„Machtwort“ mit Halbwertszeit

Titelbild: © JüNick – stock.adobe.com

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Während der Kanzler energiepolitisch von der Hand in den Mund lebt, müssen Investoren weiter denken.

Renaissance der Kernkraft

Im Gegensatz zur Politik, deren weitester Horizont die nächste Wahl ist, müssen Investoren die Zukunft im Blick haben. In ihr liegen Chancen, aber auch Risiken. Blicken wir also auf … den Winter 2023/24.

Gerade noch sagte Bundeskanzler Olaf Scholz: „Es wird die gesetzliche Grundlage geschaffen, um den Leistungsbetrieb der Kernkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 sowie Emsland bis längstens zum 15.4.2023 zu ermöglichen.“

Was aber wird sich bis zum 15.4.2023 so entscheidend geändert haben an der aktuell desaströsen Energielage des Industriestandorts Deutschland? Gut, man wird dann durch den Winter 2022/23 gestolpert sein. Und sonst? Wir wagen eine Vorhersage:
– Für die Solaranlagen auf den Hausdächern wird im April 2023 die Sonne nachts noch immer nicht scheinen.
– Der Wind für die Windmühlen wird manchmal wehen und manchmal auch nicht.
– Industrietaugliche Batteriespeicher werden bis dahin nicht erfunden sein.
– Nirgendwo wird ein großtechnisch funktionierendes Wasserstoffkraftwerk grundlastfähigen Strom in Netze einspeisen.
– Es werden nicht genügend Überlandstromkabel verlegt sein.
– Gas wird knapp und teuer bleiben
– Fracking in Norddeutschland wird auch weiter verboten sein.

Ergo wird der Kanzler am 15.4.2023 vor der gleichen Knapp-und-teuer-Energielage stehen wie heute. Zwar wird er auch im April 2023 sechs einsatzklare Kernkraftwerke haben, die er aber dann, dank seines „Machtworts“ nicht mehr benutzen wird. Kleine Korrektur: Die er nicht mehr benutzen kann, weil keine neuen Brennstäbe bestellt werden. Die dunkle Jahreszeit, die Heizsaison 2023/24 wird dann ganze sechs Monate entfernt liegen …

Im Gegensatz zum Kanzler bedenken Investoren heute schon dieses Szenario und sehen die Risiken. Denn zukunftsorientierte Menschen finden sich nicht nur an der Börse, sondern auch in den Unternehmen. Und dort wird mit spitzem Bleistift gerechnet. Immer häufiger lautet das Ergebnis: Betriebsschließung, Insolvenz oder Abwanderung. Deutschland droht die Deindustrialisierung und damit massive Wohlstandsverluste. Natürlich gibt es in einem solchen Szenario auch Chancen – außerhalb Deutschlands: Frankreich, Tschechien und Schweden setzen verstärkt auf Kernkraft. Weltweit sind 57 neue Kernkraftwerke im Bau. 436 Kernkraftwerke sind in Betrieb, und die benötigen Brennstäbe – beispielsweise vom kanadischen Uranproduzenten Cameco.


Neuer Energie-Riese entsteht

Cameco (WKN: 882017) ist der größte Uranproduzent der westlichen Welt – und das Unternehmen will weiter wachsen. Zusammen mit Brookfield Renewable Partner plant Cameco, den Reaktor-Servicedienstleister Westinghouse Electric zu kaufen. Das ist das Unternehmen, welches der Bundesregierung schon im Frühjahr anbot, noch bis zum Jahresende Brennstäbe zu liefern, da in Deutschland wegen des Russland-Ukraine-Kriegs absehbar grundlastfähige Energie knapp werde.

Sobald Cameco Westinghouse Electric geschluckt haben wird, sind die Kanadier nicht länger nur Uran-Minenbetreiber. Sie werden zum Energieriesen, der auch Brennstäbe herstellt und die Servicebetreuung von Atomkraftwerken übernimmt. Um das Kapital für die Übernahme aufbringen zu können, will Cameco allerdings für 650 Mio. USD neue Aktien ausgeben. Bei den Altaktionären kam das letzte Woche nicht gut an. Sie sehen vor allem die Verwässerung ihrer Unternehmensbeteiligung. Der Cameco-Kurs gab über 16% nach. Doch das kann für Neuinteressenten eine Einstiegschance sein. In den vergangenen Jahren war der kalte November häufig ein guter Monat für den Cameco-Kurs. Die Wachstumsaussichten bleiben hervorragend. Die Kernkraft steht vor einer Renaissance – nicht in Deutschland, wohl aber im Rest der Welt.

„Facebooks“ Flop

Das Metaverse ist Facebooks Vision der virtuellen Welt von morgen. Das Metaverse könnte jedoch heute schon von gestern sein. Das lassen aktuelle Zahlen befürchten. Meta-Aktionäre sind alarmiert. Das Metaversum lässt sich nur mit und in einer Spezialbrille sehen, und man kann es nur als Avatar betreten. Ein Avatar ist eine Fantasiefigur, welche die eigene Person im Metaversum symbolisiert. Der Metaversum-Avatar sieht zumeist aus wie eine Mischung aus einer Comicfigur und einer Computeranimation. Meta Platforms (kurz Meta und vormals Facebook, WKN A1JWVX) setzte sich ursprünglich das Ziel, bis zum Jahresende monatlich 500.000 aktive Horizon Worlds-Besucher zu erreichen. Horizon Worlds nennt Meta die aktuelle Version seines Metaversums. In den letzten Wochen schauten allerdings nur 280.000 Besucher in die Horizon Worlds herein. Das geht aus einem internen Meta-Dokument hervor, das dem Wall Street Journal zugespielt wurde.

Schlimmer noch als die enttäuschende Besucherzahl ist eine weitere Beobachtung: Die meisten Erstbesucher kehren nach einem Kennenlernmonat nicht mehr in die Horizon Worlds zurück. Die virtuellen Attraktionen, Städte und Partys bleiben zumeist unbesucht. Laut interner Statistik sind nur 9% der virtuell aufgebauten Orte von mehr als 50 Avataren besucht worden, die meisten Orte bleiben komplett unbeachtet, kein Avatar lässt sich sehen. „Eine leere Welt ist eine traurige Welt”, lautet das Fazit der vertraulichen Analyse.

Sollte sich das ebenso ambitionierte wie teure Metaverse-Projekt von Facebook tatsächlich zu einem Flop entwickeln, dürfte der Trend bei der Meta-Aktie weiterhin abwärts zeigen. Sogar der Namenswechsel von der zwar umstrittenen, jedoch gut eingeführten Marke Facebook zu Meta könnte sich dann als Hypothek erweisen.

Das Metaverse hat übrigens eine Vorlage, die wenig Hoffnung macht. Second Life startete 2003 als virtuelle Welt und löste zunächst Begeisterung aus – allerdings vor allem bei Investoren, die viel Geld in die Software-Entwicklung der damaligen virtuellen Welt steckten. Konzerne konnten sich virtuelle Läden kaufen und virtuelle Veranstaltungen starten. Jedoch blieben die virtuellen Besucher aus. Nutzer fanden das echte Leben spannender als das Second Life. Die Second-Life-Plattform existiert zwar heute noch in abgewandelter Form, sie spielt in der breiten Öffentlichkeit aber keine Rolle mehr.

Microsofts Zukunft

Die Aktien des großen Software- und Cloudanbieters Microsoft (WKN 870747) sind in diesem Jahr um satte 30% gefallen. Jetzt wird bekannt: Der US-Konzern will Personal abbauen, rund 1% der 200.000 Beschäftigten sollen betroffen sein, die genaue Zahl der Entlassungen aber bleibt ungenannt. Ein Microsoft-Sprecher erklärte: „Wir machen strukturelle Anpassungen.”

Die scheinen auch nötig zu sein, denn Microsoft verzeichnete zuletzt das geringste Gewinnwachstum der letzten zwei Jahre. Das Cloud-Geschäft ging stark zurück, auch die Sparte Videospiel läuft schlechter als gedacht. Anders als Meta/Facebook, das sich nach unserer aktuellen Einschätzung in virtuellen Welten zu verlieren droht, sehen wir bei Microsoft eher eine nur temporäre Formschwäche, welche sich in der Rückschau als Investitionschance herausstellen dürfte. Der Konzern verbessert seine Produkte kontinuierlich. Er stattet Industrie, Schulen und Verwaltungen aus; er ist für die amerikanische Wirtschaft und amerikanische Interessen zentral. Da die USA zunehmend China als Rivalen auf den Weltmärkten begreifen, werden fortschrittliche Softwareprodukte zur strategischen Ressource: Anlegern mit langem Atem braucht es um die Zukunft von Microsoft also nicht bange zu sein.

Zu den Märkten

An den Märkten gehen die Wechselbäder weiter, wenn auch derzeit mit einem leicht positiven Unterton. Exemplarisch zeigt dies die Entwicklung im NASDAQ-100 während der Berichtswoche: Nachdem schon das alte Bewegungstief vom 16.6.2022 in den Vortagen unterboten wurde, eröffnete der Markt am vergangenen Donnerstag mit einem massiven Abwärts-Gap. Dies wäre eigentlich eine Bestätigung für den seit Mitte August laufenden Abwärtstrend an der US-Technologiebörse. Doch dieser Donnerstag hatte es in sich, denn der Markt schloss am Ende mit einer großen grünen Kerze und starken Umsätzen satte 2,3% im Plus – praktisch punktgenau auf dem Juni-Tief. Ein solcher Umkehrtag wird in der Regel positiv bewertet. Entsprechend eröffnete der Markt am Freitag mit einem kleinen Aufwärts-Gap – oberhalb des Juni-Tiefs –, zeigte im Sitzungsverlauf jedoch ein gegengenteiliges Kursverhalten. Der Index sackte mit einer langen roten Kerze um 3,10% in die Tiefe und lag damit wieder unter der Juni-Marke. Denkbar schlechte Vorgaben für den Folgetag also. Doch gegenüber dem Vortagesschluss sprang der NASDAQ 100 bereits zur Eröffnung um +275 Punkte nach oben und konnte im Sitzungsverlauf weiter leicht zulegen. Gestern dann der scheinbare Befreiungsschlag. Zur Eröffnung ein Sprung um weitere +306 Punkte, von denen dann aber nur +85 Punkte übrig blieben. Und heute? Richtig, da geht es wieder kräftig bergab.

Das Fazit aus dem ganzen Geschaukel ist, dass sich die Märkte im Moment schwertun, eine Vorzugsrichtung zu finden. Schon aus den makroökonomischen Daten, der Geld- und Fiskalpolitik sowie den geopolitischen Spannungen kommen ständig neue und oft widersprüchliche Impulse. Zudem ist in den USA bereits die Berichtssaison angelaufen, heute unter anderem mit den Zahlen der Schwergewichte Tesla, Procter & Gamble und IBM. Da die Quartalszahlen jeweils außerhalb der Handelszeiten veröffentlicht werden, ist auch weiter mit größeren Kursschwankungen zum Handelsbeginn zu rechnen. In welche Richtung diese gehen, ist dabei kaum zu prognostizieren. Allenfalls kann man aus der unmittelbar vorangegangenen Kursbewegung etwas über die Markterwartung und damit das positive bzw. negative Überraschungspotenzial ableiten. Wenn also beispielsweise die Kurse in Erwartung guter Zahlen im Vorfeld der Veröffentlichung bereits angestiegen sind, ist auch der Raum für Enttäuschungen größer, das verbliebene Potenzial aber kleiner geworden.


Tagungen und Messen im Herbst

WatchTime Düsseldorf – exklusives Angebot

Letztmalig können wir den Uhrenliebhabern unter unseren Lesern ein besonderes Angebot machen. Wir verlosen die verbliebenen Eintrittskarten für den exklusiven Eröffnungsabend der WatchTime Düsseldorf am 27. Oktober 2022 in der Rheinterrasse Düsseldorf. Was Sie dafür tun müssen? Senden Sie uns schnellstmöglich eine Mail mit dem Stichwort „WatchTime“ an abo@smartinvestor.de und wir drücken Ihnen die Daumen, dass Sie zu den glücklichen Gewinnern gehören. Für einen regulären Besuch der WatchTime sind zudem noch wenige kostenlose Tickets für unsere Leser verfügbar. Gehen Sie hierzu auf die Webseite des Veranstalters und klicken Sie oben links auf „Werbecode eingeben“. Geben Sie dort den Promocode SmartInvestorxWatchtime ein und suchen Sie sich ein Tagesticket aus. Der Preis reduziert sich auf 0,00 Euro. Klicken Sie auf „Kasse“ und fahren Sie mit Ihrer Bestellung fort.

k.u.k. Anlegertagung Budapest 2022

Langsam wird die Zeit knapp. Wer sich noch zur ersten „k.u.k. Anlegertagung“ in Budapest anmelden möchte, der sollte sich beeilen. Denn bereits am 29.10. veranstaltet das Institut für Austrian Asset Management (IfAAM) diese ganz besondere Tagung unter dem Motto „Go east! – Kapitalschutzstrategien für die Zeitenwende“. Zu den Referenten werden unter anderem Goldexperte Dimitri Speck, der Anlageexperte Dr. Markus Elsässer und Degussa-Chef Dr. Markus Krall gehören. Auch Christoph Heuermann, einer der besten Experten in Sachen Auswandern, wird vor Ort sein. Auf jeden Fall sollten Sie etwas mehr Zeit im „Paris des Ostens“ einplanen, um sich von dieser ganz besonderen Stadt verzaubern zu lassen (siehe Bild). Nähere Informationen zu dieser außergewöhnlichen Anlegertagung finden Sie auf der Website des Instituts für Austrian Asset Management IfAAM.

Musterdepots & wikifolio

In der Rubrik Musterdepots & wikifolio berichten wir heute über unsere Musterdepots und über die Entwicklung in unserem wikifolio „Smart Investor – Momentum“. Sie können sich dort durch einfaches Blättern einen schnellen Überblick über die Transaktionen der letzten Wochen verschaffen. Um diesen Bereich lesen zu können, müssen Sie Abonnent des Smart Investor Magazins sein und sich auf der Smart-Investor-Website einloggen. Sollten Sie Ihr Passwort vergessen haben, fordern Sie bitte ein neues bei abo@smartinvestor.de an.

Fazit

Der Kanzler sprach ein „Machtwort“ dessen Halbwertszeit bei genau sechs Monaten liegt. Spätestens dann wird sich zeigen, ob die Energiepolitik des Landes auf der Basis von Ideologie oder Vernunft weitergeführt wird.

Frank Sauerland, Ralph Malisch

Smart Investor 10/2022:

Titelstory: Immobilien – Bröckelndes Betongold

Energiepolitik: Droht Deutschland ein Horrorwinter?

Work-Life-Balance: Im hohen Norden winkt das Glück

Düngermarkt: Auch der Boden will gefüttert sein

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