„Die Rache der maßlosen Geld- und Fiskalpolitik“

Dr. Holger Schmitz

ARTIKEL TEILEN

Facebook
Twitter
LinkedIn
Email

Interview

Smart Investor im Gespräch mit Dr. Holger Schmitz über die geldpolitische Sackgasse, in der die EZB steckt, den taumelnden Euro, auf Exzesse folgende Preisrückgänge bei Immobilien und einen kommenden Lastenausgleich

Smart Investor: Herr Dr. Schmitz, bei unserem letzten Interview vor etwas mehr als einem Jahr sagten Sie: „Die höhere Inflation ist politisch gewollt“, womit Sie ein heute omnipräsentes ­Thema schon frühzeitig angesprochen haben …
Schmitz: Ja – und ich wundere mich, dass sich so viele wundern über diese hohe Infla­tion. Jetzt hört man doch alle möglichen Ausreden. Der Ukrainekrieg wird nun als Grund für die Inflation nachgeschoben, zudem die steigenden Rohstoffpreise, Corona und was sonst nicht alles. Doch der eigentliche Grund ist die gewaltige Ausdehnung der Geldmenge.

Smart Investor: Sie hatten auch immer wieder darüber gesprochen, dass sich die maßlose Geld- und Fiskalpolitik der letzten Jahre irgendwann rächen wird. Erleben wir gerade diese Rache?
Schmitz: Ja, schauen Sie sich die Griechenlandkrise und die Corona-Krise an: Zu deren „Bekämpfung“ wurde Geld gedruckt ohne Ende. Wenn die Geldberge aber deutlich mehr wachsen als die Güterberge, dann muss irgendwann die Inflation kommen – das ist nur eine Frage der Zeit. Da erinnere ich gerne an Milton Friedmann, der gesagt hat: „Inflation ist immer und überall ein monetäres Phänomen.“ Insofern: Ja, die monetäre Maßlosigkeit der letzten Jahre rächt sich nun.

Smart Investor: Was bedeutet das eigent­lich für EZB-Chefin Christine Lagarde, die offenbar denkt, dass die Inflation ein vorübergehendes Phänomen ist? Hat sie ihr Handwerk nicht gelernt oder wo liegt das Problem?
Schmitz: Ich fürchte, dass man bei der Zentralbank einfach intern abwägt, was der größere Schaden ist: Inflation oder Staatsbankrotte? Man muss sich doch nur überlegen, was denn passiert, wenn wir jetzt wirk­lich mal stärker steigende ­Zinsen bekommen und wenn es auch wieder nur mal in den historischen Normalbereich, z.B. auf 5%, gehen sollte. Ein Land wie Italien hat 150% Staatsverschuldung be­zo­gen auf das BIP. Wenn man darauf 5% Zinsen zahlt, dann fließen jedes Jahr 7,5% des Haushaltsbudgets weg – nur für Zinsen. ­Italien wäre dann faktisch pleite, und da ist die Abwägung der EZB möglicherweise, ­lieber hohe Inflationsraten zuzulassen, aber ­damit die Insolvenz der Staaten noch mal auf die lange Bank zu schieben.

Smart Investor: Die Zinsen sind in den letzten Monaten im Euro- und Dollarraum geradezu explodiert. Was bedeutet das konkret für die Wirtschaft?
Schmitz: Bei einigen Staaten dürfte es zu kri­tischen Entwicklungen und bei hoch ver­schuldeten Unternehmen zu drohenden Insolvenzen kommen. Die Sparer werden zwar wieder mehr entlohnt, aber nur abso­lut. Relativ verlieren sie an Kaufkraft, da die Zinsen deutlich unter der Teuerung ­liegen.

Smart Investor: Auch an der Währungsfront ist einiges durcheinandergeraten. Der Euro schwächelt z.B. gegen US-Dollar und Schweizer Franken – zu Recht? Wohin geht die weitere Reise für den Euro?
Schmitz: Ich habe da meine langjährige Meinung nicht geändert. Ganz im Gegenteil, ich fühle mich darin nur bestätigt, wenn der Schweizer Franken nun bei eins zu eins bzw. knapp darunter steht. Der Euro ist – politisch gewollt – eine Schwachwährung und der Schweizer Franken hat als einzige Währung noch eine unabhängige Nationalbank. Sie nimmt ihre Aufgabe, die Kaufkraft zu erhalten, noch ernst; deshalb haben wir in der Schweiz mit 3,5% im August auch so eine niedrige Inflationsrate. Die Differenz von rund fünf Prozentpunkten zum Euroraum ist langfristig die Währungsaufwertung des Schweizer Franken bzw. die Währungsabwertung des Euro, und solange sich an der Inflationsdifferenz nichts ändert, wird auch der Euro gegen­über dem Franken immer eine Schwachwährung bleiben. Anders formuliert: Die Stärke des Schweizer Franken wird sich tendenziell weiter fortsetzen.

Smart Investor: Sie sprachen früher schon von der Liraisierung des Euro, heute ist dieser Begriff des Öfteren zu lesen …
Schmitz: Ja, in Anlehnung an die italienische Lira, das ist schon richtig. Italien hat die Lira immer in wirtschaftlichen Schwächephasen abgewertet und damit ein Strohfeuer entfacht. Kurzfristig hat das der Wirtschaft geholfen. Klar: Die Exporte ­wurden billiger, es wurde mehr verkauft – aber es war eben immer nur ein Strohfeuereffekt. Und es ist auch aus meiner Sicht ziemlicher Unfug, zu sagen, mit einer schwachen Währung kurbeln wir langfristig die Wirtschaft an. Wenn das so möglich wäre, dann wären doch früher Italien, Spanien und Portugal alle Exportweltmeister ­geworden. Dagegen hat Deutschland damals, als es noch eine D-Mark gab, quasi ständig aufgewertet und man ist trotz bzw. wegen der harten D-Mark über viele Jahre Exportwelt­meister gewesen. In der Schweiz ist das jetzt so ähnlich. Man hat den Schweizern pro­phe­zeit, durch den harten Schweizer Franken würde der Export einbrechen – das Gegen­teil war jedoch der Fall. Die Schweizer Indus­trie muss noch mehr auf Kos­tenminimierung setzen, sie muss noch mehr Innovatio­nen einbringen, um damit wieder weiter Erfolg zu haben. Das hat sie auch geschafft.

Smart Investor: Das heißt, der Euro wird langfristig weiter fallen, die Parität ist kein Haltepunkt?
Schmitz: Nein, es sagen bereits jetzt genügend Stimmen, auf Sicht von ein paar Jahren steht der Euro bei nur noch 0,80 CHF. Das wäre immerhin nochmals eine Abwertung von knapp 20% vom heutigen Stand aus.

Smart Investor: In unseren früheren Inter­views haben Sie sich zu Immobi­lien tendenziell negativ geäußert. Die Preiszuwächse in den letzten Jahren ­waren doch aber enorm – hat sich an Ihrer Meinung dadurch etwas geändert?
Schmitz: Ganz im Gegenteil. Zum einen habe ich in verschiedenen Gesprächen festgestellt, dass Immobilien aktuell nicht nur stagnieren, sondern auch schon Preisrückgänge hinnehmen müssen. Wie die WirtschaftsWoche im August schrieb, sind die Preise für Eigentumswohnungen von Ja­nuar bis Juli in München um 7,4% ­gefallen.

Smart Investor: Sind denn Immobilien wirklich so teuer, dass man von deut­lichen Preisrückgängen ausgehen kann?
Schmitz: Sie sprechen die Bewertungsfaktoren für Immobilien an, also das Wievielfache der Jahresmiete bin ich als Kaufpreis zu bezahlen bereit. Je nach Zinshöhe ­hatten wir oft Faktoren, die bei zwölf, 15, ­vielleicht auch mal bei 18 lagen – aber wir hatten noch nie Faktoren wie jetzt in München von knapp 50. Dass diese weiter steigen auf 60 oder 70, ist deutlich unwahrscheinlicher, als dass sie wieder in ihre histo­rischen Bandbreiten zurückkommen. ­Diese enorm hohen Preise wurden nur mit ­neuen Käuferschichten erschlossen, die sich aufgrund der Niedrigzinsen überhaupt erst solche Immobilien leisten konnten.

Smart Investor: Das war auch nur möglich, weil die Beleihungsgrenzen deutlich nach oben genommen wurden, korrekt?
Schmitz: Genau, die kritischen Finanzierun­gen der letzten Jahre waren gerade in den Hochpreisstädten wie München zu beobachten, wo annähernd zu 100% finanziert wurde. Wir hatten in der Schweiz in den 1990er-Jahren einen riesigen Immobiliencrash, da sind die Preise in gute Lagen in Zürich über die Hälfte gesunken. Damit kamen auch viele Banken in die Bredouille – diese hatten nämlich früher auch höhere Beleihungsraten. Damals hat die Schweizeri­sche Nationalbank gesagt, das machen wir nie wieder mit, die Höchst­grenze bei der Beleihung ist nun 65%. Der Rest muss als Eigenkapital vom Käufer kommen, ansonsten wird nicht finanziert.

Smart Investor: Abgesehen von der Preis- und Zinsentwicklung besteht doch bei Immobilien noch ein anderes Risiko, nämlich das eines Lastenausgleichs bzw. einer ­Vermögensabgabe.
Schmitz: Ein kleiner Aspekt nebenbei: In Deutschland läuft doch gerade wieder ein Zensus. Neben einer Erhöhung der Grund­steuer ist aus meiner Sicht der eigentliche Grund dafür, dass der Staat genau wissen will, wer welche Immobilie, in welcher Ausstattung, aus welchem Baujahr, in welcher Qualität besitzt. Damit besteht dann später die Möglichkeit, relativ zügig zu erfassen, wer wie mit einer möglichen Ausgleichsabgabe beglückt werden kann.

Smart Investor: Wann bzw. wie würde es denn zu einer solchen Ausgleichsabgabe kommen?
Schmitz: Wenn irgendwann einmal die Staatsschulden zu groß wer­den, dann muss es so etwas wie eine Bilanzverkürzung bei einem maroden Unternehmen geben – nur eben für einen Staat. Das heißt, die Aktiv- und die Passivseite der Staatsbilanz werden im gleichen Maß runtergefahren. Diese Bilanzverkürzung aus Sicht des Staates würde dann so funktionieren, dass den Bürgern ein Teil ihres Vermögens weggenommen wird – Aktivseite –, womit ein Teil der Staatsschulden – Passivseite – bezahlt werden kann.

Smart Investor: Wie kann das konkret ablaufen?
Schmitz: Die deutschen Haushalte verfügen über ein privates Gesamt­vermögen von inzwischen über 12.000 Mrd. EUR. ­Davon ist etwas mehr als die Hälfte bei Immobilien zu verorten – nicht zuletzt aufgrund der enormen Preisanstiege der letzten ­Jahre. In Aktien sind gerade einmal 600 Mrd. EUR angelegt, also ­etwa ein Zwanzigstel. Eine Vermögensabgabe, z.B. 20% des Verkehrswerts, wird also vor allem auf Eigentümer von Immobilien abzielen, da hier am meisten zu holen ist. Und das ist jetzt keine völlig neue Idee – wir haben doch schon in den vergangenen 100 Jahren in Deutschland zweimal einen Lastenausgleich gehabt. Darüber hinaus wurden die letzten Raten vom letzten Lastenausgleich 1982 gezahlt, vor gerade einmal 40 Jahren.

Smart Investor: Die Europolitik bzw. die Politik in Euroland muss einem Freigeist und Freidenker wie Ihnen doch befremdlich vorkommen.
Schmitz: Ja, das ist noch vorsichtig formuliert. Was in der Europolitik betrieben wird, ist nicht mehr weit weg von Planwirtschaft. Das hat mit freier Marktwirtschaft nichts mehr zu tun, und mit sozialer Marktwirtschaft, die immer noch in Deutschland hochgehalten wird, auch nicht. Es ist eine Form des Dirigismus und eine Form von Anmaßung von Wissen, was sich der Staat da erdreistet, die in keiner Weise begründbar ist. Es weiß niemand besser als die Summe aller Marktkräfte von Angebot und Nachfrage, wo der richtige Preis ist: der richtige Preis für Zins, der richtige Preis für eine Währung – alles. Aber nein, es gibt „schlaue“ Leute, die meinen, sie wüssten es besser als der Markt. Sie können festlegen, wo die richtigen Zinssätze sind, sie können festlegen, wo die richtigen Währungskurse sind. Da müssen sich jedem, der ein paar Semester Volks- oder Betriebswirtschaft studiert hat, die Nackenhaare hochstellen. Es gibt z.B. Politiker, die drei Studiengänge begonnen, aber keinen abgeschlossen ­haben. Bei solchen Leuten wie dem Generalsekretär der SPD, Kevin Kühnert, da kriege ich einen Hals, wenn ich den reden höre. Der möchte gerne in Berlin, obwohl er vor Gericht abgeschmettert wurde, wieder einen Mietendeckel einführen. Als ob er damit ­irgendwelche Probleme lösen würde. Er verschärft die Probleme damit doch nur, wenn man sich anschaut, wie viele Investitionen schon reduziert wurden am Berliner Wohnungsmarkt, nachdem diese Entscheidungen getroffen wurden. Das heißt, das Angebot hat sich noch weiter reduziert – und damit ist das ­Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage noch schlimmer geworden.

Smart Investor: Kommen wir zu Ihren Fonds. Wie haben ­diese sich im schwierigen ersten Halbjahr geschlagen?
Schmitz: Mitte Mai war gemäß WirtschaftsWoche und Handelsblatt unser Schmitz & Partner Global Defensiv unter den ­wenigen Fonds, die 2022 noch ein leichtes Plus hatten. Der Schmitz & Partner Global Offensiv ist natürlich, weil er ja auch ganz anders aus­gerichtet ist, ins Minus gelaufen – allerdings weniger als die ­Märkte. Auf den Defensiv-Fonds bin ich stolz, und der wird auch weiterhin genau seine vorsichtige Ausrichtung behalten, mit ­Schwerpunkt Schweizer Franken und norwegische Krone. Dann sind ­physisches Gold und Silber enthalten und auch Stabilisatoren wie Nestlé, Novartis und Roche. Diese Titel verfügen über eine ­herausragende Marktposition und zahlen seit etlichen Jahren eine steigende Divi­dende. Manche finden sie „langweilig“. Mich interessiert aber nicht, ob das jetzt spannend ist, sondern unsere Kunden wollen ja letztendlich eine gewisse Stabilität im Fonds haben – auch und gerade in schwierigen Börsenphasen wie der aktuellen.

Smart Investor: Ihre wichtigste Empfehlungen, um sein Kapi­tal in diesen Zeiten zu erhalten?
Schmitz: Raus aus dem Euro! Ich kann nicht mein ganzes Vermö­gen in Schweizer Franken anlegen, aber es gibt keinen Grund, wa­rum ich es im politisch heruntergewirtschafteten Euro halten sollte. Ein weiteres rotes Tuch ist für mich der Nachhaltigkeitseffekt. Da wird ein Popanz aufgebaut, indem man den Unternehmen Nachhaltigkeit oktroyiert. Aber gehen wir doch mal eine Stufe höher: Wieso kann ich in einem Staat nicht erst einmal Nachhaltigkeit installieren? Warum muss ich denn eine nachfolgende Generation jetzt schon mit gewaltigen Staatsschulden belasten? Was ich von den Unternehmen im Kleinen verlange, schaffe ich nicht, im Großen umzusetzen. Aber der einzelne Anleger hat doch die Chance, sich auf die Metaebene zu bewegen und zu ­sagen, wenn ich schon Nachhaltigkeitsaspekte einbauen will, dann fange ich doch mal an mit der Auswahl der Staaten. Da ist doch z.B. Norwegen viel nachhaltiger mit seinen inzwischen über 1.200 Mrd. EUR in seinem Pensionsfonds, der gut gestreut aus 70% Aktien besteht, als die Deutsche Bundesbank, die ebenfalls 1.200 Mrd. EUR an Target2-Forderungen hält – unverzinst und nicht einforderbar. Was ist denn da nachhaltiger? Da ­kriege ich doch Zustände!

Smart Investor: Danke für Ihre wie immer sehr markanten Ausführungen.

Die SCHMITZ & PARTNER AG – ­Privates Depotmanagement mit Sitz im Schweizer Tessin wurde 1997 zur individu­ellen Betreuung anspruchsvoller Kunden im Vermögensverwaltungsbereich gegründet. Die Schmitz & Partner AG arbeitet mit der 2005 ebenfalls von Dr. Holger Schmitz gegründeten Schmitz & Cie. GmbH – Individuelle Fondsberatung mit Sitz in München zusammen. Dr. Schmitz ist seit 1988 in der Vermögensverwaltung tätig und arbeitete mehrere Jahre bei der FIDUKA Depotverwaltung mit der Börsen­legende André Kostolany zusammen, ­bevor er sich 1993 selbstständig machte. Durch die Kooperation mit der Schmitz & Partner AG haben Anleger die Möglichkeit, in zwei sich ergänzende Vermögensverwaltungsfonds zu investieren: den Schmitz & Partner Global Offensiv sowie den Schmitz & Partner Global Defensiv.

UNSERE EMPFEHLUNGEN