Schere, Stein, Papier

Dr. Markus Krall

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Währungsreform / Goldstandard

Über die handstreichartige Abschaffung des Goldstandards und das kommende Ende der Leitwährungs-Seigniorage

Gastbeitrag von Dr. Markus Krall

Aus heiterem Himmel
Niemand hatte ihn kommen sehen, den 15.8.1971. Als er dann schließlich da war und der damalige Präsident der USA, Richard Nixon, seine berühmte Währungsrede hielt, in der er die Umtauschpflicht des US-Dollar in Gold aufkündigte, war die Aufregung zwar für ein paar Tage recht groß, ebbte dann aber schnell wieder ab. Zu wichtig war den Europäern und den anderen Verbündeten der USA der atomare Schutzschirm, als dass sie auf der Erfüllung eindeutig eingegangener vertraglicher Pflichten bestanden hätten. Aber was war passiert?

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte sich das Währungsgold der Welt in den USA angesammelt, weil diese ihre Waffenlieferungen an die Alliierten beileibe nicht als Spende gedacht hatten, sondern sich dafür bezahlen ließen – und zwar mit dem einzig wahren, echten Ding, nicht irgendwelchen bedruckten Banknoten, sondern Gold. 20.000 Tonnen, ein Drittel des damaligen Weltbestands, hatten sich in Fort Knox angesammelt. Die Europäer hingegen saßen auf dem Trockenen. Wie also ein neues, den internationalen Handel belebendes Währungssystem auf realer Basis etablieren, wenn eine Seite kein Gold hatte, um irgendetwas einzukaufen? Der Trick von Bretton Woods: Ab 1947 wurde nur der Dollar an das Gold gebunden, zu 35 USD pro Unze; alle anderen wurden an den Dollar gebunden, ein indirekter Goldstandard war etabliert.

Freche Franzosen und das Ende des Goldstandards
Er funktionierte, vor allem für die Europäer, weil die USA noch nie wirklich sparen konnten oder wollten. Sie rüsteten auf, führten Kriege in Korea und Vietnam, finanzierten ein Mondprogramm, legten mit Kennedy in den 1960ern ein riesiges Sozialprogramm auf und produzierten so ein gewaltiges Defizit, welches einen Importsog auslöste, der den Europäern und Japanern gewaltige Handelsbilanzüberschüsse ermöglichte. Die so verdienten Dollar tauschten sie bei den USA in Gold und sammelten so recht ansehnliche Goldschätze an, z.B. 3.400 Tonnen bei der Bundesbank. Der Bestand der USA schrumpfte bis Mitte 1971 auf 8.000 Tonnen – und Franzosen, Briten und Deutsche saßen noch auf genug Dollar, um auch die abzuholen.

Das empfand Präsident Nixon begreiflicherweise nicht als mit der Führung der freien Welt durch sein Land kompatibel. Den frechen Franzosen noch mehr Gold herauszurücken, nachdem de Gaulle kurz zuvor schon einmal ein Kriegsschiff zum Abholen geschickt hatte, war ohnehin nicht nach seinem Geschmack. Also fegte er die Umtauschpflicht mit einem Dekret vom Tisch. Die Leitwährungsfunktion des Dollar auf Goldbasis war damit zu Ende, aber eine neue Leitwährungsära begann, die es den USA ermöglichte, die Welt mit einem Tributsystem zu überziehen. Dieses ermöglichte im Laufe von 50 Jahren einen Wohlstandstransfer von gut 6 Bio., also 6.000 Mrd. USD nach heutiger Kaufkraft.

Zettelwirtschaft als Realpolitik
Wie war das möglich? Ganz einfach: Die Welt saß 1971 auf vielen Mrd. USD in den Zentralbankbilanzen. Diese wollte man nicht einfach abschreiben, indem man die USA für das erklärte, was sie waren, nämlich zahlungsunfähig, neudeutsch bankrott. Also machte man gute Miene zum bösen Spiel und taufte den Goldstandard in Gold-Devisen-Standard um. Gold und ausländische Währung, auch wenn es nur Papier war, war jetzt das neue Narrativ. Natürlich wussten die Chefs der Bundesbank, der Bank de France und auch der Bank of England, dass diese Zettelwirtschaft mit dem Fiatgeld Blödsinn, nicht werthaltig und auch nicht nachhaltig war, aber das nennt man eben Realpolitik. So wurde zum zweiten Mal im 20. Jahrhundert nach 1914 der Goldstandard im Handstreich abgeschafft und durch Zettelgeld ersetzt. Die Folgen sollten sich rasch einstellen.

Leitwährungs-Seigniorage
Denn die USA waren jetzt von allen Fesseln des Deficit Spending zulasten des Rests der Welt befreit. Was Staaten sonst nur mit ihren Bürgern machen können, nämlich Enteignung durch Inflation, das konnten die USA nun im globalen Maßstab betreiben: Defizite im Staatshaushalt fahren, sie mit Defiziten in der Handelsbilanz realwirtschaftlich abdecken und das Ausland mit frisch gedruckten Dollar bezahlen; in dem Wissen und der Absicht, diese mit dem Drucken immer neuer Dollar zu entwerten (Abb. 1). Die „Rückzahlung“ erfolgte über ebendiese Entwertung – ein ziemlich genialer Raubzug.

Diese Leitwährungs-Seigniorage wurde umso größer, je höher das akkumulierte, also im Laufe der Jahre immer weiter aufgesparte Defizit der USA wurde und je höher die Inflation im Land der Freien anstieg. Da das Defizit seit 1971 blieb, ist der erste US-Dollar, den das Land am 15.8.1971 für Importe realer Güter und Dienstleistungen bezahlt hat, immer noch im Ausland. Seitdem ist sein Wert in Gütern um 90% gefallen, in Gold gemessen sogar um 98%. Mit anderen Worten: Der Exporteur, der den Überschuss mit den USA erwirtschaftete, wurde fast komplett enteignet. Er bekommt heute für 35 USD nicht mehr eine Unze Gold (31,1 Gramm), sondern lediglich ein halbes Gramm. Bei Betrachtung des Gesamtvolumens dieser Enteignung kann man feststellen, dass sie umso größer wird, je höher das kumulierte Defizit der USA sich „aufspart“ und je höher die Inflation in den USA ist. Da sich das kumulierte Defizit seit 1971 auf über 15 Bio. USD beläuft, kommt da etwas zusammen, nämlich im Laufe der Zeit ein Wohlstandstransfer von etwa 6 Bio. USD, deutsche Billionen wohlgemerkt, also 6.000 Mrd. oder 6 Mio. x 1 Mio. nach heutiger Kaufkraft des US-Dollar. Allein 2021 und 2022 betrug der Transfertribut etwa 1 Bio. (Abb. 2) – pro Jahr!

„Unsere Währung, Euer Problem“
Finanzminister unter Nixon war damals John Connally. Er fasste das gegenüber dem Ausland einmal sehr schön zusammen in dem Satz:

„Der US-Dollar ist unsere Währung, aber Euer Problem!“
Der Goldklumpen war der Stein, der Dollar das Papier. Das Papier deckte den Stein ab und der Verlierer hat bezahlt. Es gibt Leute auf diesem Planeten, die das nicht so lustig finden wie die US-Regierung, die wahrscheinlich angesichts dieser Tributmechanik vor Lachen gar nicht mehr aus dem Keller des Weißen Hauses herauskommt. Das sind insbesondere die Regierungschefs von Ländern, die gegenüber den USA gewaltige Handelsbilanzüberschüsse erwirtschaften und schon länger darüber nachdenken, wie die Schere aussehen muss, die das Papier zerschneidet, damit dieser Raubzug zu ihren Lasten aufhört.

Das Loch im Eimer stopfen
Das sind natürlich nicht die Europäer, insbesondere nicht die Deutschen und auch nicht die Japaner, die immer noch bzw. wieder in dem Glauben leben, dass ohne den US-Atomschirm der böse Russe kommt und die Tochter in sein Zelt schleppt. Nein, das sind die BRICS-Staaten, also Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, ein ursprünglich von Goldman Sachs so getaufter Club von Ländern, dessen politische Dynamik sich in den letzten Jahren ver­selbstständigt hat. Diese fünf erzielen einen Handelsbilanzüberschuss von zuletzt fast 1 Bio. USD pro Jahr (2022) und möchten das Loch im Eimer begreiflicherweise stopfen. Und sie haben einen Plan und ein Datum, um ihn umzusetzen.

Salamitaktik oder Cold Turkey?
Am 22.8.2023 werden sich die BRICS-Staaten in Durban in Südafrika treffen und eine goldgedeckte Handelswährung aus der Taufe heben, und sie werden darauf bestehen, dass ihre Exporte in Zukunft mit dieser Währung bezahlt werden, ergo mit Gold. Die einzig offene Frage ist noch, ob sie das in kleinen oder in großen Schritten einführen werden – Salamitaktik oder Cold Turkey.

Ihre Schere ist der gewaltige Handelsbilanzüberschuss und der Hunger des Westens nach Importen zur realwirtschaftlichen Abfederung der staatlichen Defizitwirtschaft. Letztlich alimentieren diese Länder die Unfähigkeit der westlichen Politiker zur Fiskaldisziplin. Wenn die BRICS-Staaten, die eine Warteliste von 40 Ländern mit Beitritts-anträgen haben, das durchziehen – und es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass sie sich das Tributsystem Dollar auf ewig gefallen lassen –, dann hat das gewaltige Implikationen. Um ein Defizit von 1 Bio. USD in Gold zu bezahlen, benötigt man nach aktuellem Kurs ca. 16.000 Tonnen – pro Jahr! Die Reserven des Westens wären in weniger als zwei Jahren aufgezehrt.

Alternativ müsste der Westen das Gold auf dem Weltmarkt kaufen; das würde aber zu einer Explosion des Goldpreises um den Faktor zehn führen. Die Importe würden sich gewaltig verteuern und die Inflation in den USA und Europa würde ungeahnte Höhen erklimmen. Es bleibt die dritte Variante, nämlich eine drastische Reduzierung des Leistungsbilanzdefizits. Das würde die realwirtschaftlich verfügbare Gütermenge im Westen reduzieren und die Staaten zwingen, ihre Staatsdefizite massiv zu verringern, damit diese Defizite nicht ebenfalls massiv inflationär wirken. Variante vier: alle drei im richtigen Gemisch.

Fazit
Das doppelte Defizit der westlichen Länder bei Staatshaushalten und Leistungsbilanz ist nicht länger finanzierbar, wenn es nicht durch den Inflationsraub beim Rest der Welt bezahlt wird. Damit ist unser Fiatgeldsystem am Ende. Es könnte insofern durchaus sein, dass der 22.8.2023 eine Geldzeitenwende markiert, eine von den Ausgebeuteten der Erde erzwungene Rückkehr zu gutem Geld, also zu Gold. Wahrlich ein Great Reset – nur nicht einer, wie ihn sich die WEF-Konsorten gewünscht haben.

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