Wachsende Unsicherheit

Titelbild: © mitifoto – stock.adobe.com

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Nach dem Ende eines außergewöhnlich starken Jahresauftakts

Starke zweite Reihe

Viele Beobachter sahen staunend, welche Stärke die Märkte im nun abgelaufenen ersten Monat des Jahres 2023 entwickelt haben. Dennoch war dies in gewisser Hinsicht ein Nischenphänomen. Denn lange nicht jeder Markt konnte Rekordzuwächse verbuchen. Besonders stark, und auch das dürfte auf die hiesige Stimmung abgefärbt haben, entwickelte sich der MDAX, der sogar noch den schon starken DAX deutlich hinter sich ließ. Wir betrachten solche relativen Entwicklungen regelmäßig in einer eigenen Smart-Investor-Rubrik „Relative Stärke“, im aktuellen Februar-Heft zu finden auf S. 41. Die Besonderheit der dortigen Sicht besteht darin, dass die Relativbewertungen dort auf Euro-Basis gezeigt werden. Die Euro-Stärke der letzten Wochen begünstigte entsprechend alle ursprünglich in Euro denominierten Anlagen und belastete entsprechend US-Anlagen bzw. in US-Dollar denominierte Anlagen.

Noch kein Favoritenwechsel

Aber auch ohne Berücksichtigung der Währungsverschiebungen sehen die US-Indizes deutlich schwächer aus. Charttechnisch ist der S&P 500 gerade erst dabei den Abschluss einer Bodenbildung zu versuchen, während sich im NASDAQ 100 sogar überhaupt erst seit Januar eine ernsthafte Rückkaufneigung zeigt. An der unterschiedlichen Steilheit der beiden Charts seit Jahresbeginn lässt sich dieser Effekt besonders gut erkennen. Der S&P 500 legte im Januar +6,6% zu, der NASDAQ 100 kam auf statte +11,4%. Ob das bereits das von vielen ersehnte Tech-Revival ist, bleibt erst einmal fraglich. Denn die Aufholjagd ist beim NASDAQ 100 auch ein Reflex auf die vorangegangenen höheren Verluste, so dass aus dieser Perspektive das „Gummiband“ für ein Zurückschnalzen stärker gespannt war. Bei einer grundsätzlich wesentlich stärkeren Kursentwicklung sind regelmäßig auch größere Rückschläge, also eine höhere Volatilität, zu erwarten. Dieser Umstand allein deutet jedoch noch nicht auf einen Favoritenwechsel. Erst falls die Tech-Werte im nächsten Aufschwung hinterherhinken würden, müsste man in diese Richtung denken.

Worte, die zählen

Vor dem Hintergrund der weiteren Notenbankpolitik können solche Überlegungen allerdings schnell zur Makulatur werden. Diese Woche steht erneut im Zeichen der großen Notenbanken, namentlich der US-amerikanischen Fed am Mittwochabend und der EZB am Donnerstag. Bei der Fed sind sich die Marktbeobachter ziemlich sicher, dass eine Zinserhöhung um weitere 25 Basispunkte verkündet werden wird. Sollte dies tatsächlich so eintreffen, dann wäre die Maßnahme selbst für die Märkte ein Nicht-Ereignis, weil diese im Vorfeld ausreichend Zeit hatten, sich darauf einzustellen. Fed-Chef Powell zeigte sich in der Vergangenheit sehr zuverlässig darin, das zu liefern, was der Markt erwartete Das war allerdings kein besonderes Kunststück, weil der Markt erwartete, was Powell angekündigt bzw. angedeutet hatte. Worauf sich die Märkte allerdings nicht einstellen können, sind die anschließenden Pressekonferenzen. Hier zählt bekanntlich jedes Wort und das kann marktbewegend werden.

Neuer Spielraum für Powell

Vor dem Hintergrund der zuletzt starken Kursentwicklung erscheint aktuell das Enttäuschungspotenzial größer als der Spielraum für positive Überraschungen. Die Märkte gehen schon jetzt, und möglicherweise verfrüht, von einem sogenannten Soft Landing aus. Zusätzlich angeheizt wurde diese Stimmung durch die IWF-Prognose vom Dienstag, die allgemein als positive Überraschung bewertet wurde. Jerome Powell und die Fed werden sich von solchen Zahlen allerdings nicht im Sinne der Märkte beeindrucken lassen. Im Gegenteil wird aus der Robustheit der Wirtschaft wohl eher der Hinweis herausgelesen, dass die Inflationsgefahr noch nicht gebannt ist. Die Ankündigung von Lockerungen wird vor dem Hintergrund guter Wirtschaftsdaten also unwahrscheinlicher. Mehr noch: Je weniger man bei der Fed mit der Gefahr einer unmittelbar bevorstehenden schweren Rezession konfrontiert ist, desto beherzter kann man dort weiter gegen die Inflation vorgehen.

Falken und Tauben

Während Powell bislang eine klare Linie mit eindeutigen Prioritäten verfolgt, laviert die EZB unter Christine Lagarde seit Monaten zwischen einer anfänglichen Leugnung des Inflationsproblems und Maßnahmen der Kategorie „zu wenig, zu spät“. Manche Medien nehmen Lagarde sogar insofern in Schutz, als sie auf ihren Chefvolkswirt Philip Lane gehört habe, der zu den geldpolitischen Tauben gehöre. Was als Entschuldigung für die unglücklich agierende Lagarde gedacht war, deutet auf ein grundsätzliches Dilemma: Lagarde ist allenfalls im Nebenjob Geldpolitikern – eine Ungelernte noch dazu –, im Hauptjob aber Politikerin, und zwar eine ziemlich durchsetzungsstarke bzw. skrupelarme. Das Spitzenamt der EZB wurde sehr bewusst politisch und nach Länder- bzw. Geschlechterproporz besetzt, nicht aber nach Expertise. Entsprechend ist die Geldwertstabilität, Hauptsorge ihres US-amerikanischen Gegenstücks Powell, für Lagarde im Moment nur ein Randthema. Ihr geht es um den Zusammenhalt der Eurozone und für den sind steigende Zinsen Gift.

Schwacher „sicherer Hafen“

Da fügt es sich gut, dass der EZB seit Wochen und ohne eigenes Zutun eine eindrucksvolle Euro-Stärke in den Schoß gefallen ist. Im Wesentlichen ist diese wohl eine Kriegsfolge – so, wie die US-Dollar-Stärke zuvor paradoxerweise auch eine Kriegsfolge war. Während die Märkte zunächst auf das „Safe Haven“-Argument setzten und die Distanz der USA zum europäischen Kriegsgeschehen ein wichtiges Argument war, kehrte sich die Sichtweise in den letzten Monaten um: In dem Maße, wie sich die Welt in eine US-/NATO-Sphäre und eine BRICS-Sphäre teilt, und selbst langjährige Verbündete der USA wie Saudi-Arabien bei der Frage der Abwicklungswährung ihrer Ölexporte auf Distanz zum US-Dollar gehen, kommt dieser unter Druck. Ein Gutteil der Dollar-Stärke war eben nicht nur dem „Sicheren Hafen“ geschuldet, sondern auch dem Bestand des Petrodollar-Systems. Mit dem Ukraine-Krieg und mehr noch mit der Sanktionspolitik war der Angriff auf das Währungsprivileg der USA durch Russland, China & Co. eine fast logische Konsequenz.

Weiches Metall, aber härter als Papier

Damit leiden beide Papierwährungen unter schweren Lasten: Was für den Euro die Gefahr des Auseinanderbrechens der Eurozone ist, ist für den US-Dollar die internationale Abkehr vom US-Dollar als der führenden Transaktions- und Verrechnungswährung, zumindest in einem Teil der Welt, der perspektivisch der größere Teil dieser Welt sein wird. Auch vor diesem Hintergrund erklärt sich die Stärke des Goldes, die in US-Dollar (Abb., blaue Linie) allerdings wesentlich eindrucksvoller ausfällt als im Euro (violette Linie). In der unterschiedlichen Kursentwicklung steckt natürlich die Kursverschiebung zu Lasten des US-Dollar, wobei die tendenzielle Gegenläufigkeit der Kursentwicklung von Dollar und Gold ein über viele Jahrzehnte zu beobachtendes Muster ist. Unabhängig davon, dass sich der Goldpreis nun eine Verschnaufpause verdient haben könnte, bleibt der Run auf das weiche Metall, dass so viel härter ist als jede Papierwährung, wohl ein längerfristiges Phänomen. Im Westen sind es dabei mehr die Privatleute, die sich auf diese Weise der Entwertung ihrer Ersparnisse durch das herrschende Fiatgeldsystem entziehen wollen, in der BRIC-Region sind es die Regierungen selbst, die ihre Währungsreserven zuletzt deutlich um Gold ergänzt haben.

Tage der Tech-Entscheidung

Aber nicht nur die Notenbanken nehmen in diesen Tagen erheblichen Einfluss auf das Kursgeschehen. Aktuell läuft auch die Berichtssaison auf Hochtouren. In den USA meldet heute Facebook-Betreiber Meta Platforms seine Zahlen. Morgen sind gleich drei Tech-Schwergewichte an der Reihe: Apple, Alphabet und Amazon, wobei alle drei Aktien in einem bemerkenswerten Gleichklang laufen, wenn auch die Amplituden und Trends unterschiedlich ausgeprägt sind. Bislang war die Berichtssaison per Saldo recht ordentlich. Natürlich gibt es immer wieder auch negative Überraschungen, aber einige der Flaggschiffunternehmen haben sich prächtig geschlagen. So konnte Tesla just in dem Moment positiv überraschen, als dessen Chef Elon Musk mit Hass und Häme geradezu überschüttet wurde (vgl. Smart Investor Weekly vom 25.1.23 ). Seit ihrem Tief am 6. Januar legte die Aktie in der Spitze rund +77% zu, wobei der letzte Teil des Aufwärtsschubs den überraschend positiven Quartalszahlen zu verdanken war.

Zu den Märkten

Auch in der abgelaufenen Berichtswoche verdaute der DAX seinen vorangegangenen Anstieg. Seit den Tiefs im Oktober hat der deutsche Leitindex mehr als 3.000 Punkte bzw. +28% zugelegt. Da ist eine etwas ruhigere Gangart völlig normal. Vor den Notenbanksitzungen scheint es zudem auch nur eine geringe Bereitschaft zu geben, größere Wetten einzugehen, sodass die gerade laufende Konsolidierung auch sachlich zu begründen ist. Rein technisch sieht das Kursbild im Moment nach einer klassischen Konsolidierung aus, die nach Standarderwartung in Richtung des vorangegangenen Trends – also nach oben – aufgelöst werden sollte. Dann wären die bisherigen Allzeithochs das logische nächste Kursziel. An dieser Vorzugsrichtung dürfte sich allerdings dann etwas ändern, wenn die aktuelle Lage im Kampf gegen die Inflation von den Notenbanken am Mittwoch (Fed) oder Donnerstag (EZB) „hawkisher“ kommentiert würde, als im Moment erwartet. Jerome Powell von der Fed trauen wir das allemal zu, zumal er schon bisher keinen Hehl daraus gemacht hat, dass ihm die „teuflische Rally“ ein Dorn im Auge ist. Bei der EZB überwiegen dagegen klar die Tauben. Sie bleibt eine Getriebene von Fed-Zinspolitik, Wechselkursveränderungen sowie der Inflationsentwicklung und wird auch weiter nur das Notwendigste tun. Da kommt es den Frankfurtern wie gerufen, dass der inländische Preisauftrieb durch die Euro-Stärke gedämpft wurde, was den Handlungsdruck in Richtung auf eine weitere Straffung der Geldpolitik erst einmal abnehmen lässt.

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Am 17. und 18. März öffnet die Stuttgarter „Invest“ Ihre Tore für das Publikum. Die Leitmesse für Anleger bietet auch dieses Jahr Orientierung über aktuelle Entwicklungen, eine Vielzahl interessanter Vorträge führender Experten sowie die Möglichkeit zum Austausch mit Gleichgesinnten. Ein Format, das Sie keinesfalls verpassen sollten. Als Leser des Smart Investor Weekly, können Sie an der Veranstaltung sogar kostenlos teilnehmen. Um Ihr gratis Online-Ticket abzurufen, gehen Sie bitte wie folgt vor:
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Musterdepots & wikifolio

In der Rubrik Musterdepots & wikifolio berichten wir heute über unsere Transaktionen in den Musterdepots sowie über die Entwicklung in unserem wikifolio „Smart Investor – Momentum“. Sie können sich dort durch einfaches Blättern einen schnellen Überblick über die Transaktionen der letzten Wochen verschaffen. Um diesen Bereich lesen zu können, müssen Sie Abonnent des Smart Investor Magazins sein und sich auf der Smart-Investor-Website einloggen. Sollten Sie Ihr Passwort vergessen haben, fordern Sie bitte ein neues bei abo@smartinvestor.de an.

Fazit

Der Januar 2023 war einer der stärksten Jahresanfänge in der Geschichte der Börse. Wie es nun weitergeht, entscheidet weniger der Januar-Effekt, sondern die Maßnahmen der Notenbanken und die Gewinnentwicklung der Unternehmen.

Ralf Flierl, Ralph Malisch

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Die Charts wurden erstellt mit stock3 und Tai-Pan von Lenz+Partner. Diese Rubrik erscheint jeden Mittwochnachmittag.

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