Autos – zwischen Markt und Politik

Titelbild: © Wellnhofer Designs – stock.adobe.com

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Wie der Deutschen liebstes Kind zum Problemfall wurde

Elektroschock

DER SPIEGEL macht diese Woche mit einer Titelstory auf, die, und das ist eher selten, hohe Börsenrelevanz hat. Unter dem Titel „Der Elektroschock“ wird dort der Schlingerkurs der deutschen Automobilindustrie in Sachen E-Mobilität veranschaulicht. Daran, dass der E-Mobilität die Zukunft gehört, wird allerdings kaum ein Zweifel zugelassen. Jedoch sind es – wie zuvor schon bei den Solarmodulen – einmal mehr Konzerne aus Fernost wie BYD (WKN: A0M4W9), die den Markt für das Massengeschäft aufrollen. Aufgrund der dortigen Produktionskapazitäten ist es im Prinzip eine ausgemachte Sache, dass beispielsweise chinesische Hersteller vermehrt auf den deutschen bzw. europäischen Markt drängen, während die deutschen Hersteller das Thema im Prinzip zu zögerlich angegangen seien. Auf den Lorbeeren einer glorreichen Vergangenheit könne man sich eben nicht auf Dauer ausruhen, so der Tenor.

Unsicherheit und Ärger

Ganz so einfach ist es aber nicht, wie DER SPIEGEL selbst am Thema E-Auto-Prämie aufzeigt. Deren schlagartiger Wegfall im Dezember 2023 wurde zur Störgröße für die weitere Entwicklung der deutschen E-Mobilität. Die Maßnahme traf den Markt unvorbereitet und verunsicherte bzw. verärgerte (potenzielle) Käufer. Nun könnte man annehmen, dass die Prämie und deren Wegfall besonders bei den niedrigpreisigen Modellen ins Gewicht falle, während die Effekte im Hochpreissegment mehr oder weniger verpuffen. Das Problem ist allerdings, dass der Markt dadurch insgesamt einen Dämpfer erhielt und sich Kaufzurückhaltung breitmachte. Wenn die Politik nicht mehr voll hinter dem E-Auto steht, so die Überlegung, könne man sich mit der Anschaffung auch Zeit lassen. Denn erstens sitzt das Geld in Deutschland ohnehin nicht mehr so locker und zweitens sind in der Technik noch einige Durchbrüche zu erwarten. Wer, aber unbedingt ein neues Fahrzeug braucht, auf einen Stromer setzen möchte, aber dennoch preissensibel ist, für den geraten die Modelle aus Fernost tatsächlich in den Fokus.

Lebenslüge der E-Mobilität

Ohne massiven staatlichen Anschub wäre die Technik bis heute nicht aus den Kinderschuhen gekommen. Das gilt selbst für Tesla (WKN: A1CX3T), für die der Verkauf von CO2-Zertifikaten eine wichtige Einnahmequelle ist. Auch die chinesische Autoindustrie stünde nicht dort, wo sie steht, wenn die Partei das Projekt nicht zur Chefsache gemacht hätte. Weltweit wurde die Technologie nur durch eine massive Veränderung des institutionellen Rahmens „wettbewerbsfähig“ gemacht. Ein Siegeszug staatlicher Industriepolitik ist das Ganze dennoch nicht. Denn sobald die Subventionen, so wie jetzt in Deutschland, eingeschränkt werden oder wegfallen, befindet sich der Markt wieder im Rückwärtsgang. Für einen selbsttragenden Aufschwung ist das Preis-Leistungsverhältnis der Technologie noch immer nicht attraktiv genug. Da nicht nur der deutsche Staat klamm ist, und angesichts massiver zusätzlicher Ausgabenlasten durch Rüstungsanstrengungen, Klimapolitik, Überalterung, Zuwanderung, Infrastrukturaltlasten, etc. trotz Rekordsteuereinnahmen auch klamm bleiben wird, ist absehbar, dass sich die Gewichte bei der Förderung der E-Mobilität weiter vom Zuckerbrot in Richtung Peitsche verschieben werden. Nicht das E-Auto wird qua Prämie attraktiver gemacht, sondern die Verbrennerfahrzeuge werden mit Zusatzkosten und Nutzungseinschränkungen belastet.

Rationalität vs. Emotion

Für die aggressiven E-Auto-Hersteller bietet auch ein solches Umfeld Chancen. Dies gilt umso mehr, als die Markentreue zu den alteingesessenen deutschen Herstellern sichtbar bröckelt. Das Auto ist nicht mehr das Statussymbol, das es in der Generation der Babyboomer noch war. Diese Rolle haben heute eher das Smartphone oder plakativ bewusste Formen des Konsums, etwa in den Bereichen Kleidung und Lebensmittel übernommen. Je mehr das Auto aber als normaler Gebrauchsgegenstand gesehen wird, den man in den urbanen Zentren sogar oft nur noch im Bedarfsfall anmietet, desto eher dürften sich Fahrzeuge über Kosten/Nutzen-Aspekte verkaufen als über ein Ansprechen der Käuferemotionen. Diese Ausgangslage spricht also zumindest für ein relativ besseres Abschneiden jener Hersteller, die in diesen Bereichen punkten können. Neben den Produzenten aus Fernost ist auch das Autokonglomerat Stellantis (WKN: A2QL01) zu nennen, dessen Kurs den deutschen Premium -und Massenherstellern zuletzt den Rang abgelaufen hat. Mit der Thematik staatlicher Industriepolitik und Marktsteuerung werden wir uns in der nächsten Ausgabe des Smart Investor Printmagazins übrigens noch etwas genauer auseinandersetzen.

Licht und Schatten

Insgesamt schlugen sich die deutschen Autoaktien im noch nicht ganz abgeschlossenen ersten Quartal 2024 allerdings gar nicht so schlecht. Unter den 15 DAXsector-Indizes landeten sie auf einem respektablen fünften Platz und zählten damit zu jenen Sektoren, die per 27.3. zweistellige Prozentgewinne verbuchen konnten. Unangefochten an der Spitze liegt allerdings der DAXsector Software mit knapp +27%, gefolgt von den Industrials (+16%) und den Versicherungen (+15%). Besonders schlecht schnitten dagegen der Transport- und der Versorger-Bereich mit jeweils rund -10%, sowie der Technologie-Sektor mit -17% ab. Die schlechte Entwicklung im letztgenannten Bereich ist allerdings auf Sondersituationen, etwa bei Aixtron (WKN: A0WMPJ) zurückzuführen, die kräftig Federn lassen mussten.

Die „Micros“ drehen auf

Weltweit war Technologie dagegen „the place to be“. So ist der US-Technologie-Bereich auf Drei-Monats-Sicht klarer Gewinner unter allen US-Aktiengruppen. Innerhalb dieser Gruppe stechen Halbleiter (+40,6%) und Computer Hardware (+38,71%) noch einmal deutlich hervor – kein Wunder, wenn man auf die Kursentwicklung von Aktien wie Nvidia (WKN: 918422) und Super Micro Computer Inc. (WKN: A0MKJF) blickt. Der neue Goldrausch ist vor allem durch das Thema Künstliche Intelligenz befeuert, für die enorme Rechenleistungen benötigt werden. Enthält der Name eines Unternehmens die Silbe „Micro“ ist derzeit bereits für Unterhaltung und Profit gesorgt. Das betrifft auch unsere beiden Musterdepot-Werte Micron Technology (WKN: 869020) und MicroStrategy (WKN: 722713). Für letztere ist das Stammgeschäft allenfalls noch ein nettes Zubrot, denn MicroStrategy-Chef Michael J. Saylor betätigt sich inzwischen als einer der sichtbarsten Bitcoin-Spekulanten: „Kaufe Bitcoin und rede darüber.“ Das zahlt sich aus, denn der Bitcoin schoss im ersten Quartal mit einem Plus von +68% den Vogel ab. Die Aktie von MicroStrategy knallte gar um +197% nach oben. Hintergrund der Euphorie war neben der Auflegung sogenannter Spot-ETFs auf den Bitcoin, durch die ein massiver Nachfrageschub ausgelöst wurde, das Bekenntnis großer Bankadressen zum Ur-Krypto. Es scheint, als wolle nun jeder hier wenigstens ein bisschen dabei sein. Die Gefahren dieses Investments können aber nicht ganz vernachlässigt werden, denn der Bitcoin bleibt den Notenbanken dieser Welt ein Dorn im Auge, bedroht er doch das Geschäftsmodell aller Fiat-Währungen. Mit Störfeuer ist also zu rechnen, besonders in Zeiten allgemeiner Sorglosigkeit.

„Nur Gold ist Geld“

Im Windschatten des Bitcoins konnten zuletzt auch Gold und Silber zulegen. Insbesondere Gold wird traditionell als Alternative zu den problembehafteten und inflationsgeplagten Fiatgeldern wahrgenommen. Der Bankier J.P. Morgan hielt es – freilich in einer weit zurückliegenden Vergangenheit – sogar für das einzig wahre Geld. Bei Gold reichte die aktuelle Stimmung zwischenzeitlich ebenfalls für neue Allzeithochs, die vor der Kursentwicklung in der Kryptowelt allerdings verblassen. Möglicherweise ist der irrationale (?) Überschwang dort aber dennoch eine gute Gelegenheit, um ein wenig in Reales und Greifbares umzuschichten. Im aktuellen Smart Investor, der gestern an unsere Abonnenten versendet wurde, beschäftigen wir uns intensiv mit dieser Welt der greifbaren Anlagegüter. „Rohstoffe … für jede „Wetterlage““ lautet unsere Titelstory, in der es um weit mehr geht als um Gold und Silber. Denn so erschreckend die Rückkehr von Hochrüstung und Krieg auf die Tagesordnung ist, dürfen wir als Investoren unsere Augen davor nicht verschließen. Krieg ist der Rohstofffresser schlechthin – und der sinnloseste dazu. Klassisches Politik- und Staatsversagen, wenn man so will. Im neuen Smart Investor 4/2024 gehen wir nicht nur auf die wichtigsten Rohstoffe und Rohstoffproduzenten ein, in einem Exklusivinterview steht uns auch US-Analystenlegende Martin Armstrong Rede und Antwort zur Dauer und zu den Implikationen des von ihm erforschten Kriegszyklus.

Lachender Dritter

Weniger euphorisch als beim Bitcoin geht es derzeit bei Boeing (WKN: 850471) zu. Die Aktie verlor im ersten Quartal satte -28%, obwohl das Unternehmen auch über einen sehr starken Rüstungsarm verfügt. Die Negativschlagzeilen kommen jedoch aus der Zivilluftfahrt und scheinen derzeit nicht abzureißen. Das Unternehmen soll über Jahre bei der Qualität geschludert haben, wie Whistleblower zu berichten wissen. Einer dieser Whistleblower, der ehemalige Boeing-Mitarbeiter John Barnett, war vor wenigen Wochen tot in seinem Auto aufgefunden worden. Ursächlich sei eine „offenbar selbst zugefügten Schusswunde“. Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe, denn naturgemäß kochten die Spekulationen im Netz und an den Märkten hoch. Die Qualitätsprobleme des Flugzeuggiganten wurden jedenfalls immer offensichtlicher. Seit Jahren häufen sich Nachrichten über kleinere und größere Mängel, die darin gipfelten, dass Maschinen im Flugbetrieb einzelne Teile verloren. Barnetts Vorwürfe wiegen schwer und sind mit seinem Tod auch keineswegs aus der Welt. Er prangerte eine „Kultur der Verschleierung“ an, in einem Unternehmen, welches das Profitstreben über die Sicherheit gestellt haben soll. Im Bereich der Luftfahrt sind solche Vorwürfe besonders besorgniserregend. Nun kündigte Boeing-Chef David Calhoun seinen Rückzug zum Jahresende 2024 an. Auch Verwaltungsratspräsident Lawrence Kellner werde nicht zur Wiederwahl antreten. Ob damit schon die notwendige Neuorientierung eingeläutet ist? Der lachende Dritte ist einstweilen jedenfalls Airbus (WKN: 938914), dessen Aktie, im Gegensatz zu der von Boeing, seit geraumer Zeit im Steigflug ist.

Zu den Märkten

Ging es im DAX zuletzt noch langsamer voran, scheint dieses Zwischenspiel schon wieder Geschichte zu sein. In den letzten Handelstagen hat sich der Aufwärtsgang erneut beschleunigt, so dass sogar ernsthaft die obere Begrenzung unseres zuletzt eingezeichneten Aufwärtstrends angesteuert werden könnte. Die Bewegung hat fast etwas Surreales, wenn man sie mit den nicht enden wollenden Horrornachrichten aus der Wirtschaft kontrastiert. Gerade erst wurde die Wachstumsprognose für das deutsche BIP auf jetzt +0,1% gesenkt. Richtig ist, dass, an den Märkten die Zukunft gehandelt wird, und so gesehen auf eine Verbesserung der aktuellen Verhältnisse gesetzt wird. Namentlich betrifft dies den Bereich der Geldpolitik, der nach der altbekannten Logik funktioniert: Je schlechter die Lage, desto größer der Druck auf die Notenbanken.

Lenken die Notenbanken jedoch ein, bevor die Inflation gebändigt wurde – und das ist in Kriegszeiten fast ein Ding der Unmöglichkeit – forcieren sie den Vertrauensverlust in die Währung selbst. Das ist dann der hier schon oft thematisierte Crack-up-Boom, also eine Flucht aus dem Fiatgeld in Bitcoin, Gold oder eben Aktien.

Musterdepots & wikifolio

In der Rubrik Musterdepots & wikifolio finden Sie heute ein Update zu unseren beiden „Micros“ sowie Neuigkeiten zum wikifolio „Smart Investor – Momentum“. Die große Monatstabelle für März 2024 finden Sie in der Ausgabe zur KW 12 . Im Musterdepotbereich können Sie sich durch einfaches Blättern einen schnellen Überblick über die Transaktionen der letzten Wochen verschaffen. Um diesen Bereich lesen zu können, müssen Sie Abonnent des Smart Investor Magazins sein und sich auf der Smart-Investor-Website einloggen. Sollten Sie Ihr Passwort vergessen haben, fordern Sie bitte ein neues bei abo@smartinvestor.de an.

Fazit

Die Autoindustrie, einst Flaggschiff der Deutschland AG, ist auf holpriger Straße. Das ist nicht nur Versäumnissen der Automanager anzulasten, sondern auch einer Politik, die eine Mobilitätswende in einer Technologie durchdrücken will, die von den Menschen freiwillig nicht im politisch gewünschten Umfang angenommen wird.

Ralf Flierl, Ralph Malisch

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