Paukenschläge

Titelbild: © furtseff – stock.adobe.com

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… von groß bis klein

Geliefert wie bestellt

In der Vorwoche hatten wir uns mit drei brisanten Themen beschäftigt, die die Märkte in Atem hielten. Nun liegen die Ergebnisse vor und auch die entsprechenden Marktreaktionen. Die heißeste Aktie des Kurszettels war dieses Jahr wohl Nvidia (WKN: 918422). Das Unternehmen ist mit seinen Chips der Profiteur des KI-Hypes. Auch bei den Quartalsdaten konnte das Unternehmen liefern. Im Vorjahresvergleich verzehnfachte sich der Gewinn auf rund 6,2 Mrd. USD. Also weiter grünes Licht für die Superaktie? Jein. Kurzfristig machte dem Kurs ein Phänomen zu schaffen, das Börsianer als „buy the rumour, sell the fact“ („Kaufe das Gerücht, verkaufe die Tatsache“) nennen. Selbst wenn die Zahlen so gut ausfallen, wie es im Vorfeld erwartet wurden, wird erst einmal verkauft. Insbesondere kurzfristig orientierte Trader nehmen dann ihre Gewinne mit und dieser Teil der Karawane zieht weiter zum nächsten gewinnversprechenden Gerücht.

Bei Nvidia war das Quartal zudem von einigen Vorzieheffekten geprägt. Immer wieder wird eine Ausfuhrbeschränkung für die Super-Chips nach China thematisiert, was zu entsprechenden Vorzieheffekten chinesischer Käufer geführt habe, namentlich großer Tech-Unternehmen wie Alibaba und Tencent. Dieses Thema dürfte aktuell bleiben, da in den USA langsam der Vorwahlkampf für die 2024er Präsidentschaftswahl an Fahrt aufnimmt und das Thema China mit Sicherheit ein Gegenstand der Debatte bleiben wird. Da aber nicht unmittelbar mit Maßnahmen der Biden-Regierung gerechnet wird, könnte auch das Bunkern der Chips noch etwas weitergehen. Paradoxerweise würde dann Nvidia – wie schon im abgelaufenen Quartal – von einer eigentlich schlechten Nachricht, nämlich einer potenziellen Einschränkung seiner Absatzmärkte, sogar noch einmal profitieren.

Natürlich sind solche Vorzieheffekte kein nachhaltiges Wachstum. Um aber die hohen Bewertungen der Aktie halten und weiter steigern zu können, bedarf es aber echten Wachstums. Das wird Nvidia wohl auch weiter liefern. Hohe Bewertungen basieren jedoch auf hohen Erwartungen und hohe Erwartungen beinhalten Enttäuschungspotenzial. Der Jäger im Bereich der Chips wird zum Gejagten seines Erfolgs an der Börse. Nun könnte man sich einfach auf eine weitere Börsenweisheit zurückziehen: „the trend is your friend“ („Der Trend ist Dein Freund“) – allerdings nur, bis dieser endet. Doch genau da liegt der Hase im Pfeffer, denn Trends in solchen Aktien enden abrupt, z.B. mit der Veröffentlichung von Quartalszahlen. Da aber helfen auch Stopp-Loss-Orders nicht, denn werden hohe Erwartungen bei luftigen Bewertungen enttäuscht, dann rauschen die Kurse oft regelrecht in die Tiefe, große Abwärts-Gaps inklusive. Dieses Quartal hat Nvidia allerdings gut überstanden. Nach einigem Kursstottern fing sich die Aktie am Dienstag schon wieder und markierte sogar ein neues Hoch auf Schlusskursbasis.

Familienzuwachs

Das zweite Topthema der vergangenen Woche war das Treffen der BRICS-Staaten im südafrikanischen Durban. Die im Vorfeld gestreuten Gerüchte hinsichtlich einer gemeinsamen, womöglich goldgedeckten Handelswährung bestätigten sich nicht. Ob die Rivalitäten zwischen den Ländern – namentlich China und Indien – zu groß waren, oder ob die Sache einfach noch nicht weit genug gediehen ist, lässt sich von außen kaum beurteilen. Das Thema bleibt allerdings relevant. Wir haben den BRICS-Staaten in Smart Investor 8/2023 sogar die Titelstory „BRICS – Entstehung einer Gegenmacht“ gewidmet. Dort können Sie nicht nur einiges zur Entstehung dieses Zusammenschlusses nachlesen, sondern auch viel zu den Größenverhältnissen und den Entwicklungen. Der Begriff BRICS geht übrigens auf eine Investmentstudie des Hauses Goldman Sachs aus dem Jahre 2001 zurück. Dass daraus rund zwei Jahrzehnte später ein realer und herausfordernder Machtfaktor werden würde, konnte man seinerzeit so nicht ahnen. Man darf sich unter den BRICS allerdings keinen fest gefügten Staatenbund oder ein Verteidigungsbündnis vorstellen, wohl aber eine Interessengemeinschaft – eine des „Globalen Südens“, wie gerne ergänzt wird. Und diese Interessengemeinschaft nimmt, trotz aller innerer Widersprüche, an Momentum auf. So wurden zu den bestehenden fünf BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) letzte Woche sechs zusätzliche Staaten (Argentinien, Ägypten, Äthiopien, Iran, Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate) aufgenommen. Weitere 40 Länder stehen auf der Warteliste.

Im Westen macht man es sich zu einfach, wenn da prominent vor allem über den Iran geschrieben wird, um das Ganze als Bündnis von Schurkenstaaten abzutun. Immerhin sind mit Saudi-Arabien, lange Zeit einer der engsten Verbündeten der USA in Nahost, den Vereinigten Arabischen Emiraten und eben dem Iran drei gewichtige Ölstaaten beigetreten. Das wird den bisherigen Handelsüberschuss, der schon bei den BRICS 5 im letzten Jahr bei knapp 1 Bio. USD lag, weiter erhöhen. Vor diesem Hintergrund dürfte die Frage nach einer werthaltigen Handelswährung der BRICS-Staaten drängender werden. Die Bereitschaft sich aus dem Westen mit frisch gedrucktem Fiatgeld abspeisen zu lassen und ansonsten nassforsche moralische Belehrungen über sich ergehen zu lassen, dürfte perspektivisch weiter sinken.

Ein hochinteressanter Fall ist BRICS-Neumitglied Argentinien (vgl. Smart Investor 4/2023 ). Das Land könnte vor einem Machtwechsel stehen. Zumindest hat der schillernde Javier Milei, der sich selbst als Anarchokapitalist bezeichnet, die Vorwahlen im August für sich entschieden. Die Argentinier scheinen durchaus einen Faible für marktfreundliche Außenseiter zu haben, denn vor dem Peronisten Alberto Fernández, der das Land seit 2019 regiert, war mit Mauricio Macri schon einmal ein wirtschaftsliberaler Politiker und Unternehmer an der Macht. Die Börse scheint die Aussicht auf einen Präsidenten Milei jedenfalls nicht ganz so sehr zu schrecken, wie das deutsche Feuilleton. Der argentinische Merval war zuletzt in unserer Relative-Stärke-Betrachtung im neuen Smart Investor 9/2023 der mit Abstand stärkste Aktienmarkt – und zwar währungsbereinigt. Ob Milei, falls er denn gewählt würde, im BRICS-Club verbleibt, steht auf einem anderen Blatt.

„Nothing-Burger“?!

Das dritte große Datum der Vorwoche war das Treffen der wichtigsten Notenbanker in Jackson Hole zu Wyoming (USA). In der Vergangenheit gingen von diesem Treffen schon öfter marktbewegende Impulse aus. Doch diesmal legte man das Treffen an den Aktienmärkten schnell zu den Akten. Die Amerikaner nennen das einen „Nothing-Burger“ – zwei groß aufgeblasene Hälften Weißbrot mit nichts dazwischen. Entsprechend uneinig sind sich auch die Kommentatoren in der Bewertung der Reden. Natürlich war die Inflation ein Thema und irgendwie konnte man aus den Reden – eher bei Powell, weniger bei Lagarde – eine gewisse Entschlossenheit, um nicht zu sagen „Aggressivität“ im Kampf gegen die Geldentwertung herauslesen. Andererseits meinte man beim Handelsblatt, dass die Notenbanker vor allem auf „maximale Flexibilität“ gepocht hätten. Eine gewisse Interpretationsfähigkeit gehört bei den Aussagen von Notenbankern auch weiter zum Standard. Wer den Holzhammer sucht, der sucht in Jackson Hole in der Regel vergebens.

Aktive Schnäppchenjäger

Mit wachsendem Abstand schälen sich allerdings einige Entwicklungen heraus, die beachtenswert sind. Nachdem die Edelmetalle seit Mitte Juli einen Schwächeanfall erlitten hatten, schleichen sich beide nun langsam wieder nach oben – Silber sogar relativ schnell. Das sieht zumindest nicht nach entschlossener Inflationsbekämpfung in der Praxis aus. Hier dürfte eher auf die bereits erreichte Nähe zum Zinsgipfel gesetzt werden. Auch hätte man erwarten können, dass das Ausbleiben der Ankündigung für eine goldgedeckte BRICS-Währung den Markt verunsichert hätte, doch auch hier ist das Gegenteil der Fall. Gold und Silber ließen sich in ihrem Anstieg nicht beirren. Für viele Marktteilnehmer dürften die in der Zwischenzeit erreichten Kurstiefs von weniger als 1.900 USD für die Feinunze Gold und weniger als 23 USD für die Feinunze Silber also attraktive Kaufkurse gewesen sein.

In den Fängen der Justiz

Eine Sonderentwicklung zeigte sich beim Bitcoin. Nachdem es vor zwei Wochen noch kräftig bergab ging, kam es gestern zu einer kräftigen Erholung. Hintergrund war der Ausgang eines Prozesses zwischen dem Unternehmen Grayscale und der US-Börsenaufsicht SEC. Das Unternehmen hatte die Umwandlung seines Grayscale Bitcoin Trust in einen regulären Bitcoin-ETF beantragt. Die SEC schob dem einen Riegel vor; Grayscale klagte. Nun wurde der Klage stattgegeben. Realität ist der Bitcoin-Spot-ETF, trotz der euphorischen Aufnahme des Urteils am Markt, damit aber noch nicht. Auch technisch befindet sich der Bitcoin, selbst nach dem Kurssprung, noch immer nicht in einem eindeutigen Kaufbereich. Die nächste wichtige Frage ist, ob die SEC gegen das Urteil in Berufung gehen wird.

Zu den Märkten

Beim DAX sorgte die vergangene Woche nur für kurze Verunsicherung. Zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe steht der Index sogar etwas höher als in der Vorwoche. Angst vor weiteren drakonischen Maßnahmen der Notenbanken haben die Marktteilnehmer derzeit also nicht. Die verbale und die tatsächliche Inflationsbekämpfung bleiben weiter zwei verschiedene Paar Schuhe. Allerdings kommt der DAX auch nach oben nicht recht voran. Nach wie vor ist es ihm nicht gelungen, den Bruch unter die letzte Aufwärtstrendlinie wieder zu heilen, auch wenn er aktuell an dieser Linie „knabbert“. Nach wie vor hängen die drei versagenden Allzeithochs (vgl. letzter Smart Investor Weekly vom 23.8.2023) drohend über dem Markt. Tritt man einen Schritt zurück ist der DAX weiter in seiner Schiebezone, wobei sich diese auch als die, in der Vorwoche beschriebene Top-Formation („broadening top“) erweisen könnte. Saisonal dürfen wir an der Schwelle zum September zudem in den nächsten Wochen keinen Rückenwind für Aktien erwarten.

Schon jetzt positionieren

Das Gute am Börsenherbst sind allerdings die Seminare und Messen. Auf zwei Highlights dürfen wir heute erneut hinweisen:

Den Anfang macht SRC Research mit dem SRC Forum Financials & Real Estate 2023, einer Veranstaltungsreihe, die sich an Investoren im Bereich der Finanz- und Immobilienaktien wendet. Im zwanzigsten Jahr ist die Liste der präsentierenden Unternehmen kürzer geworden, was man auch als Konjunkturindikator lesen kann. Andererseits zeigt sich gerade in schwierigeren Zeiten, wie ernst die betreffenden Unternehmen ihr Engagement am deutschen Kapitalmarkt nehmen. Nähere Informationen zu dieser Veranstaltung am 12.9. in Frankfurt, die sogar kostenfrei ist, finden Sie im aktuellen Smart Investor 9/2023 auf S. 11 oder unter www.src-research.de/ffs.

Weiter geht es am 30.9. mit der Investmentkonferenz „World of Value“ ebenfalls in Frankfurt/Main. Dort haben Sie Gelegenheit einige der bekanntesten Köpfe der deutschen Investmentszene einen Tag lang live und hautnah zu erleben. Ein besonderes Highlight ist der Risikoexperte Dr. Markus Krall. Am 30.9. wird er auch für Fragen um das hochspannende Thema BRICS zur Verfügung stehen. Eine Anzeige zu dieser Veranstaltung finden Sie ebenfalls im aktuellen Smart Investor 9/2023 auf der rückwärtigen Umschlagsseite 68, inklusive eines Rabatt-Coupons über 20% der Tagungsgebühr.

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In der Rubrik Musterdepots & wikifolio finden Sie heute ein Update zu unserem Musterdepotwert BayWa sowie einen Kurzbericht zu unserem wikifolio „Smart Investor – Momentum“. In der Ausgabe der Vorwoche ist unsere monatliche Musterdepottabelle (per Klick zu vergrößern) und die Transaktionsliste des Vormonats enthalten. Im Musterdepotbereich können Sie sich durch einfaches Blättern einen schnellen Überblick über die Transaktionen der letzten Wochen verschaffen. Um diesen Bereich lesen zu können, müssen Sie Abonnent des Smart Investor Magazins sein und sich auf der Smart-Investor-Website einloggen. Sollten Sie Ihr Passwort vergessen haben, fordern Sie bitte ein neues bei abo@smartinvestor.de an.

Fazit

Die drei angekündigten Paukenschläge der Vorwoche waren insgesamt nicht ganz so marktbewegend, allerdings sollten die Entwicklungen im BRICS-Bereich keinesfalls unterschätzt werden, vor allem perspektivisch sind sie von großer Bedeutung. Lebenszeichen gaben Gold, Silber und der Bitcoin von sich, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.

Ralf Flierl, Ralph Malisch

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