„Luther trennte Kirche und Staat – Nakamoto trennte Staat und Geld“

Marc Friedrich

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Österreichische Schule

Smart Investor im Gespräch mit dem Bestsellerautor Marc Friedrich über sein neues Buch: „Die größte Revolution aller Zeiten“

Smart Investor: Herr Friedrich, was sagen Sie zu jenen Analysten, die im Bitcoin vor allem eine gewaltige Spekulationsblase sehen?
Friedrich: Das ist Humbug. Die Tulpenblase gab es nur einmal und dann nie wieder. Dagegen wurde der Bitcoin schon etliche Male totgesagt, befindet sich aber mittlerweile in seinem vierten Bullenmarkt. Dabei generiert der Bitcoin immer höhere Hochs. Seit 2009 ist er das erfolgreichste Investment aller Zeiten. Gegenüber dem Bitcoin entwertet sich selbst das Gold.

Smart Investor: In Ihrem neuen Buch, „Die größte Revolution aller Zeiten“, das Sie zusammen mit Florian Kössler geschrieben haben, sprechen Sie davon, dass das Geld stirbt. Trauen Sie sich eine Prognose des Zeitablaufs bzw. einer möglichen Abfolge von Schlüsselereignissen zu?
Friedrich: Wir sind schon mittendrin. Seit 2008 sehen wir eine Häufung von Krisen. Die Frage ist also nicht, ob es geschieht, sondern lediglich wann. Sicher wird die Geldschleuse wieder geöffnet werden. Ganz wichtig ist auch der nächste Meilenstein, die Central Bank Digital Currencies, kurz CBDCs (siehe auch Smart Investor 11/2023 auf S. 28; Anm. d. Red.) – also digitaler Euro und digitaler Dollar, um dieses Fiat-Betrugssystem noch einmal in die nächste Stufe zu hieven. Ich glaube tatsächlich, dass das System länger überleben kann, als wir es uns vorstellen. Bereits 2008 haben renommierte Ökonomen das Ende des Euro und der Bankenwelt gesehen, aber die Resilienz ist doch zu groß. Keiner hätte es auch für möglich gehalten, dass die Notenbanken, vor allem die EZB, geltende Gesetze brechen, die Maastricht-Regeln ad absurdum führen und ihre Bilanzen im Billionenbereich aufblähen. So hat man die Grundprobleme aber lediglich zu einem hohen Preis in die Zukunft verschoben. Jetzt sind wir im monetären Endspiel. Die Frage ist: Wie lange können die Fed und die EZB das Ganze noch am Laufen halten? Wie lange werden sie das wertvollste Gut dieses Systems, nämlich das Vertrauen der Bevölkerung, noch erhalten können? Das weiß keiner, aber wir spüren alle intuitiv, dass es sich dem Ende zuneigt, weil die Notenbanken natürlich auch immer mehr Verzweiflung erkennen lassen.

Smart Investor: Die klassische Antwort auf die Unzulänglichkeiten unserer Fiatgeldsysteme lautet: Gold. Sie machen sich jedoch vor allem für den Bitcoin stark. Was sind Ihre Hauptargumente?
Friedrich: Vorab, ich bin ein Freund von „hartem Geld“. Gold ist der große, ältere Bruder mit 5.000 Jahren Erfahrung auf seinen Schultern. Ich bin Fan von beidem und würde auch beides besitzen wollen, weil alles, was gegen das jetzige, ungerechte und inflationäre Geldsystem ankämpft, das zu Armut, zu sozialen Unruhen und zu Krieg führt, gut ist, und eine Möglichkeit darstellt, aus dem Fiat-Betrugssystem auszusteigen: „In Gold and Bitcoin we trust.“ Beides ist „sound money“. Aber der Bitcoin hat einige Parameter, die ihn auch gegenüber Gold überlegen machen. Er ist portabel und grenzenlos. Man kann ihn überallhin versenden. Er ist technisch hart auf 21 Mio. Einheiten limitiert. Wir wissen nicht, wie viel Gold noch in der Erdkruste schlummert, aber mit dem Bitcoin haben wir zum allerersten Mal ein endliches Gut, dessen Gesamtmenge wir benennen können. Der Code ist nicht manipulierbar und der Bitcoin lässt sich auch nicht zensieren oder stoppen, weil er ein dezentrales System ist. Natürlich, die Bankenwelt umarmt jetzt den Bitcoin. Wir haben den ETF, wir haben die Futures und die Wall Street. Die alte Finanzwelt versucht, wie immer, die Preise zu manipulieren – aber ein Großteil der Bitcoins, über 90% der Bitcoins sind ja schon emittiert worden, sind schon in der Hand derjenigen, die an die Philosophie glauben. Bitcoin ist als Kind der Finanzkrise 2008 von „Satoshi Nakamoto“ erfunden worden. Die Manipulationsmöglichkeit ist auch deshalb begrenzt, weil 70% der Bitcoins seit einem Jahr nicht bewegt wurden. Da drückt sich eine starke Überzeugung aus, obwohl der Bitcoin-Preis oben ist, obwohl er steigt, sind viele immer noch nicht bereit, ihre Bitcoins zu verkaufen.



Smart Investor: Sie haben „Satoshi Nakamoto“ genannt. Es ist ja nach wie vor unbekannt, wer hinter diesem Pseudonym steckt. Was halten Sie von der These, die im Herbst durch die Medien geisterte, dass der US-Geheimdienst NSA dahinterstecken könnte? Wie lautet Ihre plausibelste Theorie?
Friedrich: Das mit NSA oder CIA und dem Bitcoin als Honigfalle ist ein Mythos. Geheimdienste und Regierungen weltweit versuchen, den Bitcoin zu stoppen und zu verbieten, aber sie schaffen es nicht. Wäre der Bitcoin von der NSA gegründet worden, sollten sie den Spuk mit einem Knopfdruck beenden können. Aber selbst wenn die NSA dahinterstecken würde, hätte sich das Ganze so sehr verselbstständigt, dass es heute nicht mehr unter ihrer Kontrolle ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Bitcoin tatsächlich durch die Geheimdienste implementiert wurde, sehe ich bei unter 1%. Wahrscheinlichster Urheber ist für mich Len Sassaman, der in den USA lebte und 2011 verstorben ist. Er soll unglaublich brillant gewesen sein. In diesem Jahr hatte sich auch „Satoshi Nakamoto“ letztmalig öffentlich über bestimmte Foren geäußert. Die Sprachmuster von Sassaman und „Nakamoto“ stimmen zudem überein. Eine spannende Geschichte.

Smart Investor: Das wäre der prominenteste Fall eines Bitcoin-Eigentümers, der verstorben ist und dessen Bitcoins dauerhaft verloren sind. Doch das Problem mit verlorenen Schlüsseln dürften viele Privatanleger haben, richtig?
Friedrich: Man geht davon aus, dass 1 Mio. bis 3 Mio. Bitcoins verloren sind – und zwar für alle Zeiten. Die wurden damit praktisch für den Pool der Allgemeinheit gespendet und sind nicht mehr zurückgewinnbar. Der Bitcoin hat keine Hotline. Allerdings macht das den Bitcoin auch so überlegen und so einzigartig: Man hat hier kein Drittparteienrisiko mehr; man ist selbst verantwortlich und kann dadurch finanzielle Intelligenz und Freiheit erlangen – eine echte Eigenverantwortung, in die man reinwachsen muss. Das ist nicht für jeden etwas, aber es gibt ja immer mehr technische Möglichkeiten, sodass die Einstiegshürden geringer werden.

Smart Investor: Nun ist die Frage nach dem Geldsystem weniger eine von guten Argumenten als eine der Macht. Die Damen und Herren des Fiatgeldes werden nicht so einfach aufgeben. Mit welchen technischen oder juristischen Gegenmaßnahmen rechnen Sie und wie gefährlich könnten diese dem Bitcoin werden?
Friedrich: Tatsächlich gab es schon Verbote, aber das hat nicht gefruchtet. Man hat es versucht mit Häme, mit Spott und Diskreditierung, mit Framing, z.B. dass ihn nur Kriminelle nutzen oder er eine „Umweltsau“ wäre. Die nächste Stufe war dann die Adap-tion. Wall Street versucht, den Bitcoin zu umarmen. Der nächste Schritt werden wohl Regularien, Regularien und noch mal Regularien sein. Man wird versuchen, das Projekt zu kapern, etwa durch ETFs. Parallel wird man eigene digitale Währungen herausbringen. Über 100 Notenbanken arbeiten weltweit an digitalen Lösungen – den erwähnten CBDCs – und an der Errichtung einer digitalen Diktatur. Dann könnte die Notenbank etwa das Digitalkonto des Nutzers einschränken bzw. sperren, etwa wenn man die falsche Meinung hat, die falsche Partei wählt, zu viel CO2 freisetzt, nicht geimpft ist, zu viel Kaffee trinkt oder bei den Bauernprotesten dabei war. Auch Bankruns kann man so verhindern. Selbst Schwundgeld ließe sich so implementieren. Das geht alles. Agustín Carstens, Chef der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), will dieses programmierbare Geld. Das ist natürlich der feuchte Traum eines jeden Antidemokraten und Geldfaschisten. Wer die Macht über das Geld hat, hat die Macht über die Menschen. Deshalb ist es die größte Gefahr, dass wir in dieses digitale Gefängnis der Notenbanken geraten.

Die Gefahr könnte sein, dass man die Menschen mit Rabatten und einem sicheren Konto bei der EZB genau in diese Richtung treibt: Noch ein Börsencrash, ein Internetausfall, ein Blackout, umkippende Banken – das ist genau die Schock- und Angststrategie, mit der man die Menschen „freiwillig“ in die Arme einer dystopischen EZB treibt.

Smart Investor: CBDCs sind also keine Bitcoins mit staatlichem Gütesiegel, sondern das glatte Gegenteil?
Friedrich: CBDCs sind zentralistische Coins. Die Notenbanken haben die komplette Kontrolle. Sie können die Geldmenge jederzeit erhöhen. Es gibt keine Möglichkeit, das zu überwachen. Wir haben keine demokratisch legitimierte EZB, sondern eine Art Planwirtschaft der Notenbank. Zentralismus und Planwirtschaft haben noch nie funktioniert, ebenso wenig wie die keynesianische Geldpolitik, die uns von Krise zu Krise treibt. Hinter dem Bitcoin gibt es keine Notenbank. Luther trennte Kirche und Staat – Nakamoto trennte Staat und Geld. Der Bitcoin ist das demokratischste Geldsystem, welches die Menschheit je gesehen hat, eine dezentrale Blockchain, die komplett transparent ist und auf die jeder zugreifen kann, unabhängig von Nationalität, Religion oder Hautfarbe.

Smart Investor: Wenn Sie einmal den Advocatus diaboli spielen – wo sehen Sie die größte Schwäche des Bitcoins?
Friedrich: Ich denke, die momentan größten Schwächen sind die geringe Blocksize und die Transaktionsdauer. Es dauert praktisch zehn Minuten, bis ein neuer Block kommt, und dann muss dieser Block noch bestätigt werden. Es gibt zwar Lösungen wie das Lightning Network; ob diese aber von Dauer sind, ist offen. Der große Vorteil des Bitcoins ist der Wertspeicher. Gold und Bitcoin haben neben allen Parametern einer Währung zusätzlich noch diese Wertspeicherfunktion inne. Jetzt kommt es darauf an, ob man ihn auch im alltäglichen Gebrauch handhaben kann. Da sitzen gerade die klügsten Menschen dran, die versuchen, den Bitcoin praktikabel zu gestalten.

Smart Investor: Aktuelles Thema ist die Zulassung des Bitcoin-Spot-ETFs. Welche Konsequenzen wird das auf die weitere Kursentwicklung haben?
Friedrich: Ich hatte prognostiziert, dass die Zulassung ein „Sell-the-News-Moment“ sein werde – das hat sich bestätigt. Dennoch ist der Spot-ETF ein Meilenstein. Retailkunden, die vorher technische Probleme mit den Einstiegshürden hatten, können jetzt einfach bei jeder Bank den Bitcoin-ETF kaufen. Zudem haben jetzt auch Pensionskassen, Lebensversicherungen und große Vermögensverwalter die Möglichkeit, in die Assetklasse Bitcoin zu investieren. Nach einer empirischen Studie verbessert ein Bitcoin-Anteil von nur 1% des Portfolios das Chance-Risiko-Profil massiv – höhere Performance plus niedrigere Volatilität! Wenn diese Einrichtungen, die Hunderte von Billionen verwalten, nur 0,3% der Anlagemittel zur Diversifizierung in den Bitcoin bzw. Bitcoin-ETF fließen, dann wird sich die Marktkapitalisierung schnell verdoppeln oder verdreifachen. Kurzfristig bin ich also erst einmal skeptisch, aber mittel- bis langfristig bin ich sehr positiv gestimmt. In Fiatgeld werden wir sechsstellige Bitcoin-Kurse sehen.

Smart Investor: Was würden Sie dem Otto-Normal-Anleger empfehlen – eher den bequemen ETF oder das direkte Bitcoin-Investment?
Friedrich: Das ist immer individuell abzuwägen. Die Einstiegshürden werden geringer, weil es neue Möglichkeiten gibt. Ich bin seit zehn Jahren im Bitcoin-Space. Am Anfang war das unglaublich aufwendig, heute geht es mit einer App innerhalb einiger Minuten. Aber es ist auch völlig legitim, den Bitcoin-ETF über seine Bank zu kaufen. Wer sich mit dem Geldsystem beschäftigt und die Philosophie spannend findet, will vielleicht auch selbst Bitcoin besitzen, frei nach dem Motto „Not your key, not your coin“. Der ETF ist ein großartiger Multiplikator für das Thema. Allerdings würde ich immer empfehlen, Bitcoins selbst zu besitzen. Man muss seine eigene Bank sein und sich aus dem Fiatgeldsystem verabschieden.

Smart Investor: Ihr Credo lautet: „Fix the money, fix the world.“ Mit welchen Verbesserungen dürfen die Menschen denn in einem guten Geldsystem rechnen?
Friedrich: Unser jetziges Geldsystem ist inflationär. Ob Fahrradwege in Peru oder irgendwelcher ideologischer Irrsinn – dieses unendliche Geldausgeben durch die Parteien wäre unterbunden. In einem gedeckelten Geldsystem ist das nicht darstellbar. Die Politik müsste den Gürtel enger schnallen. Darüber hinaus: Unser ungedecktes Papiergeld führt immer zu Ungerechtigkeit. Durch den Cantillon-Effekt werden einige immer reicher, was auch zur Konzentration von Vermögen bei immer weniger Menschen führt. Wir würden auch keine Kriege mehr sehen, denn die sind nur in einem ungedeckten Geldsystem finanzierbar. Hätten wir stabileres Geld, hätten wir weniger Krisen, weniger unnötige Ausgaben und deflationäre Tendenzen, was die Bürger entlasten würde.

Smart Investor: Was würde sich in den Köpfen der Menschen verändern?
Friedrich: Warum heißt das Buch „Die größte Revolution aller Zeiten“? Weltweit haben wir Menschen nicht viel, was uns verbindet. Ja, wir sind alle Menschen, wir kennen vielleicht alle die Liebe – aber was uns wirklich verbindet, ist das Fiatgeldsystem. Wenn man da ansetzt, würde man alle erreichen. Deshalb wäre ein neues Geldsystem die größte Revolution aller Zeiten. Wenn die Menschen erkennen, dass das jetzige Geldsystem dazu führt, dass sie eigentlich niemals Geld auf die Seite bringen können, dass sie das Wertvollste, ihre Lebenszeit, hergeben, um Geld zu bekommen, das dann durch die Politik inflationiert wird, merken sie, dass sie ein besseres und stabileres Geld brauchen. Das wäre tatsächlich die größte Revolution.

Smart Investor: Herr Friedrich, vielen Dank für Ihre interessanten Ausführungen.

Marc Friedrich ist ein deutscher Bestsellerautor im Bereich Wirtschaft. Seine Bekanntheit verdankt der studierte Betriebswirt und Finanzexperte nicht nur seinen bislang sechs Büchern, sondern auch zahlreichen Auftritten als gefragter Vortragsredner und Diskussionspartner auf Kongressen, in Funk und im Fernsehen. Sein YouTube-Kanal zählt knapp 390.000 Abonnenten. Als Honorarberater berät er seit mehr als einem Jahrzehnt erfolgreich Privatpersonen, Unternehmen, Stiftungen und Pensionskassen zu Fragen der Vermögenssicherung und Krisenvorsorge. Sein besonderes Interesse gilt Fragen der Geldordnung und der Wirtschaftsgeschichte.

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