„Zentralbanken werden den Kampf gegen die Inflation verlieren“

Martin Siegel

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Interview

Smart Investor im Gespräch mit Martin Siegel, Geschäftsführer der Stabilitas GmbH, über Mediennarrative, Inflation und Gold

Smart Investor: Herr Siegel, unter der drei­fachen Energiekrise – Gas, Öl, Strom – leiden insbesondere die Verbraucher in Deutschland. Was ist hier anders?
Siegel: Der große Unterschied ist: Wir haben die Energiewende und sind besonders gas­abhängig. Unsere Energiepolitik war ­bereits zuvor an die Wand gefahren. Jetzt bekommen wir kein billiges russisches Gas mehr. Die Genehmigung für Nord Stream 2 wurde nicht erst nach Kriegsbeginn ­verweigert, wie oft behauptet wird, sondern schon vorher. Der Krieg ist trotzdem ausgebrochen.

Smart Investor: Oft wird auch behauptet, der Krieg treibe die Inflation. Wie sehen Sie das?
Siegel: Bereits im Dezember 2021 stiegen die Erzeugerpreise mit einer Jahresrate von +24,2%. Tatsächlich steigen sie sogar seit Anfang 2020, ohne dass der Anstieg durch den Kriegsausbruch steiler geworden ­wäre. Der Gaspreis hat sich an den Börsen zwischen Anfang 2020 und Ende 2021 verzwan­zigfacht und ist seit Dezember 2021 nicht weiter gestiegen. Was wir jetzt in der Infla­tionsrate und den ­Erzeugerpreisen sehen, das ist das Resultat der Zentralbank­politik seit 2008 und der Corona-Maßnahmen aus den Jahren 2020 und 2021.

Smart Investor: Aber ist durch den Krieg nicht noch weiteres ­Inflationspotenzial in der Pipeline?
Siegel: Der Krieg spielt an den Terminmärkten jeweils nur für Tage und Wochen eine Rolle. Werden beispielsweise Pipelines gesprengt, dann steigt der Gaspreis schnell um 20%. Überall steht dann, Gas sei wegen Russland so teuer geworden. ­Eine Woche später ist der Preis dann wieder da, wo er hergekommen ist. Seit Kriegsbeginn pendelt der Gaspreis in einer Seitwärtsbewegung und der Ölpreis ist per Saldo ­sogar gefallen. Wo soll da aufgrund des Kriegs eine Inflation herkommen? Ich habe weitere Beispiele aus dem Rohstoffbereich, jeweils auf Sicht der letzten zwölf Monate: Eisenerz -15%, Stahl -32%, Kupfer -21%, Holz -30%, Gummi -20%, Palmöl -28%. Die Anstiege fanden schon vorher statt, in den Jahren 2020 und 2021, und haben sich erst 2022 richtig in den Erzeugerpreisen und in der Folge in den ­Verbraucherpreisen niedergeschlagen. Zwar hat der Krieg kurzfristig Effekte, aber die Auswirkungen der Lockdowns sind weitaus größer. ­Deswegen fallen auch viele Rohstoffpreise schon ­wieder. Allerdings haben wir Probleme mit den Lieferketten und wir haben eben kein billi­ges Gas mehr. Dafür haben wir CO2-Steuern und retten das Weltklima. Es sind maßgeblich solche Eingriffe des Staates, die bei uns die Preise nach oben treiben. Die Propaganda bzw. Erzählung lautet, dass der Überfall Russlands der Grund für die steigenden Gaspreise sei. Die Charts, besonders die längerfristigen, sagen etwas völlig anderes.

Smart Investor: Für die Verbraucher sind die Preise für Benzin an der Zapfsäule und Strom aus der Steckdose trotzdem auf Rekordniveaus. Wie passt das zusammen?
Siegel: Das stimmt, aber es hat nur ganz wenig mit Russland zu tun. Es ist auf die Geldpolitik im Vorfeld, die Lieferketten, die Corona-Maßnahmen und die Aufholjagd danach zurückzuführen. Da gab es dann Versorgungsengpässe in allen Bereichen. So wurden z.B. viele Flughafenmitarbeiter im Lockdown entlassen, und als man die Flüge wieder hochgefahren hat, war das Personal auf die Schnelle nicht wiederzubekommen. Es arbeitet nun bei irgendeiner Behörde und kümmert sich um die Gendersternchen und darum, ob man Mülleimer in Mülleimerin umbenennt. Manche haben auch gemerkt: Hoppla, wenn ich Hartz IV bekomme, habe ich genauso viel, wie wenn ich arbeiten gehe. Da kommen viele nicht mehr zurück.

Smart Investor: Angesichts der klaffenden Lücke zwischen den Erzählungen auf der einen und den Charts bzw. Statistiken auf der anderen Seite müssten die Medien doch – so wie wir es hier tun – den Finger heben?
Siegel: Man will nicht zugeben, dass die Verarmung der Bevölkerung auf einer verfehlten Politik der Zentralbanken und einer missglückten Energiewende beruhen. Da ist es doch einfacher, die Schuld auf Russland zu schieben. Aber viele in der Politik wissen es auch einfach nicht besser. Bis auf eine Handvoll Leute wie Peter Boehringer (AfD), Frank Schäffler (FDP) und Wolfgang Schäuble (CDU) kenne ich keine Bundestagspolitiker, die Ahnung von solchen Zusammenhängen hätten. Bei ­Journalisten, zumindest von den führenden Wirtschaftszeitungen, sollte man allerdings voraussetzen, dass wenigstens der eine oder andere ­seinen Hayek gelesen hat. Falls aber jemand die Inflation durch die Verschuldungspolitik der Staaten in einer Allianz mit der Geldpolitik der Zentralbanken erklären würde, dürfte der wohl nicht mehr im Regierungsflieger mitfliegen. Dazu gibt es finanzielle Abhängigkeiten vieler Medien von der Politik oder von Großspendern wie bei DER SPIEGEL und Bill Gates. Diese Abhängig­keiten sorgen dafür, dass das Unwissen der Politiker weitertransportiert wird und diejenigen, die etwas wissen, als Verschwörungstheoretiker gebrandmarkt werden.

Smart Investor: Trotzdem ist es faszinierend, dass sogar offi­zielle Datenreihen das Narrativ entlarven, aber der normale Medienkonsument trotzdem alles schluckt, was ihm vorgesetzt wird.
Siegel: Es waren schon immer nur einige wenige, die die Zahlen kri­tisch hinterfragt haben. Man hat das doch auch bei Corona gesehen. Der Mainstream hat einfach so weitergemacht. So ­hatte Gesundheitsminister Karl Lauterbach vor Wochen angekündigt, dass die Zahlen, wer an und wer mit Corona gestorben ist, nach über zwei Jahren jetzt wissenschaftlich erhoben werden sollten. Differenziert dargestellt werden die Zahlen jedoch immer noch nicht.

Smart Investor: Der Ausweis der „an und mit“ Corona Verstorbenen erinnert an einen alten Trick der Notenbanken – dort versuchte man, den Umfang der Goldleihe durch den gemeinsamen Ausweis von Gold und Goldforderungen zu verschleiern. Damit wären wir beim Gold, das trotz Rekordinfla­tion und Krieg doch eher enttäuscht hat. Wie sehen Sie das?
Siegel: Gold leidet, wie auch Aktien und Immobilien, unter der aktuellen Liquiditätsverknappung. Wir sind aber wohl kurz ­davor, diese zu überwinden. Die Bank of England hat in der letzten Septemberwoche angekündigt, dass sie Anleihen aufkauft. Das Pfund war so unter Druck gekommen und die Wirtschaft fuhr so hart vor die Wand, dass ihnen nichts anderes mehr eingefallen ist. Ich ­gehe fest davon aus, dass andere Zentralbanken folgen werden. Man sieht es jetzt auch in Deutschland. Wo sollen etwa die 200 Mrd. EUR für den „Doppelwumms“ herkommen? Die EZB wird neues Geld drucken müssen, um diese Anleihen aufzukaufen. Irgendwann merken die Leute, dass der letzte Zeitpunkt gekommen ist, um ihr Geld zu retten, und springen zurück in die Sachwerte. Die Zentralbanken werden den Kampf gegen die Inflation verlieren, weil sie die Wirtschaft retten müssen.

Smart Investor: Welche Sachwerte werden Ihrer Meinung nach besonders profitieren?
Siegel: Die Edelmetalle sind gegenüber sonstigen Rohstoffen vorzuziehen, weil die Wirtschaft gleichzeitig schrumpft. Es gibt ­genug Rohstoffe, Öl und Gas. Schon jetzt wird überall weniger verbraucht. Sogar Kupfer liegt 20% tiefer, obwohl wir für den grünen Umbau angeblich doppelt so viel Kupfer brauchen wie vorher. Dagegen ist Gold in den Köpfen als Schutz gegen Inflation und Geldendwertung verankert. Auf Eurobasis ist es seit Jahres­anfang sogar im Plus. Ich glaube, es wird noch viel besser für Gold, weil die panikartige Fluchtbewegung aus den Geld­werten noch gar nicht angefangen hat. Viele haben noch nicht verstanden, dass die Zentralbanken den Kampf gegen die ­Inflation verlieren werden. Die Kehrtwende der Bank of England ist der Anfang der Kapitulation gegenüber der Inflation. Am Ende steht die Währungsreform. Dazu wird es keine Alternative geben.

Smart Investor: Vielen Dank für Ihre sehr interessanten Ausführungen.

Martin Siegel leitet seit 2011 die ­operativen Geschäfte und die Beratung der Stabilitas-­Rohstofffonds. Der vielfach ­ausgezeichnete Fondsberater ist zudem Autor zahlreicher Bücher, die sich mit der Analyse des Goldmarkts und Investitionsmöglichkeiten in Goldminenaktien beschäftigen.

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