Die Märkte sind bereit
Ziemlich abgearbeitetSeit dem „Liberation Day“, also jenem denkwürdigen 2. April 2025, als Trump umfassende Zölle für die US-Handelspartner ankündigte und die Aktienbörsen zum Beben brachte, haben sich die Wogen etwas geglättet. Etliche Deals wurden inzwischen eingetütet. Fiskalisch sind diese erst einmal ein voller Erfolg für die USA. Langfristig sieht das anders aus, denn jede Einschränkung oder Belastung des Freihandels ist wohlstandsmindernd. Punkt. Die Verbraucher verlieren schon jetzt. Auf deren Rücken generiert der US-Fiskus seine Einnahmen. Zudem hat das Ganze unbeabsichtigte Nebeneffekte wie eine Erhöhung der US-Inflationsrate, deren Effekt auf +0,8 Prozentpunkte in 2025 geschätzt wird. Trumps Protektionismus ist insgesamt kein Erfolgsmodell, auch, wenn nicht ernsthaft in Abrede gestellt werden kann, dass Länder wie China unfaire Handelspraktiken anwenden. Ausgerechnet auf die Schweiz, die ansonsten so sehr um ein niedriges Profil in den Konflikten dieser Zeit bemüht ist, hat Trump den Zollhammer besonders heftig niedersausen lassen – 39% sind es nach einem völlig missglückten Verhandlungsversuch der Bundespräsidentin und Finanzministerin Karin Keller-Sutter geworden, deren Auftreten von der US-Seite als „oberlehrerhaft“ empfunden wurde. Die Eskalation zeigt die Asymmetrie im Verhältnis der beiden Handelspartner, in dem die USA ihre Bedingungen de facto diktieren können. Trotz all dieser unerfreulichen Entwicklungen scheinen die Märkte das Zollthema bereits abgearbeitet zu haben. Das Erstaunliche daran ist, dass sie danach und trotz der Verschlechterung der Rahmenbedingungen auf neue Allzeithochs gestiegen sind.
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Starke Berichtssaison
Was also treibt die Aktien weiter an? Zum einen verlief die US-Berichtssaison insgesamt sehr positiv. Fast 80% der S&P 500-Unternehmen übertrafen die Konsenserwartungen hinsichtlich Gewinn und Umsatz. Besonders die Technologiebranche, angeführt von den „Glorreichen Sieben“, zeigte ein starkes Gewinnwachstum von 17% im Vergleich zu 4% im restlichen S&P 500. Der Technologiesektor verzeichnete zudem ein Umsatzwachstum von 14% gegenüber 7% im Gesamtmarkt. Schwächer tendierten Energie und Grundstoffe, obwohl deren Gewinnschätzungen nach oben korrigiert wurden. Für das dritte Quartal wurden die Gewinnerwartungen erneut in die Höhe geschraubt, was einer der wesentlichen Kursreiber sein dürfte.
Hoffen auf die Fed
Der andere große Kurstreiber sind Zinssenkungshoffnungen im September, nachdem diese im Juli noch enttäuscht wurden. Die „Zinssenkungswurst“ baumelt also weiter vor den Nasen der Marktteilnehmer. Es wird erwartet, dass Powell sich am 17. September dem Druck des US-Präsidenten wohl nicht länger entziehen kann und eine vorsichtige Zinssenkung vornehmen wird. Immerhin hat er sein Standing bewiesen, indem er etliche kernige Tiraden aus dem Weißen Haus an sich hat abperlen lassen. Das CME FedWatch Tool taxiert die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung um 25 Basispunkte aktuell mit 87%. Sollte die Inflation (+2,7% im Juli) bis dahin keinen Strich mehr durch die Rechnung machen und der Arbeitsmarkt weiter eher schwach bleiben – die Juli-Arbeitslosenquote lag zuletzt bei 4,2% und es wurden nur 73.000 neue Jobs geschaffen – ist die Zinssenkung gesetzt.
Sind das gute Nachrichten? Nicht unbedingt. Vielmehr scheint es so, dass sich der Aktienmarkt an der Hoffnung auf die Zinssenkung und eine Fortsetzung der guten Entwicklung der Unternehmenszahlen entlanghangelt. Da ist Enttäuschung vorprogrammiert. Dies auch dann, wenn die Erwartungen tatsächlich erfüllt werden (siehe unten). Nicht umsonst gilt unter Börsianern die Regel „Buy the rumour, sell the fact.“ Es bedarf möglicherweise nur wenig, um den Markt, der zuletzt erste Rücksetzer zu verdauen hatte, über die sprichwörtliche Klippe zu schieben. Sollte sogar ein „Schwarzer Schwan“ eintreffen, könnten die Hoffnungen schlagartig zerstieben. In dieser Hinsicht kann zum Beispiel an den Ukraine-Friedensprozess gedacht werden, um den es merkwürdig still geworden ist, und der von interessierter Seite regelrecht sabotiert zu werden scheint.
Kleine Armada möglicher grau-schwarzer Schwäne
Da wir gerade schon bei den Negativfaktoren sind, muss noch die Saisonalität erwähnt werden. Historisch gilt der September als der schlechteste Börsenmonat für Aktien, ist also besonders anfällig für Kursrücksetzer. Dass es mit den Staatsfinanzen westlicher Länder nicht zum Besten steht, ist allgemein bekannt. Wie schlimm es ist, erahnt man an den Mehr-Jahres-Hochs der langfristigen Zinsen in jenen Ländern, in denen besonders marktferne Regierungen agieren, wie dies in Frankreich (Macron) und Großbritannien (Starmer) der Fall ist (siehe auch unseren heutigen Depotteil). In Frankreich stellt Premierminister François Bayrou am 8.9. zudem die Vertrauensfrage, die er wohl nicht überstehen wird. Dann käme im EU-Kernland neben der ausufernden Haushaltslage noch politische Unsicherheit hinzu. Es riecht also nach kleineren und größeren Disruptionen, für die der Herbst eine geradezu traditionelle Bühne bietet. „Disruption“ ist entsprechend auch das Titelthema unserer September-Ausgabe. Wir werden dieses Thema aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten und Ihnen sowohl Disruptionsverlierer als auch -gewinner vorstellen. Vor einer ganz besonderen Disruption steht der Smart Investor selbst, der voraussichtlich ab der Oktober-Ausgabe unter neuem Titel erscheint. Unser bewährtes Logo „SI“ bleibt uns allerdings erhalten.
Düstere Vorahnungen
International scheint der Goldpreis ebenfalls Ungemach anzukündigen. Das Krisenmetall zeigte sich zuletzt besonders stark und dies, obwohl es von der Zinsseite – abgesehen von den Zinshoffnungen in den USA – keinen ausgesprochenen Rückenwind erhält. Anleger streben offenbar in Richtung „sicherer Hafen“. Dazu kommen prominente Warnungen. Warren Buffett ist schon seit geraumer Zeit skeptisch, was sich anhand des Hochs beim Buffett-Indikator (Marktkapitalisierung des US-Aktienmarktes / US-GDP) erklären lässt. Der Wert von knapp 220% liegt um mehr als zwei Standardabweichungen über dem langjährigen Mittel, was auf eine starke Überbewertung hindeutet. Nun reihte sich Hedgefonds-Legende Ray Dalio wieder einmal im Lager der Mahner ein. Sogar die Bild-Zeitung zitiert ihn, was dann eher darauf schließen lässt, dass die Sache nicht ganz so akut ist. Auch hat Dalio, ebenso wie Buffett, schon wiederholt und letztlich ohne Effekt vor einem Kursrückgang gewarnt. Im Hinterkopf sollte man diese Warnungen aber dennoch behalten.
In der Erwartungsfalle
Dass selbst beste Unternehmensdaten nicht immer ausreichen, um den Kurs zu unterstützen, zeigten die letzten Quartalszahlen von NVIDIA (WKN: 918422). Die waren eigentlich sehr ordentlich. Der Umsatz stieg gegenüber dem Vorjahresquartal um 56% von 46,7 Mrd. USD, was leicht über den Erwartungen von 46,0 Mrd. USD lag. Auch beim Gewinn pro Aktie konnten mit 1,05 USD gegenüber 1,01 USD die Erwartungen geschlagen werden. Für das dritte Quartal wurde ein Umsatzanstieg auf 54,0 Mrd. USD in Aussicht gestellt. Das alles war, wie gesagt, sehr ordentlich. Aber „sehr ordentlich“ ist eine Kategorie, in welcher der Markt bei NVIDIA nicht denkt. Der Superlativ ist hier längst Pflicht geworden. Das bedeutet, dass die eigentliche Erwartung in einer deutlichen Übererfüllung der Konsensschätzung besteht. Entsprechend kann es bei dieser Aktie zu der paradox anmutenden Situation kommen, dass die Erwartungen geschlagen werden und der Markt dennoch enttäuscht reagiert. Diesmal war das der Fall. Schnell waren dann auch die bekannten Erklärungen parat, insbesondere die Unsicherheiten im China-Geschäft, aufgrund von US-Exportbeschränkungen und den Gegenmaßnahmen Chinas. Dass NVIDIA keine Verkäufe der H20-Chips in China einplante, ist allerdings nicht nur negativ zu sehen. Denn hier steckt ein schlummerndes Potenzial in der Aktie, das zu einem späteren Zeitpunkt noch gehoben werden könnte. Das eigentliche Problem ist die Bewertung. Denn die hohen Erwartungen haben längst ihren Eingang in die Kurse gefunden. Ein KGV von rund 40 gegenüber einem NASDAQ-KGV von ca. 22 zeigt, wie positiv das Papier allgemein gesehen wird. Wenn sich an dieser Sichtweise nur ein wenig ändert, kann noch einiges an Luft abgelassen werden. Bei den optimistischen Prognoserechnungen sollte auch nicht übersehen werden, dass NVIDIA mit der Zeit Konkurrenten im Bereich der KI-Chips erwachsen bzw. schon erwachsen sind, etwa AMD (WKN: 863186), die sich zuletzt dynamischer entwickelten. Das angekündigte Aktienrückkaufprogramm in Höhe von 50 Mrd. USD relativiert sich angesichts einer Marktkapitalisierung von 4.150 Mrd. USD und stahlt ein wenig das Odium von Stützungskäufen aus. Fazit: Der beste Teil der NVIDIA-Party liegt hinter uns.
Zu den Märkten
In der letzten Woche hatten wir an dieser Stelle auf die Wimpel-Formation im DAX hingewiesen, die irgendwann zwangsläufig zu einem Ausbruch führen müsste. Dass es so schnell ging, ist ein klares Votum. Da hatten wohl große Adressen die Hand am Abzug und ließen den deutschen Leitindex gestern unter steigenden Umsätzen um 2,3% in die Tiefe rauschen. Heute gibt es zwar leichte Erholungsversuche, aber das ist erst einmal nicht mehr als eine technische Reaktion. Das Ausbruchsniveau müsste nun rasch zurückerobert werden, um das Negativszenario zu heilen. Aber selbst, falls das gelänge, ist die Sache damit noch nicht trockenen Tüchern. Sollte ein grauer, dunkelgrauer oder gar schwarzer Schan in diesem Herbst auf die Märkte treffen, könnte der DAX erneut in eines der gefürchteten Luftlöcher fallen. Unterstützung durch Schnäppchenjäger ist bei den erreichten Kurshöhen jedenfalls noch nicht zu erwarten.
Ein ganz ähnliches, negatives Bild zeigt sich beim Euro Stoxx 50. Hier haben wir im aktuellen Smart Investor 9/2025 eine hochinteressante Grafik des von uns sehr geschätzten Analysten Klaus Deppermann abgebildet, in der die Kursentwicklung der letzten beiden Jahre mit den insgesamt sieben Toppbildungen des Index seit 1990 verglichen wird. Es zeigt sich eine auffällige Ähnlichkeit, die sich durch den Kursrückgang in dieser Woche weiter erhärtete. Die Warnung kam für die Leser des Magazins genau rechtzeitig. Sollte sich die Situation entsprechend weiter entwickeln, sind beim Euro Stoxx 50 noch deutliche Abschläge zu erwarten.
Was diese eher düsteren Perspektiven für unser Musterdepot bedeuten, dazu nehmen wir diesmal ausführlich in unserer Rubrik Musterdepots & wikifolio Stellung (siehe Hinweis unten).
Mit dem September startet die Informationsoffensive für Anleger
Der traditionelle Veranstaltungsherbst rückt näher. Mehrwertige Informationen für Anleger gibt es unter anderem hier:
Investieren wie Buffett
Investieren wie Warren Buffett ist ein Thema, das Börsianer definitiv interessiert. Die zehn Freikarten, die wir in der letzten Woche für das Seminar „Die Berkshire Hathaways der Welt“ auslobten, waren bereits am nächsten Tag restlos vergeben. Für einen regulären Besuch gibt es aber noch Karten. Lassen Sie sich die Gelegenheit also nicht entgehen, von ausgewiesenen Experten mehr über die interessantesten börsennotierten Beteiligungsmodelle zu lernen. Dazu gibt es reichlich Möglichkeit zu „networken“. Die Veranstaltung findet am 15. September ab 15:45 Uhr im Haus der Bayerischen Wirtschaft in München statt. Anmelden können Sie sich hier.
Lunch für Profis
Am Donnerstag, den 18.9., findet um 12 Uhr ein „Makro Lunch“ der französischen Investmentfirma H2O in einem noblen Münchner Restaurant statt, bei dem der Chef und Hauptstratege Vincent Chailley seine Einschätzung zu den Märkten abgibt. Er wird in englischer Sprache referieren. Die Teilnahme an dieser Veranstaltung ist kostenlos, aber nur für professionelle Anleger gedacht. Interessenten melden sich bitte bei Karina Perwald-Leroy: Karina.Perwald-Leroy@h2o-am.com
Rohstoffmesse München
Am 3./4. Oktober treffen sich die Edelmetallfans zur Rohstoffmesse München in der Kleinen Olympiahalle. Keynote-Speaker werden sein: „Mr. Dax“ Dirk Müller, der Chef von Swiss Resource Capital, Jochen Staiger, Midas Touch-Herausgeber, Florian Grummes und Rohstoffexperte Prof. Dr. Torsten Dennin. Als Aussteller werden 100 Rohstoffunternehmen erwartet, welche die Anleger vor Ort aus erster Hand über den Gang ihrer Geschäfte informieren werden. Zudem werden auch mehrere Händler vor Ort sein, die Ihnen sicher ein gutes Angebot für physische Ware machen werden. Dazu gibt es natürlich reichlich Gelegenheit zum Networking mit Gleichgesinnten. Das Beste daran: Der Eintritt zur Veranstaltung ist kostenlos. Konkrete Informationen über Aussteller und die Bestellmöglichkeit für die Eintrittskarten finden Sie auf der Webseite des Veranstalters.
Intensivseminar Optionen
Noch etwas Zeit ist bis zum Intensivseminar von OptionEarner am 29. & 30. November, ebenfalls in München. Hier lernen Interessierte nicht nur die Grundlagen zur Optionsbepreisung und zur Renditequelle Zeitwert, sondern auch ganz praktische Tipps für Stillhalterstrategien und die Suche nach geeigneten Underlyings. Im Seminarpreis enthalten ist zudem ein 12-monatige Zugriff auf das Premium-Abo von OptionEarner. Nähere Informationen zu Ablauf und Kosten finden Sie hier. Auch hier gibt es für Leser dieses Newsletters einen attraktiven Rabatt.
Musterdepots & wikifolio
In der Rubrik Musterdepots & wikifolio wartet auf Sie dieses Mal eine ausführliche Einordnung unserer Engagements im Aktienbereich vor dem Hintergrund der jüngsten Kurskapriolen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Rohstoffengagements. Unseren Monatsbericht zur Entwicklung des Aktienmusterdepots im August inklusive des ausführlichen Tabellenteils zu Bestand und Transaktionen finden Sie in der Ausgabe der KW 35/2025. Im Musterdepotbereich können Sie sich durch einfaches Blättern einen schnellen Überblick über die Transaktionen der letzten Wochen verschaffen. Um diesen Bereich zu lesen, müssen Sie Abonnent des Smart Investor Magazins sein und sich auf der Smart-Investor-Website einloggen. Sollten Sie Ihr Passwort vergessen haben, fordern Sie bitte ein neues bei abo@smartinvestor.de an.
Fazit
Schnelle Rücksetzer zeigen, dass die Luft für die Märkte dünner geworden ist. Wer engagiert ist, scheint nicht lange zu fackeln, wenn Verkaufssignale auftreten. Dabei hat der Herbst gerade erst begonnen …
Ralf Flierl, Ralph Malisch
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