Goldene Zeiten

Titelbild: © fergregory – stock.adobe.com

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Indizien für einen neuen Bullenmarkt bei den Edelmetallen

An Tagen wie diesen …

Es gibt immer wieder Tage, die aus dem Strom der Zeit herausragen. Lenin wird in dieser Hinsicht ein bemerkenswerter Satz zugeschrieben: „Es gibt Jahrzehnte, in denen nichts passiert, und es gibt Wochen, in denen Jahrzehnte passieren.“ Auch, wenn wir als Börsianer maximal weit vom Leninismus entfernt sind, das Phänomen, dass es bewegte und weniger bewegte Zeiten gibt, lässt sich gerade auch an den Börsen nicht bestreiten. Eine außergewöhnlich bewegte Woche haben wir gerade miterlebt. Es begann mit der Fed-Sitzung vom vergangenen Mittwoch. Deren Ausgang stand bei unserem letzten Newsletter zwar noch nicht fest, aber die Offiziellen der US-Notenbank taten alles, um die Markterwartung auf jenes Plus von 75 Basispunkten einzustellen, das dann auch realisiert wurde. Dass der Zinsschritt vom vergangenen Mittwoch dennoch nicht zum Non-Event wurde, lag an den Bemerkungen von Fed-Chef Jerome Powell. Denn der machte die Hoffnung erst einmal zunichte, dass der vierte Zinsschritt um satte 75 Basispunkte in Folge auch der letzte gewesen sein könnte. Zwar deutete er die Möglichkeit einer Verlangsamung seiner Zinserhöhungspolitik an, aber eben nur als Möglichkeit. Priorität habe für ihn weiter die Inflationsbekämpfung und da sei es „sehr verfrüht“, bereits jetzt über eine Pause bei den Zinserhöhungen nachzudenken.

Schockmoment

Für die Märkte war das genau die Botschaft, die sie nicht hören wollten. Denn bis zur Pressekonferenz war die allgemeine Erwartung, dass die Fed künftig allenfalls noch mit einigen wenigen und vor allem kleineren Zinsschritten straffen werde, ansonsten aber die Wirkung der bisherigen Zinsschritte abwarten werde. Insbesondere die US-Technologiebörse zeigte sich von den Aussagen des großen Vorsitzenden verschnupft, um nicht zu sagen schockiert. Der NASDAQ 100 brach im späten Handel nicht nur um -3,4% ein, sondern landete auch unter der Marke von 11.000 Punkten, die damit ein weiteres Mal angekratzt wurde. Während der Erholung der Folgetage konnte diese Marke zwar zurückerobert werden – aktuell liegt der Index wieder knapp darunter. Insgesamt blieb diese Gegenbewegung zudem blutleer, wie sich auch an den kleinen Kerzenkörpern dieser Tage zeigte, die in starkem Kontrast zur Abwärtskerze vom Mittwoch steht. (vgl. Abb.).

Weiter offenes Rennen

Auch der heutige Tag könnte an den US-Börsen für einige Aufregung sorgen. Denn gestern fanden in den USA die sogenannten Midterms statt. Bei diesen Zwischenwahlen wird zur Hälfte der Amtszeit des US-Präsidenten ein Teil der Sitze im Senat und Repräsentantenhaus neu besetzt. Das hat schon für manchen Amtsinhaber zu der misslichen Situation geführt, dass er in der zweiten Hälfte der vierjährigen Amtszeit zu einer lahmen Ente („lame duck“) wurde, weil er gegen eine Mehrheit in einem oder gar beiden Häusern regieren musste. Angesichts der, gelinde gesagt, wenig glücklichen Amtsführung durch Joe Biden rechneten zahlreiche politische Analysten mit einem regelrechten Erdrutschsieg der Republikaner („red wave“). Rot, für europäische Beobachter etwas verwirrend, ist dabei die Farbe der Republikaner, während die Demokraten die Farbe Blau tragen. Nach aktuellem Stand der Auszählung ist die rote Welle allerdings ausgeblieben. Relativ sicher dürfte den Republikanern das Repräsentantenhaus sein, im wichtigeren Senat besteht jedoch weiter ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Erneut soll es zudem etliche Wahlpannen gegeben haben, was nach dem Desaster der 2020er Präsidentschaftswahl schlicht ein Armutszeugnis ist. Zumindest ist es schwer verständlich, dass in einem Land, das technologisch in vielen Bereichen führend ist, das Abhalten einer landesweiten Wahl und die korrekte Auszählung der Stimmzettel noch immer solche Schwierigkeiten bereiten. Als Bürger einer Republik, in deren Hauptstadt Berlin man mit dem Abhalten einer korrekten Wahl zuletzt allerdings ebenfalls überfordert war, halten wir uns mit der Kritik an „amerikanischen Verhältnissen“ allerdings zurück. 

Vorgezogene Kandidatenkür?

Am frühen Nachmittag zeigten sich die US-Futures jedenfalls weiter abwartend mit Tendenz nach unten, was sich jedoch abrupt ändern könnte, sobald die politische Unsicherheit gewichen ist. Der Ausgang der Zwischenwahlen dürfte jedenfalls erheblichen Einfluss auf die Kandidatenkür für die US-Präsidentschaftswahl 2024 haben. Während bei den Demokraten Amtsinhaber Joe Biden ernsthaft eine zweite Amtszeit in Erwägung zieht, dürften die Republikaner das Ergebnis auch im Hinblick auf die weiteren Ambitionen Donald Trumps genau beobachten. Der hatte bereits im Vorfeld eine bedeutende Mitteilung angekündigt, wohl davon ausgehend, dass ihn die „red wave“ als eindeutigen Sieger nach oben spülen werde. Deutlich gestärkt ist dagegen Ron DeSantis aus der Wahl hervorgegangen, der als Gouverneur des Bundesstaates Florida eindrucksvoll bestätigt wurde.

Mega-Entlassung bei Meta

Ein Schlaglicht auf den Zustand der US-Wirtschaft im Allgemeinen, speziell aber auf das Missmanagement bei Meta Platforms (ehem. Facebook) im Besonderen, lieferte die Ankündigung von Meta-Chef Mark Zuckerberg rund 13% der Belegschaft bzw. 11.000 Mitarbeiter zu entlassen. Damit übernimmt er, wie das so schön heißt, „Verantwortung“ für seinen vorangegangenen Überoptimismus, der zu einem zu starken Belegschaftsaufbau geführt hatte. Allerdings vermied es Zuckerberg jenes Projekt Meta Platforms beim Namen zu nennen, das für die eigentliche Malaise beim Social-Media-Giganten steht und zu allem Überfluss auch noch ohne Not zum neuen Unternehmensnamen gemacht wurde. Auf die Ankündigung hin ging es für die zuletzt stark gebeutelte Aktie heute gegen den Trend nach oben. Die Börse feiert also bei einem ehemaligen Vorzeigeunternehmen des Tech- und Growth-Bereichs die angekündigte Gesundschrumpfung. Deutlicher könnte man den Stimmungsumschwung kaum illustrieren.

Unbekannte Großkäufer

Der wesentliche Stimmungsumschwung fand allerdings in einem anderen Bereich statt. Im Prinzip gehörte der Edelmetallsektor zu den Totgesagten des Marktes. Trotz Hochinflation und Krieg in Europa kamen Gold und Silber nicht in die Gänge, die Minenaktien schon gar nicht. Auch dieser Sektor litt nach den Powell-Statements und verlor – gemessen am NYSE Arca Gold Bugs Index am Mittwoch fulminante -5,9%. Am Donnerstag ging es um weitere -3,5% nach unten und es schien fast so, als würde der Index neue Bewegungstiefs ansteuern. Doch am Freitag wandelte sich das Bild schlagartig. Der Gold Bugs Index machte einen Kurssprung um +10,3%. Das lag sicher nicht nur an der Internationalen Edelmetall- & Rohstoffmesse, die an diesem Tag erstmals seit 2019 wieder die Pforten für das Publikum in München öffnete. Spaß beiseite. Einer der Gründe für den Kurssprung war ein Bericht des World Gold Council, in dem darauf hingewiesen wurde, dass die Notenbanken im dritten Quartal 399 Tonnen Gold gekauft hätten, was fast doppelt so viel sei, wie im bisherigen Rekordquartal. Knapp ein Viertel sei an öffentlich unbekannte Institutionen gegangen, was die Spekulation zusätzlich anheizte.

Fragen von Ethik und Glaubwürdigkeit

Einem alten Börsenbonmot zufolge sollte man sich nie gegen die Notenbank stellen („Never fight the Fed!“), schon gar nicht, wenn gleich ein ganzer Geleitzug von Notenbanken derart eindeutig handelt. Was der Sache ein zusätzliches G’schmäckle verleiht, ist der Umstand, dass es eben diese Notenbanken sind, die durch ihre eigene Zinserhöhungspolitik den Goldmarkt in Schach gehalten haben, während sie selbst massiv kauften. Über Fragen von Ethik und Glaubwürdigkeit sollte man in einem Fiatgeldsystem lieber nicht allzu intensiv nachdenken.

Neuer Bullenmarkt

Daneben gibt es zwei weitere Hinweise für den Beginn eines neuen Bullenmarktes beim Gold: Technisch ist es der Kurssprung vom vergangenen Freitag selbst. Diesen würden wir nicht als eine Bärenmarktrally ansehen. Denn zum einen war Gold in den meisten Währungen – außer dem US-Dollar – ohnehin nicht in einem echten Bärenmarkt, zum anderen starten Bullenmärkte oft mit genau einem solchen extrem starken Tag, an dem sich das Gesamtbild schlagartig verändert. Die Kursbewegungen der Folgetage scheinen diese Einschätzung zu bestätigen, denn nach kurzer Verschnaufpause ging es erneut kräftig nach oben. Mit dem gestrigen Aufwärtsschub schloss der Gold Bugs Index dann sogar seine Bodenbildung ab. Zum anderen ist die Reaktion der Aktien auf Nachrichten zu nennen. So legte Goldgigant Barrick Gold zuletzt lediglich gemischte Zahlen vor. Das Unternehmen kämpfte mit einer niedrigeren Produktion, höheren Kosten und niedrigeren Goldpreisen. Dennoch quittierten die Marktteilnehmer den Quartalsbericht mit einem weiteren Kurssprung. Sollte der Run in den US-Dollar zudem einen vorläufigen Gipfel erreicht haben, wäre das weiterer Treibstoff für den Goldpreis.

Zu den Märkten

In der Berichtswoche fiel der DAX noch einmal unter das Ausbruchsniveau der abwärts gerichteten Trendlinie zurück. Allerdings währte dieses Zwischenspiel lediglich einen kurzen Donnerstag lang. Am Freitag brach der deutsche Leitindex dann erneut und unter hohen Umsätzen über die Abwärtslinie nach oben aus. Damit ist der Ausbruch nun getestet und bestätigt. Allerdings befinden wir uns nach diesem Ausbruch nicht auf neuen Allzeithochs, sondern inmitten einer breiten Widerstandszone. Zudem ist die Kursbewegung seit Anfang Oktober relativ steil, so dass es der Anstieg erst einmal verdaut werden sollte. An dieser Sichtweise würde sich allerdings etwas ändern, wenn weitere Notenbanken, wie schon die Bank of England, in ihren Bemühungen zur Eindämmung der Inflation nachlassen würden. Die EZB betreibt in der Sache ohnehin vor allem Symbolpolitik, so dass die Eurozone für einen Crack-up-Boom geradezu prädestiniert wäre. Auch sollte man im Hinterkopf behalten, dass schon die Aussicht auf Verhandlungen beim Krieg um die Ukraine die Märkte stark nach oben treiben sollte, die Aussicht auf ein Wiederaufbauprogramm ebenfalls.

Musterdepots & wikifolio

In der Rubrik Musterdepots & wikifolio berichten wir heute über zwei neue Transaktionen in unserem Aktien-Musterdepot und über die Entwicklung in unserem wikifolio „Smart Investor – Momentum“. Sie können sich dort durch einfaches Blättern einen schnellen Überblick über die Transaktionen der letzten Wochen verschaffen. Um diesen Bereich lesen zu können, müssen Sie Abonnent des Smart Investor Magazins sein und sich auf der Smart-Investor-Website einloggen. Sollten Sie Ihr Passwort vergessen haben, fordern Sie bitte ein neues bei abo@smartinvestor.de an.

Russische ADRs – Feedback

Hinsichtlich unserer Gazprom-ADRs hat uns erneut Feedback unserer Leser erreicht. Ein Leser wies darauf hin, dass die Übertragung der ADRs eines russischen Unternehmens (Phosagro) an die kasachische Freedom Finance gelungen sei. Das allerdings ist nur ein erster Schritt auf diesem Weg, da auch die bei Freedom Finance umgewandelten Originalaktien derzeit noch einem Handelsverbot unterliegen. Dagegen wurde die Übertragung anderer ADRs abgelehnt, zum Teil weil diese Unternehmen direkt sanktioniert werden.
Eine weitere Engpassstelle für die Umwandlung und einen späteren Verkauf der Originalaktien scheint weiter Clearstream zu sein. In der Mitteilung vom 3.11.22 heißt es dazu auf der Webseite von Clearstream:
„Im Anschluss an die Mitteilungen D22061 und D22052 informiert der Zentralverwahrer Clearstream Banking seine Kunden, dass aufgrund von Umständen, die außerhalb des Einflussbereichs der Clearstream Banking AG (CBF) liegen, derzeit keine Möglichkeit besteht, DR-Bestände in zugrunde liegende russische Aktien umzuwandeln, die über die direkte CSD-Verbindung der CBF zur DTCC gehalten werden.“ (eigene Übersetzung)
Aus diesem Amtsdeutsch bzw. im Original Amtsenglisch wird man spätestens dann nicht mehr richtig schlau, wenn in einem Halbsatz gleich drei kryptische Kürzel enthalten sind – CSD, CBF und DTCC. Service geht anders.

Fazit

Die Wende an den Edelmetallmärkten scheint vollzogen. Mit Euphorie sollte man dennoch – wie immer an der Börse – zurückhaltend sein.

Ralf Flierl, Ralph Malisch

Smart Investor 11/2022:

Titelstory: Kapitalschutzreport 2022

Staatsfinanzen: Es brennt an allen Ecken und Enden

Konferenzen: World of Value & Ludwig von Mises

Edelmetalle: Geduld bleibt das Gebot der Stunde

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Die Charts wurden erstellt mit Guidants und Tai-Pan von Lenz+Partner. Diese Rubrik erscheint jeden Mittwochnachmittag.

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