„Der Great Reset beginnt“

Dr. Daniel Hoffmann

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Interview

Smart Investor im Gespräch mit dem Politikberater Dr. Daniel Hoffmann über Weltkriegsvorbereitungen, die „Zeitenwende“ als Initialisierung des Great Reset und das Weltfinanzquarantäneszenario „Ice Nine“

Smart Investor: Dr. Hoffmann, Sie hatten 2020 in einer dreiteiligen Artikelreihe sowie in einem Interview im Mai 2021 den groben Fahrplan eines relativ kleinen Machtzirkels für die Welt skizziert. Im aktuellen Heft geht es um die Zukunft, deswegen möchte ich von Ihnen gerne wissen: Wie sieht es mit der „Abarbeitung“ dieses Plans aus? Gehört ein Wladimir Putin zu dem Zirkel?
Hoffmann: Ich glaube nicht, dass Putin dazugehört. Als alter Geheimdienstmann und nun schon seit 22 Jahren „demokratischer Zar“ Russlands dürfte er die westlichen Machtstrukturen kennen, aber nicht Teil von diesen sein, sondern im Interesse Russlands in gesunder Distanz mit ihnen kooperieren und aus dem militärisch-indus­triellen Komplex Russlands gruppiert ­eine eigene Funktionselite aufgebaut haben. Aus russischer Sicht besteht der Plan des ökonomischen, politischen und religiösen „Westens“, getragen von alten „humanistisch-­esoterischen“ Ideen vom „Bau eines Doms der Menschheit“, ja daraus, dass Russland zerschlagen und durch viele kleine willfährige Staaten ersetzt werden soll, die sich dem Westen anschließen. Auf diese ­Weise wären die mittel- und osteuropäischen ­sowie die nord- und zentralasiatischen Ressourcen vor dem Zugriff Chinas „gesichert“. Im weiteren Verlauf könnten diese Staaten dann auch militärisch gegen China in Stellung gebracht werden, ähnlich wie ­heute die osteuropäischen EU/NATO-Staaten gegen Russland, sodass China im Falle ­einer Seeblockade keinen kontinentalen Rückhalt mehr hätte, sondern im Gegenteil ähn­lich wie das Deutsche Reich im Ersten und Zweiten Weltkrieg von den kontinentalen Landwegen und Ressourcenquellen abgeschnitten und – je nachdem, wie Indien sich positioniert – faktisch eingekesselt wäre.

Smart Investor: Vom Einmarsch der Russen in die Ukraine sind die meisten Menschen überrascht worden. Wenn man Ihre Analysen und Aussagen aus den letz­ten beiden Jahren genau studiert, dann trifft das auf Sie eher nicht zu, richtig?
Hoffmann: Nein, das hat mich nicht sehr überrascht. Im Rahmen dieses Spiels von Plan und Gegenplan kommt der strategischen Partnerschaft von Russland und China die entscheidende Rolle zu. Rus­sische Militärtechnologie und Rohstoffe gekop­pelt mit den Produktions- und Mili­tär­poten­zialen Chinas lassen unter umgekehrten Vorzeichen die ­lebensnotwendige Partnerschaft der Union sozialistischer Sowjet­republiken („SU“) mit den Vereinig­ten Staaten von Amerika („US“) im Zweiten Weltkrieg wiedererkennen. Ohne diese hätten die drei Achsenmächte – Deutschland, Italien und Japan – vermutlich den Krieg gewonnen. Heute agiert die Militärmacht USA im Rahmen der „trila­te­ralen Kooperation EU-Japan-USA“ schwerpunktmäßig von Deutschland und Japan aus.

Smart Investor: Welche Rolle spielen dann die Ukraine und Taiwan bzw. die momentanen Konflikte dort?
Hoffmann: Die Ukraine – auch Kleinrussland genannt – ist hierbei der militärische, kulturelle und (energie)logistische Rammbock gegen Russland, wie Taiwan – auch Nationalchina genannt – gegen China. In den deutschen Medien ist bereits vom Über­gang in die „Kriegswirtschaft“ und von der „wirtschaftlichen Entflechtung entlang der Macht- und Militärblöcke“ die Rede, um einen „Weltkrieg führbar“ zu machen. Im Endeffekt geht es bei dem Systemwettbe­werb am Beginn der Vierten Industriellen Revolution darum, wer zukünftig an der Spitze der globalen Wertschöpfungspyramide steht bzw. deren Stufen kontrolliert, die Verteilung bestimmt und die ­Gewinne abschöpft. Die Ukraine dient hierbei zusammen mit Polen und Rumänien, den bei­den Standorten des US-Raketenabwehrschirms in Europa, dazu, einen Riegel von der Ostsee über die Adria bis zum Schwarzen Meer zwischen Deutschland und Russland zu legen, um nicht zuletzt den Anschluss der Neuen Seidenstraße an den pro­duktiven Kern Europas, die „Blaue ­Banane“ entlang des Rheingrabens, zu ­unterbinden.

Smart Investor: Aber die Hauptentwicklungspotenziale der Weltwirtschaft liegen im Osten!
Hoffmann: Stimmt, China und Russ­land stellen die Schlüsselwährungsrolle des US-Dollar dabei gezielt infrage, denn sie sind nicht länger gewillt, US-Dollar-Inflation zu importieren und die gegen sie gerichtete Militarisierung des Weltraums etc. weiter durch Kauf von US-Staatsanleihen zu finan­zieren. Dadurch wollen sie auch ­eine „Eroberung“ des Irans, als Herz des schiitischen Halbmondes, durch ein „Eindringen“ des „Westens“ entlang der alten Seiden­straße nach Zentralasien verhindern. Daher war und ist damit zu ­rechnen, dass die Biden-Regierung aufgestachelt durch „globalistische Eliten“ weiter in manichäi­scher Manier – also im „Kampf Gut gegen ­Böse“ – ökonomisch, politisch und ideologisch in die Offensive geht. Dies deswegen, um die aus ihrer Sicht exis­tenziell gefährlichen geopolitischen Konkurrenten wieder kleinzubekommen und eigene „Verbündete“, z.B. Saudi-Arabien oder die EU- und ASEAN-Staaten, vom „Seiten- bzw. Währungssystemwechsel“ abzuhalten, bevor es zu spät ist, und nicht zuletzt auch bevor Donald Trump eine zweite Chance bekommt, den „Globalisten“ ins „Handwerk zu pfuschen“.

Smart Investor: Was bedeutet der aktuelle Ukrainekrieg für Europa, die USA und Russland? Droht gar ein direkter Schlagabtausch zwischen den großen Machtblöcken?
Hoffmann: Wie im Artikel „Das ‚Great Game‘ um die globale Dominanz“ (siehe Smart Investor 1/2021) erläutert, ging es beim Pro­ject for the New American Century (PNAC) und der Joint Vision 2020 Ende der 1990er-Jahre insbesondere darum, aus Sicht der USA den Aufstieg Chinas militärtechnologisch und geostrategisch zu antizipieren, um – wie im Artikel „Der Kampf um das exorbitante Privileg“ (siehe Smart Investor 2/2020) bereits erläutert – die ­unipolare US-Weltordnung und damit verbunden das „exorbitante Privileg“ des US-Dollar und der US-Dollar-Offshore-Märkte, zentriert in der City of London, zu bewahren. Vor diesem Hintergrund lassen sich die vor­sätzliche Eskalation des Ukrainekonflikts kurz vor der Eröffnung von Nord Stream 2 und des Taiwankonflikts während des Ausbruchs der aufgestauten Inflation des US-Dollar und der Gaspreiskrise in Europa – flankiert durch kleinere „Scharmützel“ in Syrien, im Kosovo, Gazastreifen und Aserbaidschan-Bergkarabach – seitens der Biden-Administration als weitere Meilensteine in der Abarbeitung des im Interview „Das meiste liegt im Zeitplan“ (siehe Smart Investor 5/2021) skizzierten Plans interpretieren. Die Eröffnungszüge in diesem Great Game für das Jahr 2022 waren dann der Farbrevolutionsversuch in Kasachstan sowie der Credit-Suisse-Leak, gefolgt von der Zündung der „finanziellen Nuklear­option“ des SWIFT-Ausschlusses rus­sischer Banken, der Schließung von Nord Stream 2 und dem Einfrieren von russischen Währungsreserven u.a. bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), gehalten in Sonderziehungsrechten des IWF im Wert von mehreren Hundert Mrd. USD, also westlichen Sanktionen, bei denen es passend ebenfalls um Energie- und Geldquellen sowie um Energie- und Geldübertragungswege geht.

Smart Investor: Aber der entscheidende Killerzug steht noch aus …?
Hoffmann: Vor dem Hintergrund dessen, was bereits geschehen ist, sowie der nun einsetzenden tiefen Rezession, der hohen Inflation und der technologischen Disruption in Verbindung mit dem demografischen, kulturellen und fiskalischen Niedergang der meisten westlichen Industrienationen ist damit zu rechnen, dass die USA flankiert von Großbritannien „all in“ gehen und einen Great Reset in Anlehnung an Prof. Dr. Klaus Schwab (siehe „Der „Great Reset“ für die Globalisierung“ in Smart Investor 10/2020) wagen werden, d.h.: das Wirtschaftssystem dekarbonisieren, digita­lisieren und „fairer“ gestalten, Märkte ­weiter abschotten, vormals outgesourcte Produktionskapazitäten zurückholen und – als neue Stufe – überschüssige Produktions­faktoren – Boden, Kapital und Arbeitskräfte – auf Krieg bzw. Kriegswirtschaft umstellen und, das Triffin-Dilemma des US-Dollar verkennend (siehe Smart Investor 2/2020), – nun direkt versuchen, ihre inneren, nicht zuletzt währungsbedingten Probleme durch Konflikte mit dem vermeintlichen oder tatsächlich „Schuldigen“ im Außen zu lösen – auch mit dem letzten Mittel der Politik: dem Krieg, dem Vater aller Dinge, der entsprechend auch der transhumanistischen Agenda der Vierten Industriellen Industrie eines Yuval ­Harari oder Prof. Dr. Schwab Auftrieb geben ­dürfte. Die BRICS-Staaten-Allianz hat sich entsprechend darauf vorbereitet. Viele Schwellen- und Entwicklungsländer werden sich in der anbahnenden Offshore-Dollar-Schuldenkrise nicht wie in den 1970er- und 1980er-Jahren an den IWF, sondern an die BRICS-Bank bzw. dem neuen realwirt­schaftlich orientierten BRICS-Weltfinanzsystem zuwenden. Den Banken der City of London dürfte auf diese Weise die Krone vom Haupt genommen werden. Diese russisch-chinesische ­Weltwährungsrevolution hat das Zeug dazu, die amerikanische Revo­lution von 1776 in den Schatten zu ­stellen.

Smart Investor: Die Endschlacht wird dann vermutlich am Finanz- bzw. im Währungssektor stattfinden?
Hoffmann: Im Endeffekt ist dem so, zunächst aber in der Welt der realen Produktion und Politik sowie von Wissenschaft und Technik. Darauf zielte ja auch Prof. Dr. Schwab mit seinen Analysen zu einem notwendigen Great Reset, zu Deutsch: „Großer Neustart“, ab.

Smart Investor: Welche Rolle spielen die Überlegungen zu einem Great Reset im großen Spiel der Weltmächte?
Hoffmann: Prof. Dr. Schwab führte in seinem Buch aus, dass im Juni 2020, sechs Monate nach Start der Pandemie, die Welt ein anderer Ort gewesen sei. COVID-19 hätte folgeschwere Veränderungen ­ausgelöst und die Vergrößerung von Bruchlinien, die unsere Ökonomien und ­Gesellschaften heimsuchen. Daher sei der Great Reset kein „Nice-to-have“, sondern eine absolute ­Notwendigkeit. Versagen beim Ansprechen und Reparieren der tief verwurzelten Krank­hei­ten unserer Gesellschaften und Öko­no­mien könne, wie immer in der Geschichte, das Risiko erhöhen, dass ein ­Neustart ulti­mativ durch gewaltsame Schocks wie Konflikte und sogar Revo­lutionen erzwungen wird. Mit der nun einsetzenden „Zeitenwende“ sind wir offen­sichtlich im ­Stadion „ultimative Erzwingung eines Neustarts durch gewaltsame Schocks“ angelangt.

Smart Investor: Worum geht es beim Great Reset konkret?
Hoffmann: Der Great Reset findet laut Prof. Dr. Schwab als Makro-, Mikro- und individueller Reset statt. Der „Individual Reset“ unterteilt sich z.B. in „Neudefinition unserer Menschlichkeit, mentale Gesundheit und Wohlergehen“ sowie „sich ändernde Prioritäten“. Auf Makroebene gibt es ein Trilemma: ökonomische Globalisierung, politische Demokratie und National­staatlichkeit sind wechselseitig unvereinbar, nur zwei der drei können ­jeweils koexistieren. In den kommenden Jahren scheint es unausweichlich, dass es eine gewisse Deglobalisierung begleitet von aufsteigendem Nationalismus und inter­nationaler Fragmentierung geben ­werde. Ein hastiger Rückzug von der Globalisierung würde aber die Ökonomien ­aller Länder beschädigend Handels- und Währungskriege nach sich ziehen, ­soziale Verwüstungen provozieren und Ethno- oder Clannationalismus triggern. Die Lösung sei die Nutzbarmachung der Potenziale der Viertn Industriellen Revolution und die Ausrichtung der Menschheit auf gemeinsame Ziele, wie die Rettung der Menschheit vor dem Klimawandel und die Bewältigung der „Corona-Pandemie“ sowie weiterer Pandemien, die mit Sicherheit noch folgen werden. In diesem Zusammenhang wird beim WEF u.a. laut über eine radikale Reform des Kapitalismus hin zum kohä­siven und nachhaltigen „Stakehol­der-Kapitalismus“ und die Verschmelzung unserer „biologischen, physischen und digi­talen Identität“ nachgedacht. Corona ­würde laut WEF weltweit digitalen Identitäten zum Durchbruch verhelfen, also genau jener Komponente des Internets der Dinge, welche noch fehlt. Es ließe sich die Hypothese aufstellen, dass der Pandemiehype so lange weitergeht, bis digitale Identitäten via Impfpass etc. weltweit oder zumindest im „Westen“ verpflichtend eingeführt sind.

Bild: © wetzkaz – stock.adobe.com

Smart Investor: Aber was hat dies nun mit dem Ukrainekrieg zu tun?
Hoffmann: Im Bild der Computerprogrammierung gesprochen, wurde vor zwei Jahren der Great Reset deklariert; nun scheinen die verschiedenen Variablen ­initialisiert zu werden und damit die Programmierung fertiggestellt und gestartet. Wir erleben getriggert durch den Ukrainekrieg „sich ändernde Prioritäten“ auf individueller Ebene. Wir erleben auf der Mikroebene einen Reset unserer ­Wertschöpfungsketten. Wir erleben auf der Makroebene einen ­Reset im ökonomischen, sozialen, geopoli­tischen, ökologischen und technologischen Bereich. Die hohen Gas- und ­Benzinpreise forcieren das Bedürfnis, sich von diesen Energiequellen abzuwenden oder zumindest US-Fracking-Gas zu akzeptieren. Die Flüchtlingswelle aus der Ukraine und der Gaskrieg forcieren das Ideal der europäischen Solidarität und die Drei-Meere-­Initiative (TSI). Verzicht führt zu neuem Wohlergehen und definiert unsere Menschlichkeit neu. Die Gasumlage, die angedachte Vermögensabgabe etc. befeuern den kohäsiven „Stakeholder-Kapitalismus“. Nach den Corona-Lockdowns bekommen wir Energie- und in einigen Regionen Euro­pas wohl auch Wasser-Lockdowns.

Smart Investor: Wohin wird das Ringen um die globale Dominanz noch führen?
Hoffmann: Es ist damit zu rechnen, dass die „westlichen Atommächte“ und die „russisch-chinesische Allianz“ nicht so schnell aufgeben werden, da beide Seiten sich im jetzigen Stadium keine Niederlage mehr erlauben können. Abgesehen von weiterer militärischer Eskalation ist mit einem globalen „wirtschaftlichen Abnutzungskrieg“ zu rechnen. Das nun einsetzende Wettrüsten, die Bekämpfung der Folgen der einsetzenden Rezession und die Verrentung der Babyboomer werden die Staatsfinanzen der westlichen Staaten ­überfordern und weitere Inflation wie auch ­Instabilität der Finanzmärkte auslösen, bis zu dem Punkt, an dem auch die Zentralbanken nicht mehr helfen können. Eine neue Finanz­markt-, Staatsschulden- und Währungskrise ist daher unvermeidlich.

Smart Investor: In diesem Zusammenhang sollten wir auf das Ice-Nine-Szena­rio eingehen. Was hat es damit auf sich?
Hoffmann: Der angesehene US-Finanzanalyst James Rickards, der früher für die CIA Währungskriegsspiele durchgeführt hat, erwartete schon 2016, dass die US-Regierung in einem solchen Fall Schattenbanken genauso in die Aufsicht und in den Zugriff nehmen würde wie herkömmliche Banken. So sei z.B. BlackRock ein „strategisches Nadelöhr – ähnlich der ­Straße von Hormus für den Ölhandel – im Labyrinth der weltweiten Kapital­flüsse“. „Ice Nine“ sei dabei eine elegante Art, die Reaktion der Machteliten auf die nächste Finanzkrise zu beschreiben. Anstatt die Welt mit neuer Liquidität zu versorgen, werden die Eliten sie einfrieren. Das Wort „Contagion“ („Ansteckung“) ver­wenden Risikomanager und Aufsichts­behörden, um die Dynamik einer Finanzpanik zu beschreiben; es ist jedoch mehr als eine Metapher. Über kurz oder lang käme es zu einer „Finanzpandemie“. Bei einer Finanzpanik sei der „Impfstoff“ die Noten­presse. Wenn dieser sich als wirkungslos erweist, wäre die einzige Lösung Quarantäne. Das bedeutet, Banken, Börsen und Geldmarktfonds zu schließen, Geldautomaten außer Betrieb zu setzen und Vermögensverwalter anzuweisen, keine Wertpapiere zu verkaufen. Ice Nine ginge weit über die Banken hinaus, würde sich auch auf Versicherungs- und ­Industriekonzerne sowie Vermögensverwaltungen erstrecken und das Einfrieren von Transaktionen umfassen. Die Sanktionen gegen Russland bieten ein erstes Anschauungsbeispiel für einen solchen Ansatz, womöglich bald ­gefolgt von Sanktionen gegen China, welches Währungsreserven im Wert von rund 3 Bio. USD hält.

Smart Investor: Aber gerade die Sanktionen gegen Russland zeigen doch, dass es technisch-administrativ gar nicht so einfach ist. Wie sollen denn die Abermilliarden Transaktionen und Vermögenswerte erfasst und auf Knopfdruck eingefroren werden?
Hoffmann: Durch die Adaption der Poten­ziale der Vierten Industriellen Revolution. Beim Treffen der Wirtschafts- und Finanz­minister der EU im September 2021 berich­tete EZB-Präsidentin Christine Lagarde „über die Arbeiten der EZB an einem digi­talen Euro“. Beim anschließenden Vortrag wurden die „Einsatzmöglichkeiten der Blockchain-Technologie“ erörtert. Zentral­bankwährungen, digitale Identitäten, die Tokenisierung von Vermögenswerten oder die Dokumentation von Lieferketten ­ließen sich auf Blockchain-Basis realisieren. Die Verbriefung von Wertpapieren in Urkunden könnte bald abgelöst werden, nämlich durch die Tokenisierung der Vermögenswerte, sodass der Eigentumstitel nur noch in digitaler Form manifestiert wäre. Zukünftig könne die gesamte Finanzinfrastruktur in einer dezentralen Cloud hängen und die Rolle der Finanzinstitutionen dabei vollständig von der Blockchain-Technolo­gie ersetzt werden, hieß es. Die digitale Spiegelung der Weltfinanz- und Weltgütermärkte in all ihren ­Verästelungen umfassend würde die technischen Möglichkeiten für einen solchen finanziellen „Great Reset“ samt Schuldenschnitt und Vermögensumverteilung schaffen. In gewöhnlichen Zeiten dürften es westlich-demo­kratische Regierungen schwer ­haben, solche Schritte zu legitimieren. In „apokalyptischen“ Zeiten von (Welt-)Krieg sowie (vermeintlichen) Seuchen und Natur­katastrophen sähe es schon anders aus.

Smart Investor: Dr. Hoffmann, herzlichen Dank für diese abermals sehr kompetenten Einsichten und Ihren Blick in die Zukunft.

Der Finanzwissenschaftler Dr. oec. ­Daniel Hoffmann (Jahrgang 1981) ist als Politik­berater in den Bereichen öffentliche Finan­zen und Geldpolitik tätig.

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