„In jeder Währungsreform no ois valurn“

Thomas Bachheimer - - Bild: © Marc Bernot

ARTIKEL TEILEN

Facebook
Twitter
LinkedIn
Email

Interview

Smart Investor im Gespräch mit dem Österreicher Thomas Bachheimer, Gründer der Nachrichtenplattform bachheimer.com, Europachef des Gold Standard Institute und Chefvolkswirt der Goldvorsorge

Smart Investor: Herr Bachheimer, mit Ihrer Website bachheimer.com sind Sie zu einem wichtigen alternativen Wirtschaftsmedien um deutschsprachigen Raums geworden. Was hat Sie zu diesem Projekt motiviert?
Bachheimer: Wie bei fast allen Männern sind auch in meinem Lebenslauf Frauen – ob beabsichtigt oder nicht – Impulsgeber und Richtungsweiser gewesen. Zum einen war es meine Großmutter, Jahrgang 1914, die mir an Weihnachten 2001, eine Woche vor der Euro-Einführung, gesagt hat: „Des is jetzt mei vierte Währungsreform und bei jeder hob i no ois valurn.“ Diese Aussage hat noch in derselben Nacht eine Geldsystemrecherche ausgelöst und danach einen Jobwechsel hervorgerufen. Immerhin war ich zu dieser Zeit Börsen- oder genauer gesagt Staatsanleihenhändler [sic!]. Meine 87-jährige Großmutter hatte also bewirkt, dass ich weg vom Fiatsystem und hin zum Echtgeld gekommen bin.

Smart Investor: Sie sprachen von Frauen. Wer war die andere und wie hat sie Ihre Laufbahn beeinflusst?
Bachheimer: Es war meine Mutter, die mir im August 2008 mit der Rosenschere in der Hand im Garten ganz nebenbei in feinstem „Stenglisch“ – Steirisch-Englisch – gesagt hatte: „If it’s war, it’s McCain. If it’s economy, it’s Obama.“ Das hatte sie aus der Zeitung. Ich war damals Gastanalyst bei CNBC, Bloomberg und Reuters und gab als solcher dann im September 2008 ein Interview zu einer OPEC-Konferenz. Danach rief mich meine Mutter an. Sie meinte nur, es sei ein „tolles Interview“ gewesen – aber ob ich das von Lehman Brothers gehört hätte? „It’s Obama!“, rief sie aus. Dieser wurde dann im November tatsächlich Präsident. Ich konnte es damals nicht fassen, wie der Mainstream mit seinen Erklärungsmodellen, Ereignissen und den folgenden Wahlergebnissen die Menschen manipuliert und sogar meiner hausverständigen, rosenschneidenden Mutter das Hirn frittiert. Da wusste ich, dass ich mich nicht nur um das Geldsystem kümmern sollte, sondern auch um die Medienwelt, was dann auch geschah.

Smart Investor: Eine besondere Rolle haben bei Ihrer Berichterstattung schon immer Edelmetalle gespielt, auch als Europachef des Gold Standard Institute haben Sie sich einen Namen gemacht und sind nun zudem Chefökonom der Goldvorsorge (GVS). Wo setzen Sie die Schwerpunkte Ihrer Aufklärungsarbeit?
Bachheimer: Primär geht es in meiner Arbeit um die Information des Durchschnittsbürgers und „Geldbenutzers“ darüber, was Geld eigentlich ist und welche Auswirkungen ein durch die Politik und die Zentralbanken bestimmtes Geldsystem auf die Kaufkraft, die wirtschaftliche Freiheit und somit auf das finanzielle Gedeihen jedes Einzelnen hat. Der Bildungsstand des Bürgers hat sich in den letzten Jahrzehnten zwar vervielfacht, ist aber in puncto Geldverständnis ganz zufällig auf dem Niveau der 1950er-Jahre stehen geblieben. Diesen Bildungsstand möchten wir mit bachheimer.com und dem Gold Standard Institute verbessern.

Smart Investor: Im letzten Jahr hat sich die Welt dramatisch verändert. Wie sehen Sie vor dem Hintergrund von hartnäckiger Hochinflation und einem Krieg in Europa die Goldperformance? Ist die Wertentwicklung in Euro nicht enttäuschend?
Bachheimer: Diese Enttäuschung ist nur zum Teil berechtigt. Gold ist zwar Kaufkraftbewahrer über Jahrzehnte, aber kein direkter Inflationsschutz. Dieser Schutz erfolgt verzögert. Man muss den Weg des Geldes verstehen. Bei Inflation – wie im vergangenen Jahr für manche plötzlich und nicht vorhersehbar – geht das Geld nicht sofort in Richtung Edelmetalle, sondern fließt zunächst in die – wiederum nur für manche – sicheren Häfen wie US-Dollar als Weltwährung und Staatsanleihen. Diese Häfen befinden sich nämlich innerhalb des Bankenkreislaufs. So kann man im Falle einer Entspannung binnen kurzer Zeit wieder an die Finanzmärkte zurückkehren. Mit einem Engagement in physischen Edelmetallen verlässt man dagegen den Bankenkreislauf komplett. Daher ist der physische Goldkauf in größeren Summen eine große Entscheidung mit Konsequenzen für die eigene Flexibilität. Erst wenn die Inflation – wie jetzt zu erwarten ist – eine nachhaltige ist, verlässt das „Big Money“ den Bankenkreislauf und besteigt die güldenen Rettungsboote. Das erklärt auch, warum die Korrelation zwischen Goldpreis und Inflation in US-Dollar in den letzten 40 Jahren nur bei mageren 0,28 lag, obwohl sich Gold in derselben Zeitspanne als Kaufkraftbewahrer gut bewährt hat.

Darüber hinaus hat das Gold als Fluchtwährung einen neuen Konkurrenten erhalten – die Kryptowelt. Man kann rascher zwischen der Fiat- und der Kryptowelt hin- und herpendeln als zwischen der Fiat- und der Goldwelt. Viele versprechen sich auch eine stärkere Performance. Dies beweist eine Studie aus dem Jahr 2022, die besagt, dass 25% der Erbengeneration Assets in Kryptos halten, während nur 7% aus dieser Gruppe in Edelmetalle investiert sind. Nach den zahlreichen Skandalen, vor allem nach dem Fall Sam Bankman-Fried und dem Wegschauen bzw. Totalversagen der US-Kontrollbehörden, wird sich jedoch auch dieses Verhältnis rasch wieder normalisieren.


Smart Investor: Was sind weitere relevante Kriterien für die Beurteilung von Gold?
Bachheimer: Ein weiteres bedeutendes Kriterium für ein Goldinvestment ist das Verständnis um die Geldfunktionen. Gutes Geld hat derer drei: die des Tauschmittels, die der Wertaufbewahrung und die weniger beachtete, aber wichtige Funktion als Messlatte. Gold galt über Jahrtausende als effizienteste Messlatte, denn es hatte das mit Abstand höchste Stock-to-Flow-Verhältnis (S/F). Dieses zeigt, wie viele Jahre es dauern würde, den derzeitigen Goldbestand im jeweiligen Wirtschaftsraum durch neue Goldproduktion aufzubauen. Die Maßzahl ist die „innere Stärke“ und vergleichbar mit dem Geldmengenwachstum. Während Fiatwährungen momentan einstellige S/Fs haben, Öl zur Gänze verbraucht wird und ein S/F von null aufweist, Getreide verdirbt und ein S/F von maximal drei hat, weist Gold durchschnittlich ein S/F von 65 auf. Es gilt: Je höher das S/F, desto präziser ist das Gut bei der Preisbestimmung für andere Güter und Dienstleistungen. Dies ist der eigentliche Grund, aus dem die Menschheit über weite Zeiträume und auf allen Kontinenten Gold als Geldgrundlage verwendet hat und in nächster Zeit – ich schätze: in drei bis fünf Jahren – wieder verwenden wird. In einer unverfälschten Geldwelt hat derjenige, der die Messlatte selbst besitzt, die besten Karten, sicher durch jede Krise zu kommen.

Aber auch hier hat das Gold eine neue Konkurrenz bekommen: den Bitcoin. Dieser wird in den nächsten Jahren gemäß seinem Whitepaper ein S/F von über 100 erreichen und vielleicht sogar das Gold in der Messlattenfunktion ablösen. Dem Bitcoin fehlen jedoch viele andere charmante Kriterien des Goldes, sodass dieser nur bedingt Konkurrenz machen wird – zumindest in den nächsten 100 Jahren wird das so sein.

Smart Investor: Je besser Gold seine Rolle einnimmt, desto eher werden die Regierungen versuchen, eine Flucht ins Gold zu erschweren. Welche Grausamkeiten gegen Goldkäufer und Goldbesitzer halten Sie für realistisch und wie können sich Anleger dagegen schützen?
Bachheimer: Die größte Grausamkeit wäre wohl ein Goldverbot, welches ich allerdings nicht als realistisch erachte. Ja, es gab sie, die Goldverbote – aber diese sind nun wirklich Relikte. Damals gab es neben Gold kaum nennenswerte Vermögenswerte; heute dagegen haben wir Häuser, Sparbücher und Aktiendepots. Diese Assets zusammengenommen sind in unseren Breiten rund tausendmal größer als die Edelmetalle der Bevölkerung. Vor allem sind diese Assets dem Staat leichter zugänglich und leichter zu besteuern bzw. zu enteignen als das vergleichsweise geringe Goldvermögen der Bürger. Auch eine Besteuerung von Gold kann ich mir nur schwer vorstellen, da zu anonym und zu schwierig durchzuführen. Gewisse staatlich instruierte Zugangsbeschränkungen und Handelshemmnisse sind aber denkbar.

Bild: © Marc Bernot

Smart Investor: Je schlimmer es um die Fiatgeldsysteme steht, desto skrupelloser dürften die Markteingriffe werden. Allerdings wurden US-Dollar und Euro bereits des Öfteren ein baldiges Ende vorhergesagt. Wie viele Minuten vor Zwölf ist es denn aus Ihrer Sicht?
Bachheimer: Aus der Sicht der Fiatkritiker – mich eingeschlossen – war es ja schon seit Langem fünf vor Zwölf. Ich habe 2004 live auf CNBC ein Ende dieses Geldsystems für 2008 vorausgesehen. Als dann 2008 die Finanzkrise kam, klopfte ich mir anfangs stolz auf die Schulter, musste dann aber erkennen, dass es doch noch weiterging. Man darf die Resilienz dieses Systems aufgrund seines Einflusses auf die Politik nicht unterschätzen. Fiatkritiker wie ich hatten zwar recht, dass es nicht mehr weitergehen konnte, aber wir alle haben eine Tatsache nicht bedacht – nämlich, dass man Gesetz und Verfassung brechen würde, um die Währungsillusion am Leben zu erhalten. Daher war die „Eurorettung“ für mich gleichzeitig auch das Ende der Demokratie in Europa.

Smart Investor: Unübersehbar sind derzeit die Bemühungen, die heutigen Fiatgeldsysteme in digitales Zentralbankgeld zu überführen, aus dem es am Ende kein Entrinnen mehr geben soll. Lässt sich dieser Trend noch aufhalten?
Bachheimer: Natürlich stellt sich die Situation für alle Freiheitsliebenden äußerst düster dar. Und langsam sollten jene, die das Wort „Demokratie“ an ihre Fahnen heften, in die Gänge kommen – sonst wird es wirklich zu spät sein. Aber eines will an dieser Stelle erwähnt sein: Sollten die Feinde der wirtschaftlichen Freiheit die Einführung von CBDC (Anm. d. Red.: Central Bank Digital Currency, was für Digitales Zentralbankgeld steht) wirklich schaffen, so ist das die Schuld all jener, die ein schlampiges Verhältnis zur Demokratie leben. Demokratie heißt aktiv mitwirken, kontrollieren und einschreiten bei Malversationen durch die Politik – es heißt nicht alle vier Jahre wählen gehen und das war es.

Smart Investor: Nun ist Gold zuletzt bereits angestiegen, befindet sich aktuell aber in einer Korrekturphase. Haben wir damit einen guten Einstiegszeitpunkt?
Bachheimer: Dies hängt natürlich von der Motivation des Einzelnen ab. Für diejenigen, die sich vor einem Finanzkollaps schützen wollen, ist immer ein guter Einstiegszeitpunkt. Die Renditejäger müssen allerdings genauer auf den Einstiegszeitpunkt achten. Meine Meinung hierzu ist, dass die derzeitige Korrektur noch nicht vollendet ist, wir also noch ein wenig Energie über die Zeit (x-Achse) oder über den Preis (y-Achse) abbauen müssen. Dann aber …!

Smart Investor: Während Gold für die meisten Edelmetallanleger eine Basisanlage darstellt, suchen viele nach einem besonderen Pfiff. Wo sehen Sie Chancen, nicht nur Vermögen zu sichern, sondern darüber hinaus eine gute Performance zu erzielen?
Bachheimer: Natürlich wird es auch in Krisenzeiten immer wieder Aktien geben, deren Kauf sich lohnen könnte. Diese sind für den Laien aber nur schwer auszumachen. Die Skrupellosigkeit der meisten Staaten bei der Verschuldung ihrer Bürger sorgt auch dafür, dass sich ein Investment – einmal ganz abgesehen von der moralischen Komponente, hier mitzumachen – kaum lohnen wird. Insofern bleiben für mich sowohl von der finanziellen Vernunft als auch von der moralischen Seite her nur Edelmetalle – und vielleicht ein paar handverlesene Kryptos.

Smart Investor: Vielen Dank für Ihre interessanten Ausführungen.

Thomas Bachheimer ist Gründer und Herausgeber des Wirtschaftsinformationsportals bachheimer.com. Auch als Europapräsident des Gold Standard Institute hat er sich der Aufklärung der Menschen über die (geld)politischen Verhältnisse verschrieben. Bachheimer ist ein gefragter Redner und Interviewpartner sowie Autor zahlreicher Beiträge zu den Themen Gold, Geld und Rohstoffe.

UNSERE EMPFEHLUNGEN