Eines ist sicher, die Zinserhöhung

Titelbild: © Sutthiphong – stock.adobe.com

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… und wer trotzdem gut durch die aktuelle Krise kommen wird

Morgen, Kinder, wird’s was geben

Die Erwartung ist eindeutig. Am morgigen Donnerstag werden weitere Zinserhöhungen verkündet. Die Mehrheit der Beobachter geht davon aus, dass die Notenbanker der Europäischen Zentralbank (EZB) nach ihrer morgigen Sitzung eine Erhöhung der Euro-Leitzinsen um weitere 0,75 Prozentpunkte auf dann 2% bekanntgeben werden.

Wie forsch – oder wie lasch – die EZB bei der Zinserhöhung vorgehen wird, werden Börsianer als Fingerzeig nehmen – zum einen für die Dramatik der Lage, zum anderen für die Ernsthaftigkeit der Bemühungen um eine Eindämmung der anhaltenden Hochinflation. Auch kann das Verhalten der EZB eine Indikation für die nächsten Schritte der US-Notenbank Fed sein. Derzeit erwarten die meisten Beobachter die Bekanntgabe einer Zinserhöhung auf 4% nach der nächsten Fed-Sitzung am 2. November.

Abweichung bewegt Kurse

Jede Abweichung von den Mehrheitserwartungen wird die Kurse bewegen, denn die Zentralbanken sind die mächtigsten Mitspieler an der Börse. Genauer gesagt: Sie sind keine Mitspieler, sie halten buchstäblich die Bank. Damit sind sie es, die bestimmen, wie viel oder wie wenig Geld dem Markt zur Verfügung stehen wird. Nach eigenem Belieben, um nicht zu sagen willkürlich, können Fed und EZB  Geld in den Wirtschaftskreislauf hineingeben (Easing) und die Aktienkurse befeuern oder sie entziehen das Geld wieder (Tightening) und dämpfen so Kurse und Konjunktur. Letzteres findet zurzeit durch die Zinserhöhungen statt.

Düstere Aussichten mit hellen Flecken

Mit diesen Erhöhungen soll die ausufernde Inflation eingedämmt werden. Zwangsläufig gerät dadurch jedoch auch das Wirtschaftswachstum in Gefahr. S+P Global Chef-Ökonom Chris Williamson analysiert im Wallstreet-Journal: „Der Rückgang der US-Wirtschaft bekommt im Oktober signifikantes Momentum. Die Zuversicht im Ausblick verschlechtert sich scharf.” Gleichzeitig bleibt der Inflationsdruck in den USA und in Europa hoch. Weder für Notenbanker noch für Bürger und Investoren sind dies gute Aussichten.

Dennoch gibt es Unternehmen, die auch in einem solch herausfordernden Umfeld Anleger überzeugen können, und dieses Unternehmen kommen aktuell nicht aus dem Big-Tech-Bereich, wo Alphabet, Microsoft und Texas Instruments gerade mit mageren Quartalsberichten enttäuschten. Wir stellen zwei Positiv-Kandidaten vor.

Linde goes Wall Street

Eine Aufnahme von Linde an der New Yorker Börse NYSE wäre ein positives Zeichen für den Wirtschaftsstandort Deutschland und für die Qualität des deutschen Leitindex DAX, auch, wenn der Linde-Verwaltungsrat den Aktionären letztlich den Rückzug vom Frankfurter Parkett vorschlagen will.

Die erste Kurs-Reaktion bei dem (Noch-)DAX-Wert war zwar ein Minus von über 7%. Aber das dürfte nicht das letzte Wort gewesen sein. Die langfristige Perspektive von Linde (WKN: A2DSYC), dem Hersteller technischer Gase, scheint glänzend zu sein. Man braucht nur auf den Chart zu blicken. Seit der Corona-Panik im Frühjahr 2020 klettert der Kurs nach oben. Selbst im bisher miserablen Börsenjahr 2022 hält sich die Aktie, markierte sogar im Februar, Juli und September jeweils höhere Tiefs, was auf eine ungebrochene Nachfrage bei institutionellen Anbietern hindeutet, welche „billig gewordene” Stücke einsammeln.

Dauerläufer Eli Lilly

Ein ähnlicher Dauerläufer wie Linde ist Eli Lilly (WKN 858560). Das Unternehmen gehört zu den größten Pharmaherstellern der Welt. Nächste Woche legt die Geschäftsführung die Quartalszahlen vor. Aktuell herrscht kurstechnisch gesehen Vorfreude. Die kann, die Erfahrung zeigt es, bei der kleinsten Enttäuschung allerdings in Abgabebereitschaft und Kursverluste umschlagen.

An den langfristigen Aussichten dürfte das aber wenig ändern. Denn schon die Vergangenheit zeigt, dass das Unternehmen gut geführt ist und sich die Produkte aus dem Hause Eli Lilly großer Nachfrage erfreuen. Der Langfristchart ist wie aus dem Bilderbuch, ganz besonders vor dem Hintergrund der Börsenturbulenzen der letzten Monate. Dabei hatten sich kurze Rückschläge noch jedes Mal als interessante Kaufgelegenheiten herausgestellt. Es gibt wenig Gründe, die darauf hindeuten, dass sich daran kurzfristig etwas ändern wird.

Konkurrenz für Tesla

Verzettelt sich Tesla-Gründer Elon Musk? Das Unternehmer-Genie tanzt auf vielen Hochzeiten gleichzeitig: Er startet Raketen, träumt vom Mars-Flug, will die Ukraine mit seinen Starlink-Satelliten retten, twittert wie ein Weltmeister und möchte den Kurznachrichtendienst gleich ganz kaufen, kurz darauf aber doch nicht, dann wieder schon und zwar bereits am übermorgigen Freitag, angeblich, gerüchteweise …

Unterdessen beginnt der Aktienkurs seines Elektroauto-Unternehmens Tesla (WKN A1CX3T) zu torkeln. Nach dem Höhenflug im Herbst letzten Jahres ist die Notierung unter hoher Volatilität wieder auf den Stand zurückgefallen, auf dem sie sich bereits im Herbst des vorletzten Jahres befand. Die schlechten Nachrichten hören derweil nicht auf:

Nachdem den Investoren der neue Tesla-Geschäftsbericht letzten Donnerstag missfallen hatte und Kursverluste auslöste, wird nun bekannt, dass Tesla auf dem chinesischen Markt die Preise für die Elektroauto-Modelle 3 und Y senkt. Als einen Grund für die Preissenkung vermuten Anleger die wachsende Konkurrenz durch Chinas Autoproduzenten BYD, Nio und SAIC Motor.

Weiterhin hoch bleiben dagegen die Preise für Lithium. Der Käuferwettbewerb um das Schlüsselmetall zur Batterieherstellung wird heftiger, da immer mehr Hersteller ihre Produktion von E-Autos ausweiten. Analysten versuchte Elon Musk letzte Woche zu beruhigen: Die Preise für die meisten Rohstoffe würden nächstes Jahr fallen. Wie der Tesla-Aktienkurs zeigt, lassen sich Anleger von solchen Durchhalteparolen derzeit aber nur wenig beeindrucken, auch wenn sie aus dem Munde eines Unternehmer-Genies kommen. Die Aussichten für Tesla trüben sich ein.

Zu den Märkten

Trotz anstehender EZB-Zinserhöhung hat der DAX weiter Rückenwind. Wieder einmal stellt sich die Frage, wie viele der negativen Nachrichten und Aussichten bereits in den Kursen enthalten sind. Je weiter der Markt nach oben zieht, desto größer wird allerdings die Gefahr einer negativen Überraschung. Auch charttechnisch kommt der deutsche Blue Chips Index nun in eine entscheidende Phase. Die vom Januar-Top herunterführende Abwärtslinie ist mit dem heutigen Handelstag erreicht. Sie ist bedeutsam, weil sie auf drei Punkten aufliegt und die letzte Bärenmarkt-Rally kurz vor dieser Linie jäh gestoppt wurde. Nach einem Kursplus von rund 1.400 Punkten könnte man also durchaus erwarten, dass dem Markt an dieser Linie erneut die Luft ausgehen wird, zumal die Abwärtslinie auch als Bestandteil eines fallenden Dreiecks interpretiert werden kann, und das ist eine negative Formation. Ein Selbstläufer ist eine solche Prognose allerdings nicht. Denn sollte die Linie überwunden werden, dann könnte sich das Kursgeschehen sogar noch einmal nach oben dynamisieren. Dann wäre sogar die fallende 200-Tage-Linie in Griffweite. Fragen der technischen und fundamentalen Situation des DAX erörtern wir auch wieder ausführlich im neuen Smart Investor 11/2022, der zum Wochenende erscheint. Auch wenn angesichts der desolaten fundamentalen Gemengelage derzeit wenig für einen nachhaltigen Aufschwung bei deutschen Aktien spricht, im Prinzip genügt die Aussicht auf ein Ende der Liquiditätsverknappung durch die Notenbanken, um hier weitere Kursfantasie zu entzünden. Das könnte dann sogar nahtlos in einen Crack-up-Boom übergehen.


Bald ist es so weit

Pünktlich zum Wochenende erscheint der neue Smart Investor 11/2022, traditionell mit dem großen Kapitalschutzreport. Diesmal beschäftigen wir uns nicht nur mit möglichen künftigen Marktbewegungen, wir zeigen auch, welche umfangreichen Enteignungsmaßnahmen schon jetzt in Gesetzesform gegossen sind und nur darauf warten, von der Politik aktiviert zu werden. Wenn es um den Kapitalerhalt geht, entwickelt sich der Staat immer mehr zum Gegenspieler der Anleger. SPD-Chefin Esken brachte zuletzt sogar eine Vermögenssteuer für den Aufbau der Ukraine ins Spiel. Dass es mit den Staatsfinanzen auch ohne die großzügige Unterstützung fremder Länder nicht zum Besten steht, ist ebenfalls Thema der November-Ausgabe. Zudem besuchen wir mit San Marino das „andere Italien“ und arbeiten heraus, warum sich Geduld an den Edelmetallmärkten letztlich doch noch lohnen dürfte.

Musterdepots & wikifolio

In der Rubrik Musterdepots & wikifolio berichten wir heute über unsere Musterdepots und über die Entwicklung in unserem wikifolio „Smart Investor – Momentum“. Sie können sich dort durch einfaches Blättern einen schnellen Überblick über die Transaktionen der letzten Wochen verschaffen. Um diesen Bereich lesen zu können, müssen Sie Abonnent des Smart Investor Magazins sein und sich auf der Smart-Investor-Website einloggen. Sollten Sie Ihr Passwort vergessen haben, fordern Sie bitte ein neues bei abo@smartinvestor.de an.

Fazit

Unabhängig von den Schlagzeilen, die die Medien beherrschen, bleibt die Politik der Notenbanken die bestimmende Einflussgröße für die Märkte. Oder wie André Kostolany es so trefflich formulierte „Ka Geld, ka Musik“.

Frank Sauerland, Ralph Malisch

Smart Investor 10/2022:

Titelstory: Immobilien – Bröckelndes Betongold

Energiepolitik: Droht Deutschland ein Horrorwinter?

Work-Life-Balance: Im hohen Norden winkt das Glück

Düngermarkt: Auch der Boden will gefüttert sein

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Die Charts wurden erstellt mit Guidants und Tai-Pan von Lenz+Partner. Diese Rubrik erscheint jeden Mittwochnachmittag.

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