Wall Street auf Rekordjagd – Jobs schütteln Zinssorgen ab
Positiv interpretiertAn den US-Börsen setzte sich zuletzt der Rekordlauf fort: Sowohl der S&P 500 als auch der NASDAQ 100 erreichten neue Höchststände. In der verkürzten Handelswoche – am Freitag waren die US-Börsen wegen des Unabhängigkeitstags geschlossen – verbuchten alle großen Indizes Wochengewinne. Damit knüpften sie an die jüngste Rally an. Auslöser der Kurssteigerungen war der letzte US-Arbeitsmarktbericht. Die 147.000 neu geschaffenen Stellen lagen deutlich über den Erwartungen von 110.000. Die Arbeitslosenquote sank auf 4,1%. Zwar untermauert die robuste Jobdynamik die Widerstandsfähigkeit der US-Konjunktur, die Sache hat aber einen Haken. Denn über viele Jahre haben Börsianer gelernt: Läuft die Wirtschaft schlecht, ist das eigentlich gut für die Börse, weil dann die Hoffnungen auf eine lockere Geldpolitik befeuert werden. Diese Art von Kursmarketing funktioniert eben auch bei guten Zahlen, nur anders: Die Börse steigt, weil die Zahlen so gut waren. Der Trick solcher Berichterstattung besteht eigentlich darin, dass die vorhandenen negativen Aspekte ausgeblendet werden – in diesem Fall das Schwinden der Zinssenkungshoffnungen –, während alle Augen auf die Positivfaktoren ausgerichtet werden.
Auch ein anderer Zusammenhang scheint derzeit außer Kraft gesetzt. Normalerweise gelten die Aktienkurse von Growth-Werten als besonders sensitiv was Änderungen des Zinsniveaus betrifft. Entsprechend werden hier Kurssteigerungen erwartet, wenn eine Lockerung der Geldpolitik wahrscheinlicher wird. Grund für diese Anfälligkeit ist der zeitliche Anfall der Erträge. Bei Wachstumstiteln wird das Gros von Umsätzen und Gewinnen erst in der Zukunft erwartet, weshalb diese künftigen Zahlungen auf den Gegenwartswert abgezinst werden müssen. Damit wird der Zins zu einem entscheidenden Bewertungsfaktor. Je höher er ist, desto geringer fällt der Gegenwartswert weit in der Zukunft liegender Erträge aus. Soweit die Theorie. Nach den US-Arbeitsmarktdaten war jedoch das Gegenteil der Fall. Große Tech-Titel zeigten sich völlig unbeeindruckt. Im Gegenteil: Nvidia (WKN: 918422) kletterte ebenso auf ein neues Allzeithoch wie Microsoft (WKN: 870747).
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Fed bleibt passiv
Aufgrund der US-Beschäftigtenzahlen dürfte die Fed also erst einmal die Füße stillhalten, allen Aufforderungen und Anwürfen aus dem Weißen Haus zum Trotz. Die Hoffnungen auf eine Zinssenkung in der Juli-Sitzung tendieren gegen null und auch die Rendite der 10jährigen Treasurys macht keinerlei Anstalten, sich nach unten zu bewegen. Der US-Dollar hätte eigentlich von positiven Konjunkturzahlen profitieren sollen, doch mehr als eine Stabilisierung auf niedrigem Niveau war bislang nicht drin. Zum einen zeigt sich eine zunehmende Reserviertheit gegenüber dem US-Dollar. Die Währung des Landes mit dem größten Staatsdefizit der Menschheitsgeschichte ist nicht unbedingt attraktiv, zumal das „Big Beautiful Law“ nicht erkennen lässt, dass sich hier in absehbarer Zeit etwas ändern könnte. Gleichzeitig erodiert der Status als Weltreservewährung zwar langsam, aber unaufhörlich. Das Thema Zinssenkung ist zwar aufgeschoben, aber nicht gänzlich aufgehoben, etwa, falls sich die Konjunktur sich erneut eintrüben sollte. Schließlich sind die USA selbst nicht an einem starken Dollar interessiert. Noch ist dies zwar kein klassischer Abwertungswettlauf oder eine offene Beggar-my-Neighbour-Politik, doch schimmert die mangelnde Unterstützung der USA für die eigene Währung mehr als deutlich durch. Das ist allerdings ein Spiel mit dem Feuer, denn sollte die Abwärtsbewegung des US-Dollars noch dynamischer werden, könnte dies zu einer regelrechten Dollar-Flucht führen. Von besonderem Interesse ist heute die Veröffentlichung der Fed-Protokolle der Juni-Sitzung (FOMC-Minutes). Der Markt erhofft sich hier ein Stimmungsbild des wichtigsten geldpolitischen Entscheidungsgremiums der westlichen Hemisphäre. Allerdings war den US-Geldhütern die Entwicklung des Arbeitsmarktes in der Juni-Sitzung noch nicht bekannt, so dass die in den Protokollen getätigten Aussagen ein Stückweit von der Realität überholt sein dürften.
Bedeutung des Trendbruchs
Mit der Charttechnik ist es so eine Sache. Manche glauben daran, andere nicht. In Märkten mit vielen Teilnehmern, von denen praktisch keiner ein dominanter Spieler ist, dürfte sie besser funktionieren. Und natürlich funktioniert sie umso besser, je weniger an sie glauben. Zu viele Jäger sind nicht nur der Hasen Tod, zu viele Charttechniker führen schnell ins Fahrwasser kurzlebiger, sich selbst erfüllender Prophezeiungen. Denn dann wird nicht mehr auf fundamental motivierte Verschiebungen von Angebot und Nachfrage gehandelt, sondern auf die Formationen selbst, die dann erst durch eine Vielzahl eifriger Chartisten erzeugt werden. Der Goldmarkt ist dagegen ein Markt, in dem die Institutionen, namentlich die Notenbanken, das Geschehen bestimmen. Insofern ist der Aufwärtstrend hier tatsächlich gut unterfüttert. Auch stehen diese Marktteilnehmer nicht im Verdacht kurzfristig auf Kursbilder zu handeln. In der Regel setzen sie strategische Zielvorgaben um, oder betreiben allenfalls ein bisschen Marktpflege. In Zeiten globaler Spannungen ziehen aber die Notenbanken nicht mehr am gleichen Strang – zumindest nicht mehr in der gleichen Richtung.
Insbesondere aus den BRICS-Staaten wird das gelbe Metall verstärkt physisch nachgefragt, was wiederum die westlichen Zentralbanken unter Druck bringt. Alle Notenbanken betreiben Systeme ungedeckten Papiergelds, weshalb es eine Art Gentlemen‘s Agreement gibt, sich in dieser Rolle nicht durch steigende Goldpreise unnötig unter Druck bringen zu lassen. Gefährlich wird es, wenn einzelne Mitglieder dieses Clubs sich zu den Ausgängen bewegen, also im Überfluss vorhandenes Papiergeld in knappes Gold eintauschen wollen.
Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen sollte es leicht fallen, die aktuelle Verschnaufpause und den Trendbruch im Gold richtig einzuordnen. Keine Notenbank wird sich durch ein charttechnisches Signal aus ihrer Position drängen lassen. Vielmehr würde ein Rücksetzer sogar neue günstige Einstiegschancen eröffnen. In dieser Hinsicht sollten sich Privatanleger an denen orientieren, die wirklich maßgeblichen Einfluss auf diesen Markt haben.
Zu den Märkten
Nicht nur Big Tech, auch der DAX strebte erneut Richtung Allzeithoch. Sollte er sich auf dem aktuellen Niveau halten, wäre ein neuer Rekord auf Schlusskursbasis erreicht. Was beflügelte, war die Verlängerung des Zoll-Ultimatums an die EU. Statt dem 9. Juli ist die neue Deadline nun der 1. August. Gewiss, dies führt erst einmal zu einem Aufatmen. Aber ist es wirklich das, was die Marktteilnehmer auf Dauer wollen? So halten wir im Monatsrhythmus die Luft an, warten auf einen „Deal“, der dann entweder positiv oder negativ ausfällt, oder erneut vertagt wird.
Auch hier haben wir einen erheblichen Einfluss der Politik. Wie wird Trump wohl gelaunt sein? Ist die EU-Spitze verärgert? Wer haut wessen Tante und wer haut zurück? Das alles ist sinnlos und zermürbend. Das klar Beste wäre es, alle Zölle abzuschaffen und so dem Freihandel neue Impulse zu geben. Doch genau das wird nicht passieren. Denn in ihrer kurzatmigen Gier nach Geld sind die Regierungen hüben wie drüben darauf erpicht, sich neue Einnahmequellen zu erschließen. Bei Zöllen können sich Politiker kräftig medial in die Bresche werfen, wie sie die jüngsten Attacken der Gegenseite pariert haben. Das Ergebnis aber ist immer das Gleiche: Die Politik macht sich die Taschen voll, die Unternehmen und damit letztlich die Verbraucher aber werden zur Ader gelassen. Der Vorteil: Diese schimpfen dann ausnahmsweise einmal nicht auf die eigene Regierung, sondern die des anderen Landes.
Musterdepots & wikifolio
In der Rubrik Musterdepots & wikifolio gibt es diesmal keine Veränderungen. Die große Depotübersicht für Juni 2025 einschließlich Bestandstabelle und den getätigten Transaktionen finden Sie im Musterdepot-Update 26/2025. Im Musterdepotbereich können Sie sich durch einfaches Blättern einen schnellen Überblick über die Transaktionen der letzten Wochen verschaffen. Um diesen Bereich zu lesen, müssen Sie Abonnent des Smart Investor Magazins sein und sich auf der Smart-Investor-Website einloggen. Sollten Sie Ihr Passwort vergessen haben, fordern Sie bitte ein neues bei abo@smartinvestor.de an.
Fazit
Der Zollstreit zwischen den USA und der EU geht in eine weitere Runde. Die Zeche zahlen die Verbraucher, aber die Märkte jubilieren.
Ralf Flierl, Ralph Malisch
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Die Charts wurden erstellt mit stock3 und Tai-Pan von Lenz+Partner. Diese Rubrik erscheint jeden Mittwochnachmittag.
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