„Hole in One“

Titelbild: © Jag_cz – stock.adobe.com

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„Impact-Meeting“ in Jackson Hole

Stelldichein der Notenbanker

Das sogenannte Jackson-Hole-Meeting ist eines der wichtigsten Ereignisse für die Finanzwelt. Bei diesem jährlichen Stelldichein der Notenbanker werden oft grundsätzliche und richtungsweisende Botschaften an die Märkte gesendet. Der mit Abstand wichtigste Programmpunkt ist die Rede des jeweiligen Fed-Chefs, in diesem Jahr also von Jerome Powell. Wie verunsichert die Märkte zurzeit sind, zeigten die Marktreaktionen. Der S&P 500 sackte um 3,4% ab, beim NASDAQ 100 waren es gar 4,1%. Damit wurde jede noch bestehende Hoffnung auf eine Fortsetzung der seit Anfang Juli laufenden Erholungsbewegung erst einmal zunichte gemacht. Es bleibt also erstes Gebot, sich über die „Sturmfestmachung“ seiner Anlagen Gedanken zu machen. Weltweit, so wurde kalkuliert, lösten sich während der 8-minütigen Powell-Rede rund zwei Billionen USD an Marktkapitalisierung buchstäblich in Luft auf. Damit ist Powell nicht nur eine der gefragtesten, sondern nun auch einer der teuersten Redner aller Zeiten. Im Golf würde man das Versenken der Märkte mit nur einer einzigen Rede wohl als ein „Hole in One“ bezeichnen.

Schmerzen jetzt, oder mehr Schmerz später?

Worauf die Märkte so verschnupft reagierten, war Powells klares Bekenntnis zu einer Fortsetzung seines Anti-Inflationskurses. Gleich dreimal nahm er Bezug auf Paul A. Volcker, den legendären früheren Fed-Chef, der Ende der 1970er Jahre die Inflation durch eine beispiellose Abfolge von Zinserhöhungen letztlich brach. Und Powell stimmte das Publikum in seiner Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede auf die hohen Kosten und Schmerzen einer solchen Politik ein. Viel größere Schmerzen werde es jedoch bereiten, falls es nicht gelänge, die Preisstabilität wieder herzustellen. Was die Märkte vor allem schockierte, war die Aussicht auf eine Phase steigender bzw. hoher Zinsen, die wesentlich länger dauern könnte als dies bislang antizipiert wurde.

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Im Namen des „Spielgelds“

Andererseits ist die Situation auch nicht mit dem zu vergleichen, was Volcker seinerzeit vorfand. Besonders die inzwischen exorbitant angewachsene Verschuldung bereitet Sorgen. Bei einem größeren und/oder längerfristigen Zinsanstieg wird etlichen der bislang mühsam mit Nullzinsen durchgeschleppten Zombie-Unternehmen und -Staaten endgültig die Luft ausgehen. Da es über viele Jahre das Hauptthema von Politik und Geldpolitik war, eben diese Unternehmen und Staaten zu „retten“, entspricht ein solcher Politikwechsel fast einer 180-Grad-Wende. Es muss also sehr ernst, um die Geldwertstabilität und damit um den Bestand des Fiat-Dollars sein. Für jede Notenbank ist es immer die oberste Priorität, die Integrität und die Werthaltigkeit – und sei es auch nur der Schein von Werthaltigkeit – ihres eigenen „Spielgelds“ aufrechtzuerhalten. Diesem obersten Ziel wird jede andere Politik untergeordnet. Allerdings zeigt sich dieses Ziel bei der EZB aktuell in geradezu entgegengesetzter Weise: Für sie ist nicht die Inflation, sondern das Auseinanderbrechen des Euros die größte Gefahr. Deshalb vermeidet sie alles, was die Spannungen innerhalb der Eurozone erhöhen könnte – und dazu gehört auch eine beherzte Inflationsbekämpfung nach Volcker/Powell-Art.

Inflationstsunami

Entsprechend trifft der Inflationstsunami die Eurozone mit besonderer Wucht. Einen Verbraucherpreisauftrieb von satten 7,9% vermeldete Destatis soeben für August. Für die Eurozone sieht es sogar noch düsterer aus. Dort liegt das heute vermeldete Plus der Konsumentenpreise für August sogar bei +9,1% im Jahresvergleich. Die anhaltende Schubkraft kommt aus den Erzeugerpreisen (Juli: +37,2%, höchster Wert für Deutschland seit Beginn der Erhebung) und der Euro-Schwäche. Dieser Schub wirkt sich besonders in den Bereichen Energie (+35,6%) und Nahrung (+16,6%) aus. Das sind genau jene Bereiche, die für ihre hohen Ausschläge bekannt sind und deshalb auch bei der Ermittlung der Kerninflation außer Acht gelassen werden. Kleiner Schönheitsfehler: Ohne Energie und Nahrung erübrigt sich auch jeder weitere Konsum. Nicht alles, was sich statistisch errechnen lässt, hat einen Bezug zur Wirklichkeit.

Das Problem mit dem August-Wert ist nicht die Zahl von +7,9%, sondern der Umstand, dass diese Zahl trotz Tankrabatt und 9-EUR-Ticket so hoch liegt. Beide Maßnahmen laufen mit dem heutigen Tag aus, so dass wir hier im September einen weiteren Preissprung sehen könnten. Es sei denn, es würde ein größerer gegenläufiger Effekt einsetzen, etwa ein Rückgang der Gaspreise. Dazu kommt, dass sich die Effekte der Erzeugerpreise statistisch erst mit einer Verzögerung von ca. drei Monaten in den Verbraucherpreisen zeigen, der erneute Sprung in diesem Bereich also noch nicht vollständig sichtbar sein dürfte. Zweistellige Inflationsraten bei den Konsumentenpreisen würden uns im weiteren Jahresverlauf also nicht überraschen.  

Gazprom – Rekordgewinn dank Sanktionspolitik?!

Im Westen rieb man sich verwundert die Augen als Gazprom heute einen Rekordgewinn von 41,6 Mrd. EUR für das erste Halbjahr 2022 bekanntgab. Während die Verbraucher in Deutschland unter den Verwerfungen der Sanktionspolitik gegen Russland leiden, zeigt sich die Bilanz des russischen Gasgiganten davon völlig unbeeindruckt. Obwohl die Lieferungen Richtung Westen mehrfach gedrosselt bzw. unterbrochen wurden, sprudeln die Gewinne. Vor allem die hohen Preise scheinen die verringerten Liefermengen mehr als auszugleichen. Dazu kommt, dass Russland eifrig neue Lieferverträge mit neuen Partnern aushandelt, allen voran die Großabnehmer China und Indien, das sich auch als Weiterverkäufer betätigt hatte. Sogar in die Lieferbeziehungen zu einzelnen EU-Ländern scheint aktuell – im Gegensatz zu Deutschland – wieder etwas „business as usual“ einzukehren. Perspektivisch werden in einigen Gazprom-Langfristverträgen auch Gewinne aus der sogenannten Take-or-Pay-Klausel stecken, der zufolge auch Gas bezahlt werden muss, dessen Annahme verweigert wurde – Gas also, das ein weiters Mal verkauft werden kann.

Würde man den Gazprom-Gewinn des ersten Halbjahres auf das Gesamtjahr hochrechnen, läge die Aktie auf Basis des angehaltenen und für unser Musterdepot zugrunde gelegten Kurses von zuletzt 2,70 EUR für ein Gazprom-ADR (= zwei Aktien) bei einem KGV von unter 0,6 (!). Tatsächlich stand der Kurs der Aktie zuletzt aber wieder deutlich höher. Allein heute sprang er um mehr als 20% auf rund 249 Rubel https://www.bloomberg.com/quote/GAZP:RM. Für die Gazprom-ADRs entspricht das umgerechnet einem Kurs von ca. 8 EUR. Selbst zu diesen Kursen läge das KGV aktuell nur unwesentlich über 1. Ein Konzern, der es schafft, unter erschwerten Bedingungen derartige Gewinne zu erwirtschaften, ist offenbar ziemlich krisenstabil aufgestellt. Der Treppenwitz ist allerdings, dass eine weitgehend kopflose Sanktionspolitik dem russischen Gasgiganten nun auch noch reichlich Windfall Profits in die Kassen gespült hat.

Für deutsche Anleger bleibt die Freude über die Gazprom-Zahlen allerdings getrübt. Hier geht es weiter vor allem darum, wie man die von den Sanktionen betroffenen und inzwischen gekündigten ADRs möglichst kapital- und nervenschonend wieder zu Geld machen kann. Zuletzt hatten wir hier und ausführlicher hier über die Übertragung auf die kasachische Freedom Finance berichtet. Angesichts der, bis 15. Oktober verlängerten Frist wollten wir uns hier einige Tage Zeit geben, um Rückmeldungen zu diesem Weg abzuwarten. Da uns in der Zwischenzeit nichts Negatives bekanntgeworden ist, werden wir die „kasachische Option“ nun auch zügig für unser Musterdepot (virtuell) umsetzen. In diesem Zusammenhang dürfen wir auch noch einmal auf das Erklärstück des Osteuropa-Experten Andreas Männicke sowie auf die aktuellen Newsletter der SdK verweisen. Aktuelle Kurse der Gazprom-Aktie waren heute über den an dieser Stelle schon einmal genannten Link der Moskauer Börse nicht verfügbar. Eine Alternative bietet hier der Finanznachrichtendienst Bloomberg.

Smart Investor 9/2022 – „Zukunft“

Am vergangenen Wochenende ist der brandneue Smart Investor 9/2022 mit der Titelstory „Zukunft – Der Blick ins Ungewisse“ erschienen. Darin beschäftigen wir uns schwerpunktmäßig mit einem Phänomen, das uns zwar alle betrifft, aber nur schwer zu greifen ist. Oftmals werden in die Zukunft auch nur die Hoffnungen und Ängste der Gegenwart projiziert, was dann gerne Prognose genannt wird. In dieser Ausgabe gehen wir einen anderen Weg: Wir verlängern nicht die vorhandenen Trends, sondern halten explizit nach möglichen Trend- und Strukturbrüchen sowie hell- bis dunkelgrauen Schwänen Ausschau. Auch die Erkenntnisse aus diesem Prozess legen nahe, die eigenen Anlagen dringend „sturmfest“ zu machen. Dagegen sind in der aktuellen Situation ESG-Investments etwas in den Hintergrund getreten, allerdings steckt hinter dem Thema so viel politischer Wille, dass es durchaus wieder relevant werden dürfte. Wir berichten, worauf man bei Investments in diesem Bereich achten sollte. Das und vieles mehr im neuen Smart Investor 9/2022.


Zu den Märkten

Mit dem Titel „Faust auf Faust, Schlag auf Schlag“ würdigte der Sänger Klaus Lage vor knapp 40 Jahren den Tatort-Kultkommissar Horst Schimanski. Nachdem dem Markt schon in der Vorwoche ein kräftiger Schlag versetzt wurde, kam es mit der Jackson-Hole-Konferenz der Notenbanker zu einem erneuten Abverkauf (vgl. Abb., Markierungen). Zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe fehlen nur noch rund 550 Punkte bis zu einem erneuten Test des wichtigen Unterstützungsbereichs um 12.400 DAX-Punkte. Diese Unterstützung hatte sich durch das Paniktief Anfang März und das Doppeltief im Juli etabliert. Eigentlich ist es angesichts von Saisonalität, Trend und bevorstehendem Winter fast schon Pflicht, dass diese Zone erneut getestet wird. Erst dann entscheidet sich, ob der nach wie vor bestehende Abwärtstrend sich noch einmal nach unten beschleunigen wird, oder ob es echte Stabilisierungschancen gibt. Angesichts der offenen Gas- und Stromthematik erscheint uns der DAX aber weiter in erheblichem Umfang rückschlaggefährdet.


Geballtes Expertenwissen

Diesen Samstag sollten Sie sich nicht entgehen lassen. Am 3.9. findet die Metallorum-Roadshow – Wissen sichert Vermögen unter dem Motto „Droht der Finanzkollaps?“ in der Inselhalle Lindau statt. Dort wird unter anderem Bestsellerautor Ernst Wolff referieren, wobei die Teilnehmer im Rahmen der Veranstaltung auch die Gelegenheit haben werden, sich persönlich mit den anwesenden Experten und Referenten auszutauschen. Nähere Informationen finden Sie auf https://metallorum-events.de/.

Genau zehn Tage später, am 13.9., findet zum 19. Mal das SRC Forum Financials & Real Estate 2022 in Frankfurt am Main statt. Auch dieses Jahr wird sich eine Vielzahl namhafter Unternehmen des Immobilien- und Private Equity Bereichs aus dem deutschen Sprachraum präsentieren. Nähere Informationen finden Sie auf der Website des Veranstalters.

Anfang Oktober, genauer gesagt am 1.10., öffnet dann die World of Value ihre Pforten in Frankfurt am Main. Dort werden unter anderem Top-Referenten wie Dr. Markus Krall, Dr. Daniel Stelter und Matthew Piepenburg vortragen. Näheres zur World of Value finden sie hier.

Musterdepots & wikifolio

In der Rubrik Musterdepots & wikifolio berichten wir heute über die neuesten Transaktionen und über die Entwicklung in unserem wikifolio „Smart Investor – Momentum“. Sie können sich dort durch einfaches Blättern einen schnellen Überblick über die Transaktionen der letzten Wochen verschaffen. Um diesen Bereich lesen zu können, müssen Sie Abonnent des Smart Investor Magazins sein und sich auf der Smart-Investor-Website einloggen. Sollten Sie Ihr Passwort vergessen haben, fordern Sie bitte ein neues bei abo@smartinvestor.de an.

Fazit

Die Worte von Fed-Chef Jerome Powell haben Gewicht – so viel, dass sie die Märkte in weniger als zehn Minuten um mehr als zwei Billionen USD nach unten ziehen können.

Ralf Flierl, Ralph Malisch

Smart Investor 09/2022:

Titelstory: Zukunft – Der Blick ins Ungewisse

Nachhaltigkeit: ESG, SDG, Impact oder Öko – was darf es sein?

Turnaround-Aktien: Österreichische Nischenplayer auf dem Sprung nach oben?

Weltordnung: Die Hegemonie der USA nähert sich ihrem Ende

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Die Charts wurden erstellt mit Guidants und Tai-Pan von Lenz+Partner. Diese Rubrik erscheint jeden Mittwochnachmittag.

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