Bankenkrise 2.0

Titelbild: © rarrarorro – stock.adobe.com

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Gekommen, um zu bleiben?

Vollständig pulverisiert

Noch in der letzten Ausgabe dieses Newsletters („In einem Meer von Schulden“) haben wir uns kritisch mit dem wundersamen Aufstieg des Bankensektors befasst. Dieser gehörte seit dem Jahreswechsel zu den stärksten Performern überhaupt – bis zur letzten Woche. Mit Hinweis auf die gestiegene Zinsmarge wurde für die Branche nach dem Ende der Niedrig-, Null- und Negativzinsphase eine rosige Zukunft gemalt. Zinsanstieg und Banken, war da nicht etwas? Richtig. Aber die Sorgen, die sich auf das Kreditportfolio der Institute bezogen, waren über Wochen wie weggeblasen. Die Hausse nährte die Hausse. Innerhalb einer Woche wurden die Kursgewinne der letzten beiden Monate vollständig pulverisiert. Dabei war die weniger erfreuliche Auswirkung eines Zinsanstiegs auf die Bankbilanzen auch während des Kursaufschwungs bekannt – und weiter relevant: Neben der neuen Leichtigkeit des Geldverdienens dank fetter Zinsmarge wuchs der Druck auf jene Kreditnehmer, die bislang nur aufgrund historisch niedriger Zinsen am Leben gehalten werden konnten. Dazu gehören neben Unternehmen, die wenig schmeichelhaft als Zombies bezeichnet werden, auch ganze Staaten. Deren Schulden befinden sich als fragwürdige Forderungen massenhaft in den Bankbilanzen. Mehr noch, auch wenn es für die bestehenden, niedrig verzinsten Kreditverhältnisse – im Gegensatz zu Anleihen – keinen Abschreibungsbedarf gibt, der wirtschaftliche Wert solcher Kreditportfolios sinkt mit steigenden Zinsen, was sich spätestens bei einem Weiterverkauf bemerkbar machen wird.

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Bittere Pillen statt Gratisessen

Dass die Zombies die erhöhten Margen nicht ganz so klag- und reibungslos würden bezahlen können, konnte man also erahnen. Schließlich ächzen schon seit Monaten die Häuslebauer unter dem Zinsanstieg, wobei diese Finanzierungen noch zum solideren Teil eines Kreditportfolios gehören. Immerhin sind die Kredite mit „Betongold“ abgesichert, auch wenn dieses nun sichtbar bröckelt. Schon die Niedrigzinsphase selbst war nicht der erhoffte „Free Lunch“ – weder für die Banken noch für die Staatshaushalte. Vor allem wurde der durch eine ultralockere Geldpolitik auf dem Rücken der Sparer künstlich geschaffene Spielraum nicht etwa für eine Konsolidierung von Bilanzen und Staatshaushalten genutzt, sondern für eine weitere gigantische Schuldenparty: Zwischen Politikern und Start-up-„Unternehmern“ schien es so etwas wie einen Überbietungswettbewerb zu geben, wer auf Basis schwachsinniger Ideen, das meiste Geld zunächst einsammeln und dann verbrennen kann. Natürlich liegt die Politik aufgrund langjähriger Erfahrung in dieser Disziplin uneinholbar vorne, die deutsche ganz besonders. In jedem Fall wurden durch die Niedrigzinspolitik keine Probleme gelöst, sondern lediglich die alten vertagt bzw. vergrößert, sowie massenhaft neue geschaffen.

Schönwetter-Risikomanagement

Diese Niedrigzinsphase rächt sich nun auf vielfältige Weise: So dürfte die Silicon Valley Bank (SVB), die den meisten Menschen hierzulande bis zu ihrem unrühmlichen Ende unbekannt gewesen sein dürfte, ein Opfer des „Risk Seeking“ während der Niedrigzinsphase geworden sein. Wer in einem renditelosen Umfeld investiert, muss zwangsläufig Risiken eingehen. Das wesentliche Risiko war, dass die Zinsen nicht ewig tief bleiben. Nun, die Zinswende kam, die SVB ging bzw. wurde gegangen. Am Freitag wurde die Bank geschlossen, nachdem zuvor Einlagen in Höhe von rd. 42 Mrd. USD abgezogen worden waren. Das ist ein Ansturm, unter dem sogar eine kerngesunde Bank in die Knie gegangen wäre. Das Schönwetter-Risikomanagement der Bank – bis zu ihrem Zusammenbruch immerhin die Nr. 16 des US-Bankwesens – schien für die offenen Flanken der eigenen Geschäftspolitik weit weniger sensibilisiert gewesen zu sein als für gesamtgesellschaftliche Themen und Fragen der Geschlechteridentität bzw. -gerechtigkeit. So viel und so gut sichtbares Engagement hinderte den CEO freilich nicht daran, kurz vor dem Kollaps auch einmal an sich selbst zu denken und reichlich SVB-Aktien zu verkaufen.

Erinnerungen an 2008

Natürlich wurden unmittelbar Erinnerungen an die Pleite von Lehman Brothers und die Finanzkrise 2008 wach. Die US-Regierung gab noch vor Börseneröffnung am Montag bekannt, dass die SVB-Einleger nicht um ihre Einlagen fürchten müssten. Nur die Aktionäre werden für ihren Wagemut wohl mit einem Totalverlust „belohnt“ werden. Auch die Signature Bank, eine US-Bank mit immerhin 40 Filialen, wurde behördlich geschlossen. Entsprechend war die Börsensitzung am Montag hochgradig nervös, wobei weitere Bankaktien wie First Republic und Western Alliance in den Abwärtssog gerissen wurden. Die Negativreaktionen setzten sich auch in Europa fort, wo insbesondere die Commerzbank Federn lassen musste. Das ist genau jenes Institut, das seit Jahresanfang zu den besten Performern des deutschen Kurszettels gehörte. Auch die Deutsche Bank war unter den großen Verlierern. Die Marktteilnehmer nehmen den Sektor also lange nicht als so robust wahr, wie uns das gerne eingeredet wird – Überreaktionen eingeschlossen. Zwar wurde betont, dass es sich insbesondere bei der SVB um ein Spezialinstitut gehandelt habe, und eine allgemeine Ansteckung wie im Jahr 2008 nicht zu befürchten sei, doch das Vertrauen ist erst einmal dahin. Auch wissen die Marktteilnehmer, dass es bei solchen Aussagen weniger um den Wahrheitsgehalt als um die Beruhigung von Märkten und Einlegern geht. Schließlich war auch Lehman Brothers – trotz seiner Größe – eher ein Spezialinstitut, allerdings auf dem Gebiet des aggressiven Zockens. Die Ansteckung blieb damals jedenfalls nicht aus. Nicht nur ist das Bankensystem grundsätzlich zu eng verwoben, als dass sich schon jetzt eine Ansteckung kategorisch ausschließen ließe. Auch ist diesmal mit der Tech-Branche ein weiterer und sehr wichtiger US-Wirtschaftszweig relativ direkt betroffen. Die SVB war die Bank der US-Tech-Unternehmen und -Start-ups. Am Dienstag kam es zwar zu einer deutlichen Erholung, doch schon heute brach der DAX erneut deutlich ein (s.u.).

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Die Inflation kann warten

Der heutige Kursrückgang wird mit Ängsten vor der morgigen EZB-Sitzung begründet. Ganz stimmig ist diese Begründung allerdings nicht, denn in einer solchen Situation sind von der EZB, wie auch von der Fed, eher positivere Impulse zu erwarten als dies ohne die aktuelle Malaise des Bankensektors der Fall gewesen wäre. Die einzig nachvollziehbare Angst bestünde darin, dass sich die Notenbanken zu schwerfällig von ihrem Anti-Inflationskurs lösen und zu langsam in den Bankkrisen-Modus zurückfinden. Tatsächlich sind sie in einer fast unauflösbaren Zwickmühle. Denn Vertrauen können sie nur mit Liquidität schaffen und die wird, insbesondere vor dem Hintergrund des letzten Jahres, erneut die Inflation anheizen. Vor die Frage gestellt, welches der beiden Ziele Priorität genießen dürfte, tippen wir klar auf die kurzfristige Schadenseindämmung im Bankenbereich.

Massen an Rauch

Falls man einen Blick auf Problembanken werfen will, muss man ohnehin nicht über den großen Teich schauen. Die Schweizer Credit Suisse Group (vgl. Smart Investor 3/2023) kommt schon seit Monaten nicht aus den Negativschlagzeilen heraus. Gegen den Trend des Sektors hat sich der Kurs schon vor der letzten Woche weiter stark abgewertet. So viel Rauch ist ohne Feuer gar nicht vorstellbar. Einst gehörten die Schweizer zur Crème de la Crème des Finanzplatzes Zürich, sind nach einem Kursverfall von mehr als 98% aber nur noch ein Schatten ihrer selbst. Nach einem Montags-Minus von rund 10% notierte das Papier heute zwischenzeitlich mit einem Abschlag von rund 30%. Zuletzt musste das Geldhaus „wesentliche Mängel“ in der finanziellen Berichterstattung für die Jahre 2021 und 2022 zugeben. Das sind genau die Nachrichten, die Anleger nicht hören wollen – bei Banken schon gar nicht. Denn in diesem Fall befeuerte ein solches Eingeständnis sofort Ängste hinsichtlich des Derivate-Buchs der Bank, die am Markt als wahres „Derivate-Monster“ wahrgenommen wird. Inzwischen errechnet sich aus den Credit Default Swaps (CDS) eine Pleite-Wahrscheinlichkeit für die Schweizer von rund 50%. Sollte sich die Bankenkrise ausweiten, sind auch Szenarien denkbar, die weit über eine akkommodierende Geldpolitik hinausgehen. Wir dürfen in diesem Zusammenhang auf den Beitrag „Der Great Reset beginnt“ in Smart Investor 9/2022 hinweisen, in dem insbesondere auch das sogenannte „Ice Nine“-Szenario angesprochen wird. Im kommenden Smart Investor 4/2023 werden wir uns diesem Themenkomplex ebenfalls widmen.

Gold glänzt, Silber strahlt

Nachdem wir nun ausführlich beschrieben haben, welche Titel besonders unter die Räder kamen, ist es interessant zu sehen, wo die Anleger Zuflucht gesucht haben. Wenig überraschend waren dies einmal mehr Edelmetalle. Dabei entwickelte sich Silber am Montag sogar besser als Gold und einige Edelmetallminen sogar noch einmal besser als Silber. Die Bewegung veranschaulicht, dass für den Silberpreis in einem solchen Moment weniger die industrielle als die spekulative Nachfrage entscheidend ist. Natürlich bleibt Gold, wie hier und insbesondere auch in den Kapitalschutzreports in unseren Smart Investor November-Ausgaben beschrieben, für risikoaverse Anleger erste Wahl, sowohl in Zeiten von Hochinflation als auch in Zeiten erheblicher Verspannungen des Finanzsystems. Immer schwieriger wird es allerdings, an nennenswerte physische Mengen zu gelangen, jetzt, da das Kind bereits auf dem Brunnenrand herumhampelt.

Krypto-Revival

Den Vogel schoss allerdings der Bitcoin ab, der am Montag nicht nur das Silber mühelos outperformte, sondern – im Gegensatz zu den Edelmetallen – am Dienstag zunächst weiter durchzog. Das ist keine Selbstverständlichkeit, denn in der Vorwoche strich mit Silvergate Capital ein prominentes Krypto-Unternehmen die Segel und gab seine Selbstabwicklung bekannt. Das warf zunächst lange Schatten auf die ganze Branche. Auch die Äußerungen von IWF-Direktorien Kristalina Georgieva, die in einem Bloomberg-Interview wissen ließ, dass sie am liebsten alle Kryptowährungen verbieten würde, wären geeignet gewesen, Druck auf den Markt auszuüben. Andererseits ist eine solche Einlassung auch fast so etwas wie ein Ritterschlag für die Kryptos. Beim IWF sieht man Bitcoin & Co. offenbar als derart ernste Konkurrenz für die maroden Fiatgeldsysteme, dass man sich nur noch durch eine Kriminalisierung der Kryptos zu helfen weiß. Was dem Bitcoin in den vergangenen Tagen ebenfalls zu Auftrieb verholfen haben dürfte, ist der Umstand, dass die SVB-Pleite besonders die Tech- und Startup-Szene tangiert. Wenn man hier an Alternativen zu US-Dollar und Euro denkt, dürften eher die Kryptos als die Edelmetalle ins Blickfeld geraten.

Zu den Märkten

Welchen Unterschied eine Woche macht: Während der DAX in den Vorwochen noch auf hohem Niveau lustlos vor sich hindümpelte, geht es beim deutschen Leitindex seit Montag buchstäblich zur Sache. Einem Absturz von gut -3% folgte am Dienstag eine kräftige Erholung um rund +1,8%. Heute geht es bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe erneut um knapp -3% bergab. Die beiden massiven Abwärtskerzen zerstören zunächst einmal die Hoffnung auf einen baldigen Kursaufschwung. Zudem sehen wir ein deutliches Anziehen der Volatilität, was auch Ausdruck der neuen Unsicherheit ist. Die in der Vorwoche beschriebene wichtige Unterstützung bei 15.150 DAX-Punkten wurde am Montag gebrochen, am Dienstag zurückerobert und nun erneut gebrochen. Damit ist der Bereich von ca. 15.150 bis 15.650 Punkten als massives Widerstandsband etabliert. Nur, falls die Notenbanken die Märkte erneut mit Liquidität fluten, erscheint uns eine Überwindung dieses Widerstandsbands im Rahmen eines echten Crack-up-Booms plausibel. Ansonsten wird der DAX nun erst einmal bestenfalls eine abwartende Haltung einnehmen, oder aber sogar noch deutlich weiter fallen. Die charttechnische Situation erinnert an ein sogenanntes „2B“-Muster, das von Victor Sperandeo („Trader Vic“) vor vielen Jahren populär gemacht wurde. Im Prinzip ist das ein gescheiterter Anlauf auf ein neues Hoch, ein gebrochener Aufwärtstrend und der anschließende Durchbruch durch eine Unterstützung. Negativ ist das allemal zu bewerten.

Invest Stuttgart – ab Freitag Spannung pur!

Diesen Freitag ist es so weit. Die „Invest“ öffnet für zwei Tage ihre Tore in Stuttgart. Gerade in diesen hochgradig unsicheren Zeiten bietet die Leitmesse für Anleger Orientierung, neue Ideen und eine Vielzahl interessanter Vorträge führender Experten. Nutzen Sie die Gelegenheit und tauschen Sie sich mit Gleichgesinnten vor Ort aus. Als Leser des Smart Investor Weekly können Sie an der Veranstaltung sogar kostenlos teilnehmen. Um Ihr gratis Online-Ticket abzurufen, gehen Sie bitte wie folgt vor:

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Musterdepots & wikifolio

In der Rubrik Musterdepots & wikifolio berichten wir heute über unsere neuen Transaktionen in den Musterdepots sowie über die Entwicklung in unserem wikifolio „Smart Investor – Momentum“. Sie können sich dort durch einfaches Blättern einen schnellen Überblick über die Transaktionen der letzten Wochen verschaffen. Um diesen Bereich lesen zu können, müssen Sie Abonnent des Smart Investor Magazins sein und sich auf der Smart-Investor-Website einloggen. Sollten Sie Ihr Passwort vergessen haben, fordern Sie bitte ein neues bei abo@smartinvestor.de an.

Fazit

Vor einer Woche sprachen wir an dieser Stelle von einem möglichen Überraschungspotenzial im Bankensektor. Nun hat sich dieses Potenzial realisiert. Möglich, dass es gelingt, die Wogen noch einmal zu glätten, wetten würden wir darauf nicht. Wenn einmal Blut im Wasser ist, agieren Märkte wie Haie. Wir bleiben vorsichtig.

Ralf Flierl, Ralph Malisch

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Die Charts wurden erstellt mit stock3 und Tai-Pan von Lenz+Partner. Diese Rubrik erscheint jeden Mittwochnachmittag.

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