„Vollkommen unabhängig von Benchmarks investieren“

Carlos von Hardenberg

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Interview

Smart Investor im Gespräch mit Carlos von Hardenberg, seit 2018 leitender Manager des Mobius Emerging Markets Fund

Carlos von Hardenberg managt seit seiner Auflage vor fünf Jahren den Mobius Emerging Markets Fund, der auf Qualitätsunternehmen in Schwellenländern fokussiert ist. 2018 hatte von Hardenberg gemeinsam mit Investmentlegende Mark Mobius den Boutique-Asset-Manager Mobius Capital Partners gegründet. Von Hardenberg blickt auf eine Karriere von nahezu 25 Jahren im Investmentgeschäft zurück, davon 21 Jahre im Schwellenländerbereich. So war er vormals Senior Vice President und Managing Director bei der Templeton Emerging Markets Group mit einem verwalteten Volumen von über 27 Mrd. EUR.

Smart Investor: Herr von Hardenberg – Mark Mobius, Ihren Vorgänger und Gründer der Investmentgesellschaft, kennen unsere Leser noch von einem Interview vor etwa zehn Jahren. Inzwischen haben Sie das Ruder übernommen. Hat sich dadurch an dem Investmentstil Ihres Hauses etwas verändert?
Von Hardenberg: Ganz im Gegenteil. Die Wirklichkeit sieht so aus: Wir haben den Mobius Emerging Markets Fund vor fünf Jahren gemeinsam gegründet und ich war von Tag eins an der Lead-Portfolio-Manager. Ich hatte ja bereits davor bei Franklin Templeton seine Aufgaben übernommen, im Jahr 2013/14. Mark war sozusagen Kapitalgeber, Namensstifter und Senior Ambassador. Insofern spielt sein Rückzug mit 88 Jahren keine Rolle, was das Tagesgeschäft angeht. Es gibt also keine Veränderungen.

Smart Investor: Herzlichen Glückwunsch auch zu dem Erhalt des Euro-FundAward, welcher Ihnen erst vor Kurzem von der BÖRSE ONLINE verliehen wurde. Drittbester Emerging-Market- Nebenwertefonds – das ist beachtlich …
Von Hardenberg: Darüber haben wir uns gefreut. Unsere Performance war wirklich gut, das hat geholfen.

Smart Investor: Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?
Von Hardenberg: Ich glaube, das wesentliche Erfolgsgeheimnis ist es, dass wir unabhängig über die Märkte und die Chancen nachdenken und vollkommen unabhängig von Benchmarks investieren. Unser Active Share liegt bei über 98% (0% wäre vollkommen deckungsgleich mit der Benchmark; Anm. d. Red.). Zudem nutzen wir unser Netzwerk, unsere Erfahrung und unser Know-how, um uns an Firmen zu beteiligen, die unseren Qualitätsansprüchen entsprechen – und das hat hervorragend funktioniert, auch in einem sehr schwierigen Umfeld.

Smart Investor: Sie sind auf Nebenwerte fokussiert. Wie definieren Sie konkret einen „Nebenwert“?
Von Hardenberg: Wir investieren in erster Linie in Unternehmen mit einem Börsenwert unter 15 Mrd. USD und nicht in die bekannten Mega Caps wie etwa Samsung oder TSMC.

Smart Investor: 15 Mrd. USD wäre für eine deutsche Firma schon ein Large Cap! Wie „schwer“ muss ein Unternehmen mindestens sein, damit Sie investieren?
Von Hardenberg: Mindestens 500 Mio. USD, aber im Schnitt sind unsere Unternehmen etwa 2,5 Mrd. USD groß.

Smart Investor: Wie kommen bei Ihnen die Investmententscheidungen zustande? Entscheiden Sie allein oder im Team?
Von Hardenberg: Wir sind zurzeit sieben Mitarbeiter, teils mit internationalem Hintergrund, und wir arbeiten sehr eng mit lokalen Experten zusammen, die wir auf Beraterbasis engagieren.

Smart Investor: Wenn ich Sie richtig verstehe, sind Sie ein klassischer Bottom-up-Investor.
Von Hardenberg: Ja, ganz klar bottom-up. Wenn man das Geschäft wie in meinem Falle über 25 Jahre lang betreibt, dann wäre es aber ein großer Fehler, wenn man nicht auch das große Bild immer auf dem Schirm hat. Das hat uns z.B. geholfen, als einer der wenigen Fonds null Russlandaktien gehabt zu haben, als der Ukrainekrieg ausgebrochen ist. Wir vermeiden im Grunde genommen Länder, die uns zu „heiß“ sind. Makro spielt demnach eine Rolle bei uns.

Smart Investor: Wie hoch ist das Volumen und wie viele Positionen halten Sie?

Von Hardenberg: Gemäß unserer Strategie werden im Moment rund 300 Mio. USD verwaltet. Durchschnittlich halten wir etwa 30 Titel, wir sind also eher fokussiert auf eine geringe Anzahl.

Smart Investor: Wie gehen Sie mit der Cashquote um?
Von Hardenberg: Wir versuchen, sie nahe null zu halten. Gerade in der jetzigen Phase sind die Chancen sehr groß und die Bewertung scheint an einem Tiefstand angelangt zu sein, den wir seit 30 Jahren nicht mehr gesehen haben. Da versuchen wir, voll investiert zu sein.

Smart Investor: In welchen Regionen sind Sie im Augenblick besonders stark engagiert?
Von Hardenberg: Die Hauptregionen sind derzeit Südkorea, Indien, Taiwan und Brasilien. Wir haben aber auch Investitionen in der Türkei, die auch großartig gelaufen sind. Wegen der Währungsprobleme haben wir dort in Unternehmen investiert, die den Umsatz in erster Linie in US-Dollar erwirtschaften. Die spannendsten Chancen sehen wir im Moment vor allem in Indien und Südkorea.

Smart Investor: Was genau ist dort so spannend?
Von Hardenberg: Ich bin gerade vorgestern erst aus Indien zurückgekommen. Es würde den Rahmen unseres Interviews sprengen, wenn ich hier meine Eindrücke schildern würde. Nur so viel: Grundsätzlich ist Indien unter den großen Ländern die am schnellsten wachsende Volkswirtschaft der Welt. Die Erholung aus der Pandemie ist dort besonders stark zu spüren. Indien verfügt über eine sehr gute Mischung aus stark wachsendem Export und einem sehr schnell wachsenden Binnenkonsum. Und das Ganze wird im Moment angefeuert durch eine Regierung, die pro Business ist und sehr starke Reformen initiiert hat, wodurch der Privatsektor im Moment aus allen Zylindern feuert. Die Direktinvestitionen in Indien sind zudem so hoch wie noch nie. Wenn man sich wie wir mittelgroße Firmen anschaut, findet man dort in allen Sektoren hochinteressante Investments.

Smart Investor: Sie hatten Brasilien erwähnt – wie sieht es mit Argentinien aus? Wir haben dort einen radikalen politischen Richtungsschwenk gesehen. Spielt das für Sie eine Rolle?

Von Hardenberg: Das ist ein Markt, den wir uns mit Interesse anschauen, aber man muss auch realistisch bleiben. Argentinien bleibt anfällig und die makroökonomischen Voraussetzungen sehr schwierig. Da sind bisher viele Versprechungen gemacht worden, aber das durchzusetzen ist noch einmal etwas anderes. Und hinzu kommt letztendlich für uns Bottom-up-Investoren: Die wenigen Firmen, die da überhaupt noch an der Börse sind, sind relativ uninteressant. Da gibt es in Brasilien einfach viel innovativere, besser kapitalisierte und spannendere Geschäftsmodelle.

Smart Investor: Können Sie spannende Investments aus Brasilien benennen?
Von Hardenberg: In Brasilien gibt es derer zahlreiche. Wir sind z.B. in der Softwarefirma TOTVS investiert, das ist ein Wettbewerber von SAP. Die machen also Firmensoftware und sind exzellent aufgestellt, sehr diversifiziert und dortiger Marktführer. SAP kommt da nicht ran, weil die eine deutlich lokalisiertere Lösung anbieten, für große Firmen. Solche innovative Firmen finden Sie in Brasilien zuhauf. Aber dann gibt es auch ganz klassische Firmen, z.B. eine Raia Drogasil, eine Drogeriekette vergleichbar mit Rossmann hierzulande. Brasilien ist ein riesiges und sehr offenes Land und befindet sich immer noch in der Erholungsphase nach COVID.

Smart Investor: Wie sieht es mit der Corporate Governance in den Emerging Markets aus? Als Deutscher hat man immer so das Gefühl: Dort gibt es dauernd irgendwelche Betrugsfälle oder Bilanzierungsprobleme, unsaubere Bilanzen etc. Stimmt das denn überhaupt?
Von Hardenberg: Gerade wir Deutschen mit unserer schmerzlichen Erfahrung mit Wirecard sollten uns nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. So etwas gibt es überall. Das gibt es in England, in Frankreich oder auch in Amerika – man denke nur an Enron. Aber natürlich haben Sie recht, es besteht dort oft ein systemisches Problem, die Transparenz ist lange nicht so gut wie in entwickelten Ländern. Vetternwirtschaft und Korruption spielen eine Rolle. Es kommt am Ende darauf an, dass man darauf achtet, welchen Ruf die Unternehmer genießen und was sie tun, damit sich eben die Transparenz verbessert.

Smart Investor: Sie haben bei Ihren favorisierten Ländern China nicht genannt. Haben Sie etwas gegen China?
Von Hardenberg: Ich finde China sehr spannend, aber empfehle, diesen Markt mit größter Vorsicht zu betrachten. Ich glaube, die 1,4 Milliarden Chinesen bieten sicherlich viele Chancen für ganz unterschiedliche Geschäftsmodelle. Das Problem ist: Wenn man lokal in chinesische Firmen investiert, weiß man meist gar nicht genau, was man da eigentlich bekommt – weil die Transparenz nicht gegeben ist, weil die Buchführung nicht ordentlich ist, weil die Managementteams sich andauernd ändern. Das sind Dinge, mit denen ich als Investor Probleme habe, und deshalb waren wir sehr vorsichtig in China – und das war auch richtig. Wir sehen uns aber gerne Unternehmen an, die außerhalb von China sitzen, z.B. in Korea, aber von dort aus erfolgreich ihr Geschäft in China betreiben. Damit gehen wir ein geringeres Risiko ein.

Smart Investor: Können Sie ein paar der erfolgreichsten Investments der letzten Jahre benennen?
Von Hardenberg: Ein Beispiel wäre CLASSYS aus Südkorea. Das ist eine Firma, die medizinisches Equipment auf der Basis von Ultraschall herstellt. Dieses wird vor allem im kosmetischen Bereich eingesetzt, aber eben auch im medizinischen. Die Firma exportiert weltweit. Classys ist marktführend in seinem Bereich, wenn man die USA außen vornimmt. Die Aktie ist fantastisch gelaufen, auch weil sich ein sehr großes Private-Equity-Haus ebenfalls an der Firma beteiligt hat und jetzt hilft, dass Classys seine Produkte auch in China und den USA vertreiben kann. Ein weiteres Beispiel ist die indische Persistent Systems, eine Firma, die internationale Unternehmen auf ihrem Weg zur Digitalisierung und zur Migration in die Cloud begleitet sowie Dienstleistungssoftware und IT-Beratung anbietet. Der Wert hat sich verfünffacht, seitdem wir gekauft hatten.

Smart Investor: Wie gehen Sie mit solchen Fällen um, die sich nach dem Kauf nicht so entwickeln, wie Sie sich das vorstellen? Oder anders gefragt: Wann und wie ziehen Sie die Reißleine?
Von Hardenberg: Das ist eine gute Frage und da lernen wir jeden Tag dazu. Man macht da auch immer wieder Fehler. Aber wir haben eine ziemlich klare Politik oder Strategie: Solange sich fundamental langfristig die Chancen nicht zu sehr eingetrübt haben, tendieren wir eher dazu, dabei zu bleiben oder sogar nachzukaufen. Wenn wir aber fundamental sehen, dass die Firma nicht mehr das tut, wovon wir ausgegangen sind, die Profitabilität sich maßgeblich verschlechtert und keine Verbesserung in Sicht ist, dann verkaufen wir auch. Wir versuchen, das vorsichtig zu tun – denn unsere Erfahrung zeigt, dass man dann auch oft falsch liegt. Man muss am Unternehmen dranbleiben und solche Durststrecken genau verstehen, bevor man emotional reagiert.

Smart Investor: In welchen Branchen sind Sie denn derzeit sehr stark investiert? Sind Banken oder Rohstofftitel dabei?
Von Hardenberg: Nein, in Banken machen wir gar nicht. Wir sind der Meinung, die großen Banken haben die goldene Zeit hinter sich. Und in Zukunft werden sie mit immer höheren regulativen Kosten zu kämpfen haben. Dazu kommt noch, dass es immer teurer wird, die großen Bankenmodelle überhaupt zu betreiben – und sie verlieren Talente: Die talentiertesten Mitarbeiter gehen zur Konkurrenz. Das gibt die Chance, in Fintech und in alternative Geschäftsmodelle zu investieren. Wir haben z.B. einen Vermögensberater in Indien, nämlich 360 ONE; dieser bietet für die dortige rasant wachsende Schicht an wohlhabenden Menschen unabhängige Vermögensberatung an – unabhängig von den Banken. Solche Geschäftsmodelle sind uns deutlich lieber. In der Benchmark sind Financials mit 25% gewichtet – in unserem Fonds bei unter 5%.

Smart Investor: Wie sieht es bei Software, Internet und IT aus?
Von Hardenberg: Software macht bei uns fast 30% aus. Warum mögen wir sie so gerne? Ein erfolgreiches Softwareunternehmen in den Emerging Markets ist sehr nah an den Kunden und erzielt zum großen Teil, also über 80%, sozusagen wiederkehrende Umsätze. Man hat also langfristige Verträge und sehr feste Kundenbeziehungen. Und wie sie sich vorstellen können: Die Unternehmen und auch die Konsumenten müssen mehr und mehr in Software investieren, weil das eben die Zukunft ist. Dann investieren wir sehr viel in Internet-Circuiting-(IC-)Design; da geht es um Firmen, die die Architektur und Pläne für Chips herstellen, dies finden wir sehr spannend. Zu guter Letzt ist noch das Gesundheitswesen im Allgemeinen zu erwähnen, wo die Emerging Markets auch in den nächsten Jahren mehr und mehr an positiver Entwicklung sehen werden.

Smart Investor: Die Emerging Markets entwickelten sich mehrheitlich deutlich schlechter als die etablierten Märkte. Spielt das für Sie eine Rolle?
Von Hardenberg: Uns geht es nur darum, eine gute Performance zu generieren, auch in absoluten Zahlen gerechnet. Wir haben jetzt in fünf Jahren über 40% Gewinn erzielt und die Benchmark um ca. 20% geschlagen. Damit beweisen wir: Wenn man sorgfältig die richtigen Unternehmen auswählt, wird man auch die gut performenden Aktien im Depot haben – und das ist ja unser Job als aktiver Investor. Wenn man anders investiert als die Benchmark, kann man eben auch andere Resultate erwirtschaften. Am Ende des Tages sind wir natürlich in diesem Umfeld unterwegs und das war die letzten fünf Jahre alles andere als leicht.

Smart Investor: Haben Sie eine Idee, warum die Performancezahlen so auseinandergeklafft sind?
Von Hardenberg: Die Benchmark bzw. die Indizes beziehen sich natürlich in erster Linie auf die ganz großen Firmen, also die Banken, die Rohstofffirmen, die Konglomerate und dann natürlich auf die großen Internetfirmen – und diese hatten allesamt echte Probleme. Sie haben mehr und mehr regulativen Stress, bekommen nicht mehr die Talente, haben Leute verloren, es wird immer teurer, diese Geschäftsmodelle zu betreiben, und sie bluten aus gegenüber dem Wettbewerb. Die Banken haben natürlich noch einmal ein ganz anderes Problem, und dazu zählte in diesem Umfeld in den letzten Jahren natürlich, dass die Emerging Markets durch den stärker werdenden US-Dollar und durch die Pandemie besonders hart getroffen wurden. Hinzu kommt das geopolitische Risiko; durch die Spannung zwischen China und dem Rest der Welt sind massiv Gelder abgeflossen.

Smart Investor: Was leiten Sie aus dem Performancegefälle ab?
Von Hardenberg: Letztendlich mündet das momentan in einer krassen Bewertungsdifferenz. Wir sehen, dass Emerging Markets zu einem 65%igen Abschlag gegenüber dem S&P 500 gehandelt werden – aber das wird so nicht bleiben. Die US-Dollar-Stärke wird wieder zurückgehen und dieser Bewertungsabschlag wird sich mit Sicherheit wieder abbauen. Deshalb glaube ich, dass man in den nächsten drei Jahren die Emerging Markets nicht außer Acht lassen sollte.

Smart Investor: Herr von Hardenberg, haben Sie vielen Dank für Ihre interessanten Ausführungen.

Carlos von Hardenberg managt seit seiner Auflage vor fünf Jahren den Mobius Emerging Markets Fund, der auf Qualitätsunternehmen in Schwellenländern fokussiert ist. 2018 hatte von Hardenberg gemeinsam mit Investmentlegende Mark Mobius den Boutique-Asset-Manager Mobius Capital Partners gegründet. Von Hardenberg blickt auf eine Karriere von nahezu 25 Jahren im Investmentgeschäft zurück, davon 21 Jahre im Schwellenländerbereich. So war er vormals Senior Vice President und Managing Director bei der Templeton Emerging Markets Group mit einem verwalteten Volumen von über 27 Mrd. EUR.

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