Interview
Smart Investor im Gespräch mit Dimitri Speck, dessen neuestes Buch „Die größte Finanz-Blase aller Zeiten“ gerade erschienen ist
Smart Investor: Herr Speck, der Titel Ihres neuen Buchs klingt reißerisch. Was rechtfertigt den Superlativ?
Speck: Ganz einfach: Es ist so! In der Geschichte gab es bereits zahlreiche Blasen. Die Blase am früheren Kamelmarkt in Kuwait ist mein Favorit, aber relativ unbekannt, obwohl dieser Markt im Jahr 1982 kurzzeitig zum drittgrößten der Welt wurde. Hinter Blasen stecken meist Kredite, welche die Leute durch bloße Buchungsvorgänge „reich“ machen. Heute haben wir keine einzelne, isolierte Blase, sondern eine, deren Ausprägungen sich weltweit zeigen. So war die Marktkapitalisierung der US-Unternehmen in Relation zum BIP im Jahr 2021 auf den höchsten Stand aller Zeiten gestiegen. Im UBS-Index der Städte mit den größten Immobilienblasen steht München auf Platz 4. Aber die größte Immobilienblase der Welt ist in China. Das enorme Kreditwachstum und die massiven Fehlinvestitionen haben ganze Geisterstädte entstehen lassen. Dies ist die größte Einzelblase innerhalb der größten Blase aller Zeiten. Der Wert der Chinaimmobilien ist fast doppelt so hoch wie der Wert aller US-Immobilien. Wenn China kollabiert, betrifft das auch uns, denn es bestehen enge Verflechtungen finanzieller und konjunktureller Art.

Smart Investor: Woran erkennen Sie ganz konkret Blasen?
Speck: Zu Blasen gehören meist auch Exzesse. In der erwähnten Kamelmarktblase wurden beispielsweise Hühnerfarmen gehandelt, in denen kein einziges Huhn war. In der Südseeblase gab es Firmen ohne Geschäftszweck. Diesmal sind es die sogenannten Kryptogelder, die kein Geld sind, auch wenn deren Anhänger dies behaupten. Sie haben weder die Eigenschaften von Sach- noch von Kreditgeld. Sie sind Spielscheine eines Schneeballsystems. Mit Bitcoin wurde der größte Kursgewinn aller Zeiten kreiert – 137.000.000%; das ist das 100-Fache des kompletten Kurszuwachses von Coca-Cola, dem zweitgrößten Kursgewinn aller Zeiten. Während Coca-Cola ein Produkt verkauft, wurden im Krypto-Schneeballsystem bis zu 3.000 Mrd. USD für Datenbankeinträge bezahlt. Ich glaube nicht, dass der Bitcoin seine alten Hochs noch einmal erreicht. Die größte Blase aller Zeiten hat zu platzen begonnen und mit ihr ist auch ihr spekulativstes Instrument im Niedergang.

Smart Investor: Schätzen Sie doch einmal die Größenordnung der aktuellen Kreditblase ab.
Speck: Die Gesamtschulden der Welt liegen aktuell bei über 250% ihres BIPs. Dieses Verhältnis zwischen Schulden und BIP war noch bis in die 1970er-Jahre deutlich niedriger. Im Vergleich zur Wirtschaftsleistung haben wir heute doppelt so viele Schulden wie damals. Entsprechend konnte seinerzeit die Inflation auch noch durch die Anhebung der Zinsen gestoppt werden. Zwar versuchen die USA das heute auch, aber es wird aufgrund des hohen Schuldenstands nicht funktionieren. Um die Inflation zu brechen, müsste der Zinssatz oberhalb der Inflationsrate liegen.
Smart Investor: Dann käme die große Pleitewelle?
Speck: Viele Hypothekenschuldner gingen pleite, weil die Zinsen zu hoch stünden. Auch die Unternehmer und Staaten bekommen große Schwierigkeiten, ihre Schulden zu bedienen. Bei einer hohen Verschuldung kann die Inflation daher nicht wirksam bekämpft werden. Die Kredite sind auf dem höchsten Niveau in Friedenszeiten. Zuletzt war der Zins auf null gedrückt worden und sogar darunter – ein einmaliger Vorgang in 5.000 Jahren Zinsgeschichte. Aber diese Entwicklung ist nur die Folge aus und das Gegenstück zu den hohen Schulden. Der Zins wurde ab dem Jahr 2008 nach unten manipuliert, damit sich die Schuldner den Schuldendienst leisten konnten. Dadurch ist die größte Blase aller Zeiten weiter aufgepumpt worden.
Smart Investor: Hat das Platzen dieser Blase mit den Kursrückgängen der letzten Monate bereits begonnen?
Speck: Diese Blase platzt seitdem. Dabei ist das klassische Platzen einer Blase deflationär. Diesmal werden wir hingegen ein inflationäres Platzen sehen, es ist aber letztlich eine politische Entscheidung. Die Sparer werden schleichend über die Inflation enteignet und die Aktienpreise gehen inflationsbereinigt zurück. Rein rechnerisch würde eine Inflation ausreichen, welche die Sparer um den Faktor zwei enteignet, um auf das Niveau der 1960er zu kommen. Mit schlechten Politikern kann der Vorgang aber außer Kontrolle geraten – und in Europa haben wir keine guten Politiker.
Smart Investor: Im Kern geht es also nicht nur um die Reduktion der Schulden, sondern auch um die Reduktion der Ersparnisse?
Speck: Jede Schuldenreduktion geht mit einer Guthabenreduktion einher. Bei einer Deflation geschieht dies durch Schuldnerausfall bzw. Bankenpleiten, bei einer Inflation durch Geldentwertung. Diesmal droht eine starke Inflation, da neben der Druckerpresse ein weiterer Inflationstreiber droht. Stellen wir uns die Ersparnisse als „Stausee“ vor, der seit dem Jahr 1980 immer größer wurde – gegenüber der Wirtschaftskraft sogar doppelt so groß. Eine über Jahrzehnte aufgestaute Inflation droht sich nun zu entladen. Diese wird dann angetrieben durch das Entsparen des Stausees, die vielen Ersparnisse geraten in Umlauf. Dagegen sollte traditionell ein hoher Zins dazu motivieren, das Geld im Stausee zu belassen. Wegen des hohen Schuldenstands kann der Zins aber nicht ausreichend angehoben werden. Dazu kommt noch die Mangelwirtschaft. Die Inversion der Blasenbildung erfolgt daher diesmal nicht klassisch durch Ausfall der Schuldner, sondern durch eine starke Inflation über etliche Jahre hinweg. Die realen Anlagepreise fallen und die Verschuldung geht zurück! Jetzt werden mehr als 40 Jahre aufgestaute Inflation nachgeholt. Dabei werden die Anleger komplett in die Zange genommen werden – durch einen realen Rückgang der Anlagepreise und die Inflationsentwertung der Ersparnisse. Die Reduktion der Ersparnisse ist das Ziel.

Smart Investor: Gibt es historische Beispiele für das inflationäre Platzen einer Blase? Wie sieht es mit einzelnen Anlageklassen aus?
Speck: Inflationsbereinigt hat sich der S&P 500 in den 1970ern mehr als halbiert. Es dauerte über 20 Jahre, bis die Kurse real wieder das vorherige Niveau erreicht hatten. Die Inflation wird dieses Mal höher sein und die Kurse können auch noch tiefer gehen. Im Jahr 2021 hat das inflationäre Platzen der Blase begonnen. Auch bei den globalen Anleihen verzeichnen wir Rekordverluste. Die Anleihehalter sitzen richtig in den Miesen – und da ist die Entwertung durch die Inflation noch nicht einmal berücksichtigt. Bei den Aktien ist besonders der zuvor stark gestiegene Goldman Sachs Non-Profitable Technology Stock Index wieder komplett zurückgekommen. Das ist das spekulativste Segment, die darin enthaltenen Unternehmen machen keine Gewinne.
Smart Investor: Was die Situation dieses Mal anders macht, ist die Sanktionspolitik. Wie beurteilen Sie das?
Speck: Paradoxerweise führten die Preissteigerungen dazu, dass die Einnahmen Russlands sogar gestiegen sind. Russland ist ein zu großer Spieler mit einigen Optionen. Ganz kritisch sind derzeit Düngemittel. 70% der Düngemittelkapazität in Europa liegen aktuell brach. Wir schaden nicht nur uns selbst, sondern auch den ärmsten Ländern der Welt. Dagegen ist die Leistungsbilanz Russlands noch positiver geworden. Russland schwimmt im Geld. Ein weiterer Profiteur der Sanktionspolitik sind die USA. Deren Leistungsbilanz hat sich komplett gedreht, weil die Europäer ihnen nun Gas zu hohen Preisen abkaufen. Pro Einwohner gerechnet ist Norwegen der Hauptprofiteur mit einem Plus von 3.700 EUR pro Monat. Es scheint, als sei die EU der größte Idiot auf dem Planeten. Ein Handelsdefizit von 500 Mrd. bis 1.000 Mrd. EUR pro Jahr kann sich Europa schlicht nicht auf Dauer leisten. Was sich Europa dann auch nicht mehr leisten kann, sind die Investitionen für eine neue Rohstoffstrategie oder den stärkeren Ausbau Erneuerbarer Energien.
Smart Investor: Wie sollten sich Anleger in dieser Situation positionieren?
Speck: Das Gegenstück zu unserem kreditbasierten Geld ist Gold. Es ist nicht nach Belieben vermehrbar, beinhaltet kein Ausfallrisiko, ist staatenunabhängig und liquide. Auch die Zentralbanken werden bei den Währungsreserven auf Jahre hinaus in Richtung Gold tendieren. Zudem ist Gold seit dem Jahr 2011 nicht in einer Blase. Betrachten wir ähnliche Inflationsschübe aus der Vergangenheit: In der Phase 1972 bis 1974 verdreifachte sich der Goldpreis nahezu, von 1976 bis 1980 versechsfachte er sich. In der aktuellen Inflationsphase kam es dagegen zu keinem Anstieg. Warum ist das so? Zum einen geht die Goldpreisdrückung weiter, zum anderen ist der Dollar diesmal fest, während damals die D-Mark stark war. Zum Dritten haben die Anleger mittlerweile ein Grundvertrauen. Die Zentralbanken haben es in 40 Jahren immer wieder geschafft, das Finanzsystem aus der Krise zu bugsieren. Aber: Sie haben das immer mit der Druckerpresse gemacht. Diese Krise ist jedoch eine Folge der Druckerpresse. Das Grundvertrauen in die Zentralbanken ist daher nicht gerechtfertigt. Grundsätzlich profitiert Gold von Phasen schleichender Enteignung durch einen negativen Realzins. Aufgrund der hohen Verschuldung wird der Leitzins aber relativ gering bleiben müssen, weil sonst die Schuldner pleitegehen. Wir werden daher weitere Schübe bekommen, die den Goldpreis deutlich nach oben führen werden.
Smart Investor: Wie sieht es eigentlich mit dem „kleinen Bruder“ Silber aus?
Speck: Silber ist in deutlich geringerem Maße ein Wertaufbewahrungsmittel als Gold. Aber: Silber steigt im Verhältnis zu Gold, wenn Gold steigt. Der fundamentale Grund ist, dass die Bestände bei Gold im Verhältnis zu den Umlaufgrößen weitaus höher sind als bei Silber. In Edelmetallhaussen steigt der Silberpreis prozentual deutlich stärker. Saisonal ist Gold ab Mitte November am stärksten.
Smart Investor: Wie geht man praktisch vor?
Speck: An Freitagen sind die stärksten Anstiege bei Gold. Kaufen Sie daher spätestens am Donnerstag. Kaufen Sie Standardmünzen statt Barren, kaufen Sie bei seriösen Anbietern und lagern Sie Gold sicher. Für Silber empfiehlt sich das Zollfreilager, ganz besonders, nachdem die Differenzbesteuerung gefallen ist. Die Spanne zwischen An- und Verkauf ist hier inzwischen viel zu hoch.
Smart Investor: Welche Anlagen empfehlen sich noch?
Speck: Energieaktien sind günstig, aber man sollte international streuen. Auch andere Rohstoffe werden profitieren. Achten Sie entsprechend auch auf Edelmetall- und Rohstoffaktien. Aufgrund der Möglichkeit eines Eurozusammenbruchs sind Fremdwährungsanleihen in norwegischen Kronen interessant. Dagegen ist der Schweizer Franken völlig überbewertet. Aufgrund der Inflation sollten Sie langfristige Konsumausgaben vorziehen. Die Mischung aus Gelddruckerei, Überschuldung und Handelskrieg bedeutet vor allem eines: Vor uns liegen die 1970er-Jahre hoch drei.
Smart Investor: Vielen Dank für Ihre sehr interessanten Ausführungen.
Das Interview wurde am 29.10.2022 geführt.

Dimitri Speck ist Herausgeber der Website www.seasonax.com, auf der interessierte Anleger saisonale Studien nachlesen oder selbst bei über 25.000 Instrumenten durchführen können. Ferner ist er Verfasser des Börsenbriefs „Sicheres Geld“ sowie des Buchs „Geheime Goldpolitik“. Gerade ist beim FinanzBuch Verlag sein neues Werk „Die größte Finanz-Blase aller Zeiten“ erschienen.
„Die größte Finanz-Blase aller Zeiten“
von Dimitri Speck; FinanzBuch Verlag;
288 Seiten; 22 EUR