La Vie „En Dettes“

Titelbild: © sora.chatgpt.com

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Regierungssturz mit Ansage

Paukenschlag

Es war lange Zeit unter dem Radar der Beobachter – und da sollte es auch bleiben, das französische Schuldenproblem. Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron flüchtet sich vorzugsweise auf das internationale Parkett – Ukraine, Ukraine, Ukraine – während ihm der eigene Laden immer sichtbarer um die Ohren zu fliegen droht. Das Muster ist auch hierzulande nicht völlig unbekannt. Frankreich aber ist schon ein bis zwei Schritte weiter. Das Ganze gipfelte in einer Regierungskrise. Am Montag hat der bisherige Premierminister François Bayrou die Vertrauensfrage gestellt und diese nicht nur erwartungsgemäß, sondern mit 194 zu 364 Stimmen überraschend hoch verloren. Am Dienstag wurde der frühere Verteidigungsminister, Sébastien Lecornu, zum neuen Chef einer Minderheitsregierung ernannt. Seit den 2024er Wahlen ist damit bereits die dritte französische Regierung gestürzt. Stabile Mehrheiten und eine stabile Regierung sind in der stark fragmentierten Nationalversammlung während dieser Legislatur nicht mehr zu erwarten. Allerdings ist die Stellung des französischen Premierministers nicht mit der eines deutschen Bundeskanzlers zu vergleichen. Im Gegensatz zu Deutschland ist in Frankreich der Staatspräsident der eigentlich starke Mann und der heißt weiter Macron.

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Reformunfähig und -unwillig

Auslöser der Regierungskrise war der Haushaltsplan, der 44 Mrd. EUR Einsparungen vorsah, einschließlich Kürzungen bei Sozialausgaben und der Streichung von Feiertagen, um das ausufernde Staatsdefizit („dettes“, frz. = Schulden) halbwegs in den Griff zu bekommen. Die extreme Linke reagierte, wie sie es immer tut: Gewalt auf den Straßen – den erwarteten 100.000 Demonstranten sollen 80.000 Polizisten gegenüberstehen. Dazu kommen Forderungen nach einem Generalstreik. Aber selbst unter den gemäßigten Kräften gibt es kaum die Bereitschaft, sich mit den Lebenslügen der Republik – nicht nur beim Thema Migration – ernsthaft zu befassen. Noch will man nicht wahrhaben, dass „La Vie En Rose“ vorbei ist. Konsequenterweise bleibt Frankreich, was es seit Jahrzehnten ist, absolut reformunfähig und -unwillig. Warum sollte sich die französische Politik denn bewegen? Qua EU lässt sich immerhin ein Teil der deutschen Bonität quasi vergemeinschaften. Da mögen die Deutschen noch so ein flaues Gefühl haben, zumal auch die eigene Staatsverschuldung ins Kraut schießt, mucken werden sie aufgrund der Unverbrüchlichkeit der deutsch-französischen Beziehungen aber nicht. Währenddessen ist Frankreichs Verschuldung – von der deutschen Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt – auf italienisches Krisenniveau angewachsen. Die Schuldenquote zum BIP beträgt je nach Quelle und Abgrenzung satte 114% bis 116%, die Neuverschuldung für 2025 und 2026 jeweils rund 5,8% des BIP. Damit liegt das Land in beiden Dimensionen bei knapp dem Doppelten dessen, wozu man sich unter den stabilitätswahrenden Maastricht-Kriterien – erinnert sich daran noch jemand?! – einst vertraglich verpflichtet hatte.

Risikoprämie steigt

Auch wenn die Politik unablässig über Nachhaltigkeit schwatzt, sieht es in deren ureigenstem Feld, der Fiskalpolitik, alles andere als nachhaltig aus. Die Rendite der 30jährigen französischen Anleihen spricht eine eindeutige Sprache. Sie erreichte in der Vorwoche mit 4,5% ein neues markantes Mehr-Jahres-Hoch. Eine Senkung des Moody’s Rating trieb die Renditen der 10-jährigen Bonds über die von Griechenland und Spanien. Der Spread zu deutschen Bonds stieg auf 80 Basispunkte. Sollte der OAT-BUND-Spread über die magische Marke von 100 Basispunkten anziehen, könnte ernsthaft Panik in den Euro kommen. Das Zutrauen der Märkte nimmt jedenfalls ab und dieser Prozess könnte sich sogar beschleunigen, mit potenziell höchst bedrohlichen Folgen für die Eurozone und letztlich die EU. Schließlich ist die Dimension der französischen Malaise in absoluten Zahlen um ein Vielfaches größer als seinerzeit in Griechenland. Ein Fragezeichen ist erlaubt, ob Deutschland in einer Finanzkrise 2.0 erneut als Retter Gewehr bei Fuß stehen kann. Zwar hat es sich den zweifelhaften Ruf erworben, unter den Blinden der Einäugige in Sachen Staatsverschuldung zu sein, doch ausgerechnet Friedrich „Schuldenbremse“ Merz schickte sich an, diesen Nachhall von Solidität vollends zu verspielen.

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Euro-Höhenflug stottert

Sollte das EU- und Euro-Kernland seine Probleme nicht in Griff bekommen, hätte dies erhebliche Negativfolgen für den Euro. Dort ist es zurzeit jedoch noch ruhig. Die gewollte (?) US-Dollar-Schwäche überlagert derzeit aber das Eigenleben des Euros. Im Euro-Kurs ist die französische Regierungskrise jedenfalls nicht zu sehen. Dennoch wäre es auch nicht das erste Mal, dass die Anfänge einer solchen Entwicklung von den Märkten zunächst unterschätzt werden, häufig, um dann umso heftiger zu reagieren. Betrachtet man den Chart, dann ist der Gipfelsturm der EU-Währung allerdings seit Juli ohnehin gestoppt. Wollte der Euro an diese Erfolgsgeschichte anknüpfen, müsste er überzeugend über die Marke von 1,183 USD ansteigen. Genau das gibt die Nachrichtenlage im Moment aber nicht her.

Die Fed wird liefern

Zu Irritationen führten die US-Arbeitsmarktdaten. Im August wurden nur 22.000 neue Jobs geschaffen, weit unter den erwarteten 150.000. Die Arbeitslosenquote stieg auf 4,3%, der höchste Wert seit 2021. Die Juni-Revision führte zudem mit -13.000 Jobs zum ersten Verlust seit 2020. Alles in allem signalisieren die Zahlen eine so deutliche Abkühlung, dass bereits wieder Rezessionssorgen aufkeimen. Das wäre zwar schlecht für die Wirtschaft, aber dadurch werden Zinssenkungen der Fed nun sehr wahrscheinlich. Der 17.9. ist für eine Lockerung um 25 Basispunkte gesetzt. Inzwischen gelten weitere Reduzierungen während des restlichen Jahres als möglich. Ganze drei gewichtige US-Finanzinstitutionen – Goldman Sachs, Citigroup und Wells Fargo – gehen inzwischen von drei Senkungen in den verbliebenen Fed-Sitzungen des Jahres (September, Oktober, Dezember) um insgesamt 75 Basispunkte aus. Lediglich eine zu hartnäckige Inflation könnte da noch einen Strich durch die Rechnung machen. Nicht einmal das Zoll-Argument wollen die Zinsoptimisten gelten lassen. In rund einem halben Jahr bewegen wir uns da nämlich in die Basiseffekte hinein.

Anlagenotstand voraus?

Die Hoffnung der Märkte besteht also in einer erneuten geldpolitischen Stimulierungsrunde. Das ist ein altes Rezept, das bislang meistens für Fantasie an den Märkten sorgen konnte. Die „Austrians“ haben eine klare Haltung zu solchen Ankurbelungsmaßnahmen. Sie erzeugen bloße Scheinblüten, für die am Ende auch noch eine dicke Rechnung präsentiert wird. Trotz dieses Wissens kann es rational sein, weiter in den Märkten engagiert zu bleiben. Denn Befürchtungen, dass Notenbanken mit ihrer lockeren Geldpolitik irgendwann einmal überziehen, sind nicht von der Hand zu weisen. Wird zu schnell und zu viel Geld gedruckt, dann heizt das nicht nur die Wirtschaft, sondern vor allem die Inflation an. Ein solcher Verfall des Geldwerts bringt perspektivisch jede glaubwürdige Geldpolitik in die Zwickmühle. Märkte sind ziemlich gut darin, solche Zwickmühlen zu erahnen. Ein großer Marktteilnehmer in Schwierigkeiten – und Notenbanken sind die bedeutendsten Marktteilnehmer – lockt die Spekulation an wie das sprichwörtliche Blut im Wasser die Haie. Während einer Phase der expansiven Geldpolitik gibt es zudem eine Assetklasse, in der Sie nicht einmal sein wollen, wenn Sie Warren Buffett heißen und auf 344 Mrd. USD Cash sitzen. Für solche Geldberge könnte das Thema Anlagenotstand perspektivisch wieder akut werden. Die Austrians nennen das Crack-up Boom.

„Anti-Cash“ & Wachstum

Wo man dagegen sein will, das zeigen uns die Märkte durch ihre Relativbewegungen. Da ist beispielsweise Gold als „Anti-Cash“, das zuletzt von Allzeithoch zu Allzeithoch stürmte. Aber auch Wachstumsaktien bleiben gefragt. Da in diesem Bereich die Gewinne erst in der Zukunft anfallen, spielt der Abzinsungsfaktor eine entscheidende Rolle. Sinkende Zinsen eröffnen bei Wachstumsaktien entsprechend den größten Bewertungsspielraum nach oben. Das ist natürlich nicht neu und wohl einer der Gründe, warum dieser Sektor jetzt schon besonders hoch bewertet ist. Den Anlegern wird das immer mal wieder schlagartig bewusst und es kommt zu jenen gefürchteten Abverkäufen, die furchteinflößend sein können. Sitzt man danach auf Cash (s.o.) hat man das Problem, diesen wieder möglichst gewinnbringend einzusetzen. Dabei erwiesen sich Tech-Titel nicht nur wegen der Wachstumsaussichten als attraktiv, sondern auch deshalb, weil hier solche Einbrüche regelmäßig besonders heftig ausgefallen sind, was günstige Einstiegsmöglichkeiten eröffnete. Dagegen war der breite Markt in den letzten Jahren oft nur zweite Wahl. Für vorsichtige Anleger bestünde eine Vorgehensweise darin, Pulver trocken zu halten, um beim nächsten Dip einzusteigen – dies jedoch mit einem vernünftigen Stopp-Loss, denn jeder weitere Dip birgt die Gefahr, der letzte zu sein.

Aus Phoenix wird Ikarus

In der Juli-Ausgabe des Smart Investor haben wir uns unter dem Titel „Phönix aus der Asche“ mit einem besonderen IT-Unternehmen beschäftigt – Nebius* (WKN: A1JGSL). Das ehedem als russische Google bezeichnete Unternehmen firmierte früher unter dem Namen Yandex. Schon im Jahr 2000 verlegte das Unternehmen seinen Sitz nach Amsterdam, der Kurs wurde mit dem Beginn des Ukraine-Kriegs dennoch ausgesetzt. Das Management verurteilte den Krieg und trennte sich von den russischen Aktivitäten. Inzwischen betreibt die Gesellschaft Data Center für das Training Künstlicher Intelligenz, ein Geschäft, das in etwa mit CoreWeave (WKN: A413X6) vergleichbar ist, einer Aktie, die um ein Vielfaches höher bewertet ist. Langsam scheint Nebius allerdings das Russland-Stigma abschütteln zu können. Regelrecht explodiert ist der Kurs gestern an der NASDAQ (+49,5%), nach der Bekanntgabe eines Mehr-Jahres-Vertrags mit Microsoft. Damit ist der Phoenix nicht nur erwacht, sondern gleich direkt in die Flugbahn von Ikarus eingeschwenkt. Smart Investor-Leser hatten den Titel seit Ende Juni auf ihrem Radar.

Zu den Märkten

Nachdem wir uns gerade ausführlich mit den US-Zinssenkungshoffnungen und den hohen Bewertungen an den US-Börsen beschäftigt haben, nun zum heimischen DAX. Der Chart ist hier deutlich schwächer. Das geht insofern in Ordnung, als Wirtschaftslage und Wirtschaftsausblick für Deutschland ebenfalls nicht gerade rosig sind. Die von Friedrich Merz versprochene Aufbruchstimmung ist nicht zu spüren. Dafür gibt es in immer mehr Branchen echte Abbruchstimmung. Angesichts von Steuererhöhungsdebatten ist zudem nicht zu erkennen, woher der positive Ruck kommen soll. Entsprechend schwer tut sich der Index, mit Ausbruchsversuchen in Richtung des alten Allzeithochs. Stattdessen schleichen sich die deutschen Blue Chips an der Unterstützungslinie des an dieser Stelle bereits besprochenen Wimpels entlang und verletzen sie inzwischen praktisch täglich. Die Candlesticks zeigen überwiegend Abwärtskörper. All das ist gepaart mit einer bemerkenswert geringen Volatilität und unterdurchschnittlichen Umsätzen. Zusammenfassend eine Konsolidierung am unteren Rand des übergeordneten Wimpels. Gelingt der Befreiungsschlag nicht bald, halten wir einen Kursdurchbruch für die wahrscheinlichere Alternative.

Wissenswertes für Börsianer und Gold Bugs

Ein ganzer Strauß an Veranstaltungen wartet ab nächster Woche auf unsere Leser:

Lunch für Profis
Am Donnerstag, den 18.9., findet um 12 Uhr ein „Makro Lunch“ der französischen Investmentfirma H2O in einem noblen Münchner Restaurant statt, bei dem der Chef und Hauptstratege Vincent Chailley seine Einschätzung zu den Märkten abgibt. Er wird in englischer Sprache referieren. Die Teilnahme an dieser Veranstaltung ist kostenlos, aber nur für professionelle Anleger gedacht. Interessenten melden sich bitte bei Karina Perwald-Leroy: Karina.Perwald-Leroy@h2o-am.com

Rohstoffmesse München
Am 3./4. Oktober treffen sich die Edelmetallfans zur Rohstoffmesse München in der Kleinen Olympiahalle. Keynote-Speaker werden sein: „Mr. Dax“ Dirk Müller, der Chef von Swiss Resource Capital, Jochen Staiger, Midas Touch-Herausgeber, Florian Grummes und Rohstoffexperte Prof. Dr. Torsten Dennin. Als Aussteller werden 100 Rohstoffunternehmen erwartet, welche die Anleger vor Ort aus erster Hand über den Gang ihrer Geschäfte informieren werden. Zudem werden auch mehrere Händler vor Ort sein, die Ihnen sicher ein gutes Angebot für physische Ware machen werden. Dazu gibt es natürlich reichlich Gelegenheit zum Networking mit Gleichgesinnten. Das Beste daran: Der Eintritt zur Veranstaltung ist kostenlos. Konkrete Informationen über Aussteller und die Bestellmöglichkeit für die Eintrittskarten finden Sie auf der Webseite des Veranstalters.

Optionen meistern – Gewinne maximieren!
Am 29. & 30. November 2025 lädt OptionEarner nach München zum großen Intensivseminar ein. In zwei Tagen lernen Sie alles, was erfolgreiche Optionsanleger brauchen: von den Grundlagen der Optionsbewertung über die Renditequelle Zeitwert bis hin zu praktischen Stillhalterstrategien und der Auswahl geeigneter Underlyings. Doch das ist erst der Anfang:
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Musterdepots & wikifolio

In der Rubrik Musterdepots & wikifolio finden Sie heute ein Update zur Fusion von Anglo American mit Teck Resources sowie zur Stärke unserer Edelmetallfonds. Unseren Monatsbericht zur Entwicklung des Aktienmusterdepots im August inklusive des ausführlichen Tabellenteils zu Bestand und Transaktionen finden Sie in der Ausgabe der KW 35/2025. Im Musterdepotbereich können Sie sich durch einfaches Blättern einen schnellen Überblick über die Transaktionen der letzten Wochen verschaffen. Um diesen Bereich zu lesen, müssen Sie Abonnent des Smart Investor Magazins sein und sich auf der Smart-Investor-Website einloggen. Sollten Sie Ihr Passwort vergessen haben, fordern Sie bitte ein neues bei abo@smartinvestor.de an.

Fazit

Frankreich kommt auf den Hund, aber die Tech-Bullen wittern Morgenluft.

Ralf Flierl, Ralph Malisch

 

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Die Charts wurden erstellt mit stock3 und Tai-Pan von Lenz+Partner. Diese Rubrik erscheint jeden Mittwochnachmittag.

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