Das Stottern des Elektromotors

Bild: © Richa – stock.adobe.com

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Österreichische Schule

Wie überraschend ist „Der Elektroschock“?

Zögerliche Bosse, sprunghafte Politik
Ganz so überraschend, wie DER SPIEGEL seine Leser in der Titelgeschichte vom 23.3.2024 glauben machen will, ist „Der Elektroschock“ nicht. Neu ist allerdings, dass die Probleme der Elektromobilität – zumindest einige dieser Probleme wie die verfehlten Absatzziele – im Mainstream derart prominent erörtert werden. Am Beispiel der Caritas Paderborn wird die Ernüchterung nachgezeichnet, die der frühzeitigen Umstellung der Fahrzeugflotte auf E-Autos folgte. Angesichts hoher Strompreise und fehlender preiswerter E-Modelle schossen die Kosten der Transformation ins Kraut. Kritik üben die Autoren vor allem an der zögerlichen Haltung und der falschen Modellpolitik „deutscher Autobosse“. Als Gegenbeispiele werden die US-amerikanische Tesla und die chinesische BYD („Build Your Dreams“) angeführt. Insbesondere chinesische Hersteller drängten nun zunehmend aggressiv in den europäischen bzw. deutschen Markt, da sie über genau jene preiswerten Modelle verfügen, die man bei deutschen Herstellern bislang vergeblich sucht. Der abrupte Wegfall der Kaufprämie („Umweltbonus“) im Dezember 2023 habe der Entwicklung der E-Mobilität insgesamt geschadet. Auch sei die Ladestruktur für eine flächendeckende Elektrifizierung des Verkehrs, insbesondere auf dem Land, noch immer unzureichend. Das Ziel der Bundesregierung, wonach im Jahr 2030 rund 15 Mio. E-Autos auf deutschen Straßen rollen sollen, sei in weite Ferne gerückt.

„Musterknaben“ dank Rückenwind
Zu den beiden „Musterknaben“ Tesla und BYD erscheinen einige Anmerkungen notwendig. Beide wurden von der jeweiligen Politik massiv angeschoben, wenn auch auf unterschiedliche Weise. So stellen CO2-Zertifikate eine signifikante Einnahmequelle von Tesla dar, die wesentlich zum Aufstieg des Unternehmens beigetragen hat. Die Zertifikate, die Tesla für seine emissionsfreien Elektrofahrzeuge erhält, können an jene Unternehmen verkauft werden, die ihre Emissionsziele nicht erreichen und dies mit Zertifikaten ausgleichen müssen. Durch diese politische Lenkungsmaßnahme haben traditionelle Autohersteller ihren Konkurrenten Tesla sogar indirekt subventioniert. Hinter dem Aufstieg von BYD steht der chinesische Einparteistaat. Neben umfangreichen Subventionen für die Entwicklung und Produktion sorgten Vorgaben für den Anteil der Elektrofahrzeuge an den Gesamtverkäufen für einen stabilen Absatzmarkt. Flankiert wurde dies durch einen zügigen Ausbau der Ladeinfrastruktur, durch die Förderung von Joint Ventures mit ausländischen Partnern sowie durch direkte Kapitalbeteiligungen des chinesischen Staates und staatliche Initiativen zur Exportförderung. Vom selbsttragenden E-Auto-Aufschwung bleibt also nicht einmal bei den Vorzeigeunternehmen der Branche allzu viel übrig, wenn man ein wenig am Lack kratzt.

Nachvollziehbare Zurückhaltung
Ohne politischen Rückenwind wäre die Elektromobilität auch hierzulande noch immer keine ernsthafte Konkurrenz für die hoch entwickelte Verbrennertechnik. Die Zurückhaltung der deutschen Autoindustrie ist daher nachvollziehbar, soweit rationale Entscheidungen in einem Umfeld, das von punktuellen politischen Entscheidungen geprägt ist, überhaupt möglich sind. Lediglich Volkswagen, wie kein anderer Hersteller unter Staats- und Gewerkschaftseinfluss, ist in der Sache vorgeprescht – und hat sich eine blutige Nase geholt. Der Absatz stockt. Denn trotz aller Politplanung – kaufen müssen die E-Autos echte Kunden, und die sind noch immer nicht überzeugt: zu teuer, zu geringe Reichweite, zu wenige Ladepunkte, niedriger Wiederverkaufswert etc. Je rasanter die Entwicklung in der (Batterie-)Technik vorangetrieben wird, desto stärker wird paradoxerweise die Kaufzurückhaltung. Wer will schon vor dem nächsten Entwicklungssprung zuschlagen?! Zudem unterliegen die Hersteller weiter der industriellen Logik ihres Geschäfts: Die teuren Modelle erbringen nicht nur den höchsten Deckungsbeitrag, sie sind zugleich die Technologieträger. Die von den Kunden geforderten Einsteigermodelle sind aus Herstellersicht dagegen weniger attraktiv. Nach dem Wegfall der Kaufprämie müssen sie sich in diesem Segment also noch mehr strecken, um der chinesischen Exportoffensive Paroli zu bieten.

Teufel im Detail
Auch hinterfragt Der Spiegel nicht, ob Elektroantriebe wirklich so „alternativlos“ sind, wie gerne behauptet wird. Dabei ist dies ein wichtiger Punkt, der auch die Zögerlichkeit der deutschen Industrie zum Teil erklärt. Da geht es nicht nur um den Schutz von milliardenschweren Investitionen im Bereich der Motoren- und Getriebetechnik. Es geht um technische und ökonomische Fragen, die nicht mit einem klaren Ja oder Nein zu beantworten sind: Denn die Antwort, welche Technik in welcher Dimension punkten kann, steht und fällt mit den Annahmen in den Modellrechnungen. Seit Teile der Wissenschaft ebenso käuflich sind wie Teile der Presse und der Politik, ist auf diese Berechnungen nur noch wenig Verlass. Schon an der Grundsatzfrage, welchen Einfluss CO2-Emissionen auf das Weltklima haben, scheiden sich die Geister. Weitere Streitpunkte: Wie groß ist eigentlich der CO2-Rucksack eines E-Fahrzeugs, mit welcher Technologie wird der Strom für den Betrieb erzeugt und wie lassen sich überhaupt die enormen Mengen an Strom stabil erzeugen, speichern und verteilen, die nicht nur für 15 Mio. E-Autos, sondern zusätzlich für viele Millionen Wärmepumpen benötigt werden? Wer solche technischen Detail- und Umsetzungsfragen mit dem Totschlagargument „Klimaschutz“ oder dem Verweis auf politisch vorgegebene CO2-Ziele wegwischt, wer die drängenden Fragen gar zu einem „Kulturkampf der Rechten“ gegen die E-Mobilität umdeutet, macht es sich leicht – zu leicht.

Wirtschaftliches Mischsystem
In einer Marktwirtschaft haben die Hersteller selbst ein vitales Interesse daran, das zu produzieren, was die Kunden später auch nachfragen werden. Genau da aber liegt die Krux, denn die Anbieter müssen in den energiegewendeten wirtschaftlichen Mischsystemen zusätzlich die Forderungen einer rigiden, aber auch zunehmend sprunghaften Politik erfüllen, welche Hersteller und Kunden auf ihre Linie zwingen will – unter Anwendung der altbekannten Mischung aus Zuckerbrot (Kaufprämie etc.) und Peitsche (z.B. Zulassungs- und Fahrverbote). Erschwerend kommt hinzu, dass die Politik dies, etwa bei der Frage einer geeigneten Technologie, auf der Basis eines nur angemaßten Wissens tut. Die Mobilitätslösungen der Zukunft werden also nur noch in Detailfragen am Markt entdeckt, müssen aber innerhalb jenes engen ideologischen Korsetts stattfinden, das die Politik geschnürt hat und das zum Teil auf den Einflüsterungen diverser Interessengruppen beruhen dürfte. Es hat Gründe, dass sich allein in Brüssel Zigtausende Lobbyisten die Klinke in die Hand geben. Sollte es beispielsweise dem Autogiganten Toyota gelingen, seinen Ammoniakmotor irgendwann doch noch zur Markt- und Serienreife zu entwickeln, müsste sich das Unternehmen dann nicht nur gegen den Wettbewerb, sondern auch gegen ein Regelungswirrwarr durchsetzen, das spezifisch auf die Elektromobilität zugeschnitten wurde – Technologieoffenheit: Fehlanzeige.

Fazit
Aus Sicht der Austrians sprechen wesentliche ordnungspolitische Einwände gegen die politische Bevorzugung der Elektromobilität. Die Maßnahmen verzerren den Wettbewerb, stören den marktlichen Entdeckungsprozess und wirken damit perspektivisch wohlstandsmindernd, nicht zuletzt, weil sie auf einem lediglich angemaßten Wissen der Politik beruhen.

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