der Welt“ bezeichnete. Smarte Trader „shorten” verfallende Aktienwerte und erzielen auch damit Gewinne. Smarte Investoren schützen ihr Kapital, indem sie absehbare Problemkandidaten aus ihren Depots entfernen. Beide Vorgehensweisen haben ihre Berechtigung und sind Ausdruck unterschiedlicher Anlagestile bzw. Risikofreude.

Entscheidungschaos

Deutschland wird seine letzten drei Kernkraftwerke weiterlaufen lassen. So vermeldete es gestern ebenfalls das Wall Street Journal von der Titelseite. Die Entscheidung sei gefallen und müsse nur noch formell vom Kabinett bestätigt werden. Das war möglicherweise voreilig. Denn kurz darauf ließen regierungsamtliche Stellen in Berlin den Bericht des Blattes dementieren. Endgültig scheint Chaos zu regieren, bei dem die eine Regierungsstelle nicht mehr weiß, was die andere will, entscheidet oder glaubt, entschieden zu haben.

Buffett schichtet um

Investorenlegende Warren Buffett greift zu. 3,9 Mio. zusätzliche Apple-Aktien schaffte er gerade für sein börsennotiertes Investmentvehikel Berkshire Hathaway an. Die Papiere des Hightech- und Lifestyle-Unternehmens Apple machen mittlerweile 40% des Berkshire Hathaway-Inventars aus. Ebenso kaufte Buffett weitere 22 Mio. Aktien von Occidental Petroleum und 2,3 Mio. Chevron-Anteile. Von Verizon Communications, Royalty Pharma und General Motors verabschiedete sich Buffett dagegen zuletzt.

Weltweit beobachten auch andere große Investoren Buffetts Handeln. Schließlich ist der alte Mann aus Omaha der erfolgreichste Investor aller Zeiten. Berkshires derzeit größten Positionen sind neben Apple die Bank of America, Coca Cola und American Express.

Womit die Erfolgreichen fliegen

Die Aktionäre des Flughafenbetreibers Fraport freuen sich, seit Wochen rennt der Aktienkurs nach oben. Weniger Freude verbreitet sich an vielen Flughafenterminals weltweit, denn oft herrscht dort Abfertigungschaos. Stunden vor dem Flug hat man sich einzufinden, langsam robbt man sich voran in der Warteschlange im Terminal, und immer ist da die bange Befürchtung, der Jet könne abfliegen, bevor man es durch die Kontrollen geschafft hat.

Das geht auch entspannter – falls man das nötige Kleingeld hat. „Sie können 15 Minuten vorher erscheinen”, das reiche völlig, sagt Ben Parker. Er ist Mitinhaber der Agentur JB Jets, die Privatjets an solvente Passagiere verchartert.

Erfolgreiche Künstler, Immobilienhändler und Geschäftsleute haben den unkomplizierten und diskreten Flugservice aktuell für sich entdeckt. 75% der Klienten fliegen erstmals im gecharterten Privatjet. Parkers Branchenkollege Darren Banham bestätigt: „Ich bin seit zehn Jahren im Privatjet-Markt, und ich habe nie ein solches Privatjet-Geschäft gesehen wie jetzt.” Banham ist Chief Executive von Discovery Jets.

Unzweifelhaft boomt die Branche. Flight Tracking-Spezialist Flightradar24 verzeichnet einen sprunghaften Anstieg von Flügen mit Privatjets. Apropos Kleingeld: Eine gemietete Privatjet-Stunde kostet 3.000 bis 10.000 USD, je nach Flugzeuggröße und Route.

Welche Hosen Männer lieben

Seit zwei Monaten steigt die Notierung der Lululemon-Aktie. Über erstaunliche 25% Kursgewinn freuen sich Anleger. Das Lululemon-Papier ist unter anderem an der amerikanischen NASDAQ gelistet, der Firmensitz des Unternehmens ist im kanadischen Vancouver. Vorrangig produziert und verkauft Lululemon Yogahosen für Frauen. Doch Kult sind mittlerweile die ABC Pants-Männerhosen von Lululemon. Wallstreet-Börsianer feiern die Beinkleider. Nicht nur wegen der Kursgewinne, sondern wegen ihrer Passform. Hippe Kreative zeigen sich in den Lululemon-Hosen, seriöse Geschäftsleute tragen sie im Büro, Rentner im Garten. Das Geheimnis der Pants: Sie sehen aus wie Anzughosen, tragen sich aber bequem wie Joggingschlabberer. In den Stoff ist Stretchmaterial eingewoben, das macht die Hosen bequem. Billig sind sie nicht, die ABC Pants. Lululemon verlangt 128 USD für eine Hose. Den Aktionären kann das recht sein. Je höher der Firmengewinn, desto höher die weiteren Kurs-Chancen.

Gazprom – Fristverlängerung bis 15.10.2022

Einigermaßen gute Nachrichten gibt es diesmal von unserem Fortsetzungskrimi um die von Sanktionen betroffenen Gazprom-ADRs. Laut letztem SdK-Newsletter Nr. 13 vom 11.8.2022 hat der russische Wertpapierverwahrer NSD den Zeitraum, in dem er keine Gebühren erhebt, bis zum 15.10.2022 verlängert. Da die NSD somit keinen wirtschaftlichen Vorteil aus der Umwandlung zieht, sollte der Umtausch von russischer Seite auch unter den gültigen Sanktionen möglich sein. Allerdings weist die SdK mit gleichem Schreiben auf „Neue Probleme mit Clearstream“ hin. Hintergrund ist eine von der amerikanischen Securities and Exchange Commission (SEC) erlassene Regelung, die am 1.8.2022 in Kraft getreten ist, und aufgrund derer die Citibank als Verwahrstelle von Clearstream Banking in den USA, den „manchmal nötigen Lagerstellenwechsel von Clearstream Banking AG auf Clearstream Banking SA“ nun ablehnt.

Dagegen scheint sich der von unserem freien Autor Thomas Steinhauser in der letzten Ausgabe skizzierte Weg über die kasachische Freedom Finance  als gangbar zu erweisen. In diesem Zusammenhang dürfen wir auf ein aktuelles Video des Youtube-Kanals „fokusinvestor“ verweisen, wo noch einmal die Vorgehensweise erläutert wird. Angesichts der nun bis 15.10.2022 verlängerten Frist, werden wir hier allerdings noch einige wenige Tage zuwarten, bis wir konkrete erste Rückmeldungen zum Ablauf des Prozesses erhalten. Zu lange sollte man aber auch hier nicht Zeit lassen, denn die neue SEC-Regelung und das sechste Sanktionspaket der EU haben gezeigt, dass der Prozess jederzeit von relevanter Stelle gestört oder unterbrochen werden kann. Insgesamt scheinen diese Störungen derzeit eher von den USA und der EU auszugehen, die zwar Russland meinen, aber letztlich die heimischen Anleger schädigen. Dagegen scheint die russische Seite derzeit um Schadensbegrenzung für die ausländischen Anleger bemüht zu sein. Das allerdings ist nur eine Momentaufnahme.

Wie an dieser Stelle schon erwähnt, kommt es auf den Einzelfall an, wieviel Aufwand man betreiben möchte. Nur im Fall von sehr kleinen Positionen würden wir stillhalten und den Zwangsumtausch mit anschließendem Zwangsverkauf wählen, der von Börse Online aktuell favorisiert wird. Hier haben Sie keinerlei Einfluss auf das Verfahren, den Zeitpunkt des Verkaufs sowie den Verkaufskurs. Es steht zu befürchten, dass beim konzentrierten Verkauf ganzer Pakete nur sehr schlechte Kurse erzielbar sein werden, weshalb wir diesen Weg aktuell nicht empfehlen.


Zu den Märkten

Die heutige Kurschwäche, die den DAX zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe um rund 1,5% ins Minus drückte, könnte bedeutsam werden. Denn inzwischen zeigt sich relativ deutlich der Charakter der Aufwärtsbewegung der letzten Wochen. Sie ist keilförmig (vgl. Abb., oberer Teil) und wird von rückläufigen Umsätzen begleitet. Beides deutet auf eine Korrektur hin – und eine solche Korrekturbewegung lässt eine Wiederaufnahme des vorhergehenden Abwärtstrends erwarten. Angesichts der Aussichten auf eine dramatisch verschlechterte Energieversorgung des Landes im anstehenden Herbst wäre eine Wiederaufnahme des Abwärtstrends auch fundamental alles andere als verwunderlich. Dazu kommt die stärkste Inflation in der Geschichte des Euros, gegen die die eigentlich zuständige EZB praktisch nichts unternimmt, jedenfalls im Vergleich zur amerikanischen Fed, die ordentlich in die Eisen gestiegen ist. Das Einzige, was in dieser Situation für den DAX sprechen würde, wäre eine echte Fluchtbewegung aus dem Geld, die die Austrians unter den Ökonomen als Crack-up-Boom bezeichnen. Soweit scheint es im Moment allerdings noch nicht zu sein, weshalb wir bei Aktien erst einmal wieder vorsichtiger sind.


Veranstaltungsherbst, erster Teil

Je weiter wir aus dem Sommer heraus und in den Herbst hineinkommen, zeigen sich immer mehr interessante Anlegerveranstaltungen am Horizont. Schon am 3. September 2022, also in gut zwei Wochen, macht die Metallorum-Roadshow – Wissen sichert Vermögen in der Inselhalle Lindau unter dem Motto „Droht der Finanzkollaps?“ den Auftakt. Mit von der Partie ist unter anderem der Bestsellerautor Ernst Wolff. Die Teilnehmer haben im Rahmen der Roadshow auch die Gelegenheit sich persönlich mit den anwesenden Experten auszutauschen. Nähere Informationen finden Sie auf metallorum-events.de.

Ebenfalls im September, genauer gesagt am 13.9., findet bereits zum 19. Mal das SRC Forum Financials & Real Estate 2022 in Frankfurt am Main statt. Auch dieses Jahr wird sich eine Vielzahl namhafter Unternehmen des Immobilien- und Private Equity Bereichs aus dem deutschen Sprachraum präsentieren. Nähere Informationen finden Sie auf der Website des Veranstalters.
Im Oktober geht es dann mit drei weiteren hochinteressanten Formaten weiter, über die wir Sie in den nächsten Newslettern noch ausführlich informieren werden.

Musterdepots & wikifolio

In der Rubrik Musterdepots & wikifolio berichten wir heute über einen kleinen Strategiewechsel angesichts der wieder eingetrübten Situation an den Märkten, sowie über die Entwicklung in unserem wikifolio „Smart Investor – Momentum“. Sie können sich dort durch einfaches Blättern einen schnellen Überblick über die Transaktionen der letzten Wochen verschaffen. Um diesen Bereich lesen zu können, müssen Sie Abonnent des Smart Investor Magazins sein und sich auf der Smart-Investor-Website einloggen. Sollten Sie Ihr Passwort vergessen haben, fordern Sie bitte ein neues bei abo@smartinvestor.de an.

Fazit

Wenn der Wohlstand im Lande wächst, wird gut regiert. Wenn der Wohlstand im Lande sinkt, wird schlecht regiert. Alles andere sind Nebelkerzen, die von diesem fundamentalen Zusammenhang ablenken sollen.

Frank Sauerland, Ralph Malisch

Smart Investor 08/2022:

Titelstory: Deutschlands Niedergang

Growth: Wachstumssektor vor Comeback?

Infrastruktur: Risikoarme Investments mit Rendite

Wasserstoff: Technologie mit guten Aussichten

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Die Charts wurden erstellt mit Guidants und Tai-Pan von Lenz+Partner. Diese Rubrik erscheint jeden Mittwochnachmittag.

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